News: Süßer Sensor
Komplizierter Aufbau und vielfältige Aufgaben bedeuten aber auch arbeitsreiche und anspruchsvolle Herausforderungen für die Wissenschaftler – mit ein Grund dafür, dass Forschungsergebnisse aus der Zuckerbiochemie langsamer sprudeln als aus anderen Bereichen. Auch die Hürde zwischen der Entdeckung vielversprechender Grundlagen und ihrer praktischen Anwendbarkeit wird meist nicht zuerst in der Zuckerforschung genommen.
Vorreiter finden sich anderswo: Mit so genannten DNA-Chips, miniaturisierten sowie automatisierten Analyseverfahren, kann man beispielsweise heute bereits aus eine sehr großen Menge von Genmaterial innerhalb kürzester Zeit DNA-Abschnitte herausfiltern und analysieren. Vielversprechende Kandidaten für die Medikamentenentwicklung oder bestimmte potenzielle Krankheitsverursacher können auf diese Weise sehr schnell erkannt werden. Vergleichbares existierte zur Kohlenhydratanalyse bislang nicht.
"Die Kohlenhydratforschung hinkt hier hinterher, weil es sehr schwierig ist, Zuckermoleküle effizient nachzubauen", sagt Milan Mrksich von der University of Chicago. Jetzt aber haben Mrksich und sein Kollege Benjamin Houseman das erste Biochip-Verfahren für die schnelle Zuckeranalyseverfahren entwickelt. Analog zur DNA-Chiptechnik werden dabei auf einem Biochip Kohlenhydrate bekannter Struktur chemisch gebunden. Dann wird eine Lösung der zu analysierenden Substanzen, beispielsweise von Eiweißen, aufgetragen. Nur bestimmte Substanzen binden dabei an die festhängenden Kohlenhydrate, alle anderen werden abschließend abgewaschen. Vorher wurden die Proteine mit fluoreszierenden Markern gekennzeichnet – daher kann man abschließend nachvollziehen, welche der Substanzen gegebenenfalls wo gebunden wurden.
Der rasante Kohlenhydrat-Analysator soll jetzt innerhalb der nächsten fünf Jahre zur Serienreife entwickelt werden. "Damit könnten mögliche neue Medikamente viel schneller entdeckt werden", sagt Mrksich. Krebszellen tragen zum Beispiel andere Kohlenhydrate auf ihrer Oberfläche als gesunde Zellen, und Proteine, die nur dort binden, könnten entdeckt und selektiv gegen sie eingesetzt werden. Die Methode würde auch dabei helfen zu analysieren, ob Menschen mit bestimmten Viren oder Bakterien in Kontakt gekommen sind: Die vom angeregten Immunsystem gebildeten Abwehrproteine binden an den charakteristischen Oberflächen-Kohlenhydraten dieser Krankheitserreger und geben sich auf dem Biochip zu erkennen. In Aussicht steht demnach auch die Entwicklung eines Chips für schnelle Serumanalysen potentieller Biowaffenopfer – das amerikanischen Verteidigungsministeriums hat bereits Interesse an der Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern angemeldet.
Diese vermuten unterdessen einen breiteren Anwendungsbereich für die Pioniertechnik: "Wir erfahren ständig mehr über die wichtigen Funktionen von Kohlenhydraten in der gesamten Biologie", sagt Mrksich, "und in naher Zukunft werden wir überall enormen Bedarf nach schnellen Analysemethoden haben."
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