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News: Überalterung des Alls

Heute, im Alter, kleidet es sich in ein helles Beige. Doch in seiner stürmischen Jugend bevorzugte es frische Blautöne. Die Farbe des Universums zeigt uns, wie alt seine stellaren Bewohner sind.
Farbe des Universums
Vor rund 4,5 Milliarden Jahren entstand unsere Sonne – einer von vielen Sternen unserer Milchstraße. Doch ist sie damit besonders jung oder eher alt? Wie viele Sterne bilden sich heute in kosmischen Staub- und Gaswolken? War zu früheren Zeiten die Sternentstehungsrate größer? Mit Fragen wie diesen beschäftigen sich Astronomen heutzutage.

Einige Antworten darauf lassen sich mit modernen Teleskopen finden, doch ist das in der Regel mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Denn ein Blick in Vergangenheit – also in die Weiten des Alls – ist schwierig. Zum einen ist das ankommende Licht ferner Galaxien sehr, sehr schwach, zum anderen ist es aufgrund der Expansion des Universums zu längeren Wellenlängen hin verschoben, im Extremfall aus dem sichtbaren Bereich ins Infrarote. Um dennoch einen Blick riskieren zu können, braucht es große Teleskope, die viel Licht sammeln und zudem im Bereich infraroter Wellenlängen empfindliche Detektoren besitzen.

Mit einem der 8,2-Meter-Teleskope der europäischen Südsternwarte (ESO) auf dem 2635 Meter hohen Paranal in der chilenischen Atacama-Wüste steht solche Technik zur Verfügung. Astronomen nutzten sie, um bislang unvergleichliche Infrarotbilder längst vergangener Tage zu schießen. Denn immer wenn die atmosphärischen Bedingungen günstig und das so genannte Hubble Deep Field South sichtbar war, richteten die Wissenschaftler das Teleskop auf diese Region des Südhimmels. Insgesamt kamen so über hundert Stunden Beobachtungszeit zusammen.

Das Hubble Deep Field Süd (HDF-S) bildet einen Korridor im Sternbild Tukan, der den Blick frei gibt auf rund zwölf Milliarden Jahre kosmischer Geschichte. Dabei können sich die Aufnahmen des ESO-Teleskops durchaus mit Hubble-Bildern messen, reichte doch der Infrarotblick soweit hinaus, wie es bislang mit keinem anderen erdgebundenen Teleskop möglich war – in manchen Wellenlängenbereichen sogar weiter als mit Weltraumteleskopen.

Rund 300 Galaxien zählten die Astronomen um Gregory Rudnick vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in dem 2,5 mal 2,5 Quadratbogenminuten großen Gebiet des HDF-S. Mit einer Rotverschiebung von 3,2 war das weitest entfernte System etwa 11,5 Milliarden Jahre alt. Sein Licht stammt also aus einer Zeit, als das Universum gerade einmal 2,2 Milliarden Jahre jung war. Um sich nun ein Bild von der Entwicklung des Weltalls zu machen, entfernten die Wissenschaftler die Rotverschiebung rechnerisch, sodass sie das Spektrum der Galaxien verschiedener Epochen direkt vergleichen konnten. Auf diese Weise ließ sich für jedes Zeitalter eine charakteristische Farbe ermitteln. Und was kam dabei heraus?

Das Universum wird röter. Strahlte es 2,2 Milliarden Jahre nach seiner Geburt noch in einem satten Fliederton, so wurde der Rotanteil im Laufe der Jahrmilliarden zusehends größer. Heute, so fanden andere Forscher schon vor fast zwei Jahren heraus, leuchtet es bereits in einem hellen Beige.

Dieser stete Farbverlauf hat durchaus wissenschaftliche Bedeutung. Der niederländische Astronom Marijn Franx vom Leiden Observatory erklärt: "Die blaue Farbe des frühen Universums wird durch das vorherrschende blaue Licht junger Sterne in den Galaxien bestimmt. Die rötlichere Färbung des heutigen Universums wird durch die vergleichsweise große Zahl älterer, röterer Sterne bewirkt." Das heißt, das Universum produziert heute offenbar nicht mehr so viele massereiche und kurzlebige blaue Sterne wie in seinen Anfangstagen. Heute überwiegen leichtere und langlebigere rote Sterne.

Rudnick ergänzt: "Da die absolute Lichtmenge in der Vergangenheit des Universums ungefähr der heutigen entspricht und die jungen, blauen Sterne deutlich mehr Licht als alte, rote emittieren, muss es im frühen Universum deutlich weniger Sterne als heute gegeben haben." Zurzeit scheint es demnach zehnmal mehr Sterne zu geben, als zu Beginn des Universums. Rund die Hälfte der heutigen Sterne scheint entstanden zu sein, als das Universum mit sieben Milliarden Jahren etwa die Hälfte seines derzeitigen Alters erreicht hatte. Zum Vergleich: Das Universum gebar unsere Sonne im Alter von 9,2 Milliarden Jahren.

Wenngleich sich all diese Zahlenspiele lediglich auf einen winzigen Himmelsausschnitt – flächenmäßig hundertmal kleiner als die Vollmondscheibe – beziehen und dementsprechend nicht notwendigerweise repräsentativ für das ganze Universum gelten, so halten sie doch Vergleiche mit anderen Himmelsregionen stand. Das Resümee: Das Weltall altert wie die westlichen Industrienationen, denn die Sterne werden wie die Menschen immer älter und heben so den Schnitt.

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