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Assistierter Suizid: Kein neues Sterbehilfe-Gesetz

Darf man sich von einem Arzt ein todbringendes Medikament verschreiben lassen, wenn man des Lebens überdrüssig ist? Eine gesetzliche Regelung sollte Klarheit für Patienten, Angehörige und Ärzte schaffen, scheiterte im Bundestag jedoch. Die schwierige ethische Debatte bleibt.
Arzt mit Klemmbrett und Fragebogen im Gespräch mit einem Patienten
Experten befürchten, dass ohne gesetzliche Regelung dubiose Suizidhilfe-Angebote entstehen könnten (Symbolfoto).

Eine Regelung der Sterbehilfe in Deutschland ist vorerst gescheitert. Im Bundestag verfehlten am 6. Juli zwei dafür vorgelegte Entwürfe eine Mehrheit. Mit großer Mehrheit angenommen wurde hingegen ein Antrag für den Ausbau von Angeboten zur Suizidvorbeugung.

Zunächst hatten die Abgeordneten über den Vorschlag für eine striktere Regelung über das Strafrecht abgestimmt. Für den Entwurf einer Gruppe um die Abgeordneten Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CDU) stimmten 304 Parlamentarierinnen und Parlamentarier, dagegen votierten 363. Es gab 23 Enthaltungen. Der konkurrierenden Vorschlag einer Gruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne) bekam 287 »Ja«-Stimmen, jedoch stimmte eine Mehrheit von 375 Personen dagegen, 20 enthielten sich.

Hintergrund für die Initiativen war ein wegweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020, das ein seit 2015 bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe im Strafgesetzbuch gekippt hatte, weil es das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben verletzte. »Geschäftsmäßig« hat dabei nichts mit Geld zu tun, sondern bedeutet »auf Wiederholung angelegt«. Das Urteil stieß eine Tür für organisierte Angebote auf, aber ausdrücklich mit der Möglichkeit zur Regulierung. Diese Möglichkeit nutzte der Bundestag nun nicht.

Beide Vorstöße sollten Bedingungen und Voraussetzungen zu Fristen und Beratungspflichten festlegen, um eine Suizidhilfe für Volljährige zu regeln. Der Vorschlag der Gruppe um Castellucci sah dazu eine Neuregelung im Strafgesetzbuch vor. Dort sollte es heißen: »Wer in der Absicht, die Selbsttötung einer anderen Person zu fördern, dieser hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.« Geregelt werden sollten aber auch Ausnahmen.

Der Vorschlag der Gruppe Künast/Helling-Plahr sah eine Regelung außerhalb des Strafgesetzbuches vor. Kommen sollte ein »Gesetz zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung«. Für den Vorstoß hatten sich zwei Gruppen zusammengetan. Im Entwurf heißt es: »Jeder, der aus autonom gebildetem, freiem Willen sein Leben eigenhändig beenden möchte, hat das Recht, hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen.«

Debatte um Suizidhilfe kontrovers und emotional

Der Beschluss fiel nach kontroverser und teils emotionaler Debatte. Viele der Rednerinnen und Redner, die meist einen der beiden Entwürfe unterstützten, warben dafür, die Sterbehilfe gesetzlich zu regeln und damit Rechtssicherheit für Betroffene zu schaffen, kritisierten jedoch den jeweils anderen Vorschlag. »Wenn es das Grundrecht ist, selbst über das Ende des Lebens zu entscheiden und sich dabei einer Hilfe zu bedienen, können wir nicht ins Strafrecht eine Regelung aufnehmen, die sagt, die Hilfe zu einem selbstbestimmten, frei verantwortlichen Suizid ist grundsätzlich strafbar«, erklärte Renate Künast in ihrem Redebeitrag mit Bezug auf den Vorschlag der Gruppe um Castellucci .

Die Ärztin Kirsten Tappert-Gonther kritisierte hingegen den Entwurf, den Renate Künast maßgeblich mitgestaltet hatte, als zu liberal: »Auch Liebeskummer kann zu Suizidgedanken führen. Eine einmalige Beratung und drei Wochen Wartefrist reichen hier nicht aus. Es braucht ein Schutzkonzept, das sicherstellt, dass ein Suizidwunsch frei verantwortlich und von Dauer ist.« Die Sicherung der Selbstbestimmung sei die zentrale Aufgabe der gesetzlichen Regelung, so die Abgeordnete in ihrer Rede.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat das »Nein« des Bundestags zu den zwei Vorschlägen derweil begrüßt. »Es war richtig, dass der Bundestag über die organisierte Suizidbeihilfe abgestimmt und sich gegen beide Entwürfe entschieden hat«, sagte Vorstand Eugen Brysch gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. »So wird Deutschland vor einem ethischen Dilemma bewahrt.«

Niemand muss Sterbehilfe leisten

Da nun keiner der beiden Entwürfe angenommen wurde, bleibt es vorerst bei der derzeitigen Rechtslage, die auf dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 beruht. Jeder in Deutschland darf demnach selbstbestimmt sterben und dabei die Hilfe anderer in Anspruch nehmen, wobei die Suizidhilfe nicht an bestimmte Bedingungen wie ein unerträgliches oder zum Tod führendes Leiden geknüpft ist. Die Tötung auf Verlangen – auch aktive Sterbehilfe oder Euthanasie genannt – ist weiterhin verboten und strafbar. Auch ist es jeder Person selbst überlassen, ob sie Sterbehilfe leisten möchte oder nicht.

Umgesetzt werden soll nun zunächst der Antrag, der vorsieht, Suizidprävention in Deutschland auszubauen. Für den Vorschlag votierten 688 Abgeordnete, dagegen stimmte nur eine Person. Es gab vier Enthaltungen. Unter anderem soll ein bundesweiter Präventionsdienst etabliert werden, der Menschen mit Suizidgedanken und Angehörigen rund um die Uhr online und mit einer einheitlichen Telefonnummer Kontakt zu geschulten Ansprechpartnern ermöglicht.

Experten sehen vor allem in der Inklusion älterer und einsamer Menschen eine enorme, gesellschaftliche Herausforderung. Der Psychiater Thomas Pollmächer, der von 2021 bis 2022 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (DGPPN) war, erklärt: Man dürfe nie ausschließen, dass eine suizidwillige Person unter einer behandelbaren psychischen Erkrankung leidet, die den Sterbewunsch auslöst. »Es geht auch darum, niederschwellige Angebote bekannt zu machen, zum Beispiel digitale Selbsthilfe-Programme oder psychosoziale Beratungsangebote.«

(dpa/ccw/doe)

Wege aus der Not

Denken Sie manchmal daran, sich das Leben zu nehmen? Erscheint Ihnen das Leben sinnlos oder Ihre Situation ausweglos? Haben Sie keine Hoffnung mehr? Dann wenden Sie sich bitte an Anlaufstellen, die Menschen in Krisensituationen helfen können: an den Hausarzt, niedergelassene Psychotherapeuten oder Psychiater oder die Notdienste von Kliniken. Kontakte vermittelt der ärztliche Bereitschaftsdienst unter der Telefonnummer 116117.

Die Telefonseelsorge berät rund um die Uhr, anonym und kostenfrei: per Telefon unter den bundesweit gültigen Nummern 0800 1110111 und 0800 1110222 sowie per E-Mail und im Chat auf der Seite www.telefonseelsorge.de. Kinder und Jugendliche finden auch Hilfe unter der Nummer 0800 1110333 und können sich auf der Seite www.u25-deutschland.de per Mail von einem Peer beraten lassen.

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