Direkt zum Inhalt

News: Ungesunder Stress

Vermutet hat man es schon lange, und endlich kann man es auch beweisen: Stress schwächt das Immunsystem. So breiten sich etwa die tödlichen HI-Viren bei dauerhaft gestressten Menschen schneller aus, und die regenerierende Wirkung der antiretroviralen Medikamente auf die Immunzellen bleibt aus. Schuld ist die Ausschüttung eines speziellen Hormons durch die angespannten Nervenenden.
In den langen Jahren der AIDS-Forschung konnten die Wissenschaftler teilweise erstaunliche Beobachtungen machen. Während manche Menschen sich der viralen Invasion recht erfolgreich versperren und die Virenlast in ihrem Blut lange auf einem vernachlässigbaren Niveau halten können, breitet sich die Erkrankung bei anderen rasant aus. Könnte Stress ein entscheidender Faktor für diesen Unterschied darstellen?

Entsprechende Hinweise haben nun Forscher der University of California in Los Angeles gesammelt. Das Team um den Onkologen Steve Cole verglich den Krankheitsverlauf bei einer Gruppe von 13 infizierten Männern im Alter von 25 bis 54 Jahren, die bis Studienbeginn keine Kombination antiviraler Medikamente eingenommen hatten. Nachdem die Forscher die Virenlast und die vorhandene Zahl der CD4-Immunzellen bei allen Probanden bestimmt hatten, kontrollierten sie außerdem, wie stark die Patienten gestresst waren, indem sie Blutdruck, Feuchtigkeit der Haut, Herz- und Pulsschlag bei Ruhe maßen – insgesamt bekannt als Aktivität des autonomen Nervensystems (ANS).

Für die Dauer von drei bis elf Monaten erhielten die Studienteilnehmer nun antivirale Medikamente, um die HIV-Infektion erfolgreich zu schlagen. Doch die Auswirkung auf die Virenlast und Zahl der CD4-Zellen war alles andere als einheitlich zwischen den dreizehn infizierten Männern. Je höher der individuelle Stresslevel, desto geringer die Wirkung. So sank etwa die Virenlast bei Männern mit geringer Aktivität des ANS um bis zum vierzigfachen, während die Männer am anderen Ende der Stressempfindung trotz Medikamente weniger als das zehnfache erreichten. Auch auf die Zellen des Immunsystems konnte eine erstaunlich unterschiedliche Wirkung nachgewiesen werden. So steigerte sich ihre Zahl von 396 auf 550 CD4-Zellen pro Kubikmillimeter Blut, wenn die Stressaktivität gering war. Männer mit erhöhtem Stresslevel zeigten hingegen keine Zellsteigerung. Im Gegenteil: Trotz Behandlung sank die Zellzahl sogar.

Doch was steckt dahinter? Gerät der Mensch unter Stress, reagieren die Nervenenden mit einer erhöhten Ausschüttung eines speziellen Hormons. Das so genannte Noradrenalin wird direkt in den Lymphknoten freigesetzt, wo die CD4-Zellen residieren und übt hier auf zwei Wegen seine schädliche Wirkung aus. Zum einen erhöht das Hormon die speziellen Andockstellen auf den CD4-Zellen, die den HI-Viren ein Anheften und anschließendes Eindringen erst ermöglichen. Ist das Virus nun erfolgreich ins Zellinnere gelangt, steigert Noradrenalin auch noch die Vervielfältigung der Viren. Mehr Viren dringen ein und mehr kommen heraus, resultierend in einer zehnmal so hohen Virenmenge.

"Unsere Ergebnisse legen nahe, dass das Nervensystem einen direkten Einfluss auf die Replikation der Viren ausübt", sagt Cole. "Dies impliziert, dass wir diesen Effekt ändern könnten, indem wir den Stresslevel reduzieren." Und so lohnt es sich auf jeden Fall, manchen Dingen mit etwas mehr Gelassenheit zu begegnen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.