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Klimawandel: Ungesunder Tausch

Längst ist die Beeinflussung des Klimas durch die Menschen für die Wissenschaft nicht mehr etwas Abstraktes: Sie tritt bereits vielfach konkret auf - mit überwiegend negativen Folgen. Bereits heute zeigen sich bedenkliche Tendenzen bei Gesundheit und Wasserversorgung.
Mädchen mit Wasser in Äthiopien
Vielen wird der Hitzesommer 2003 noch in guter Erinnerung sein: Bilderbuchwetter von Mai bis August mit Rekordtemperaturen und beständig blauem Himmel. Einige werden aber auch mit Trauer an diese Saison zurückdenken. Denn sie verloren Angehörige – oft bettlägerige Senioren –, die den zu Hitzefallen gewordenen großen Städten wie Paris nicht mehr entkamen und durch Dehydrierung oder schlicht Hitzschlag starben. Allein in Frankreich gingen die entsprechenden Opferzahlen in die Tausende – europaweit sollen es mindestens 22 000 zusätzliche Tote gewesen sein.

Der extreme Sommer 2003 bildet bislang noch eine klimatische Ausnahmeerscheinung. Aber nach allen derzeit gültigen Prognosen dürfte er im Zuge des Klimawandels zukünftig zum Regelfall werden – nicht nur in Europa. Was bei der Mehrheit der Menschen und vielen Tier- wie Pflanzenarten für Probleme sorgen dürfte, gereicht einigen unangenehmen irdischen Mitbewohnern dagegen stark zum Vorteil: Viren, Bakterien und andere Krankheitserreger prosperieren und erreichen neue Lebensräume oder erobern angestammte wieder zurück, aus denen sie einst mit Mühe entfernt wurden. Und nicht zu vergessen sind direkt tödliche Folgen extremen Wetterunbills wie Hungersnöte durch Dürren, stärkere Stürme oder Überflutungen.

Hauptverursacher und Hauptleidtragende des Klimawandels leben getrennt | Die obere Karte zeigt die Emission des Klimagases CO2 im Jahr 2000 durch alle Staaten der Erde, auf der unteren Karte sind die gesundheitlichen Auswirkungen der globalen Erwärmung dargestellt. Sie zeigt, wie gewaltig die klimawandelbedingte Mortalität von Region zu Region variiert.
Schon jetzt schätzt eine Studie von Wissenschaftlern um Jonathan Patz von der Universität von Wisconsin im Auftrag der Weltgesundheits- organisation (WHO), dass weltweit mehr als 150 000 Menschen jährlich an den Folgen des Klimawandels sterben und weitere fünf Millionen deswegen zusätzlich erkranken [1]. Die konkreten Ursachen können sich jedoch regional stark unterscheiden. In Europa, Teilen Indiens und Chinas sowie in Nordamerika beeinträchtigen demnach vor allem die städtischen Hitzeinseln das Wohlbefinden und die Gesundheit der Bevölkerung. Bis zu elf Grad Celsius liegen mitunter die Temperaturen in den Ballungszentren über jenen des Umlands. Die Zahl der dadurch Verstorbenen soll sich selbst nach konservativen Schätzungen der Forscher allein im wohlhabenden Kalifornien bis zum Ende des Jahrhunderts verdoppeln.

Wenigstens die reichen Länder könnten zumindest theoretisch mit ihren technischen und medizinischen Ressourcen diesem negativen Trend zukünftig entgegenwirken. Die Ausbreitung und das neue Auftreten von Infektionskrankheiten stellt dagegen auch sie vor größere Probleme: Der unaufhaltsame Vormarsch des West-Nil-Virus in Nordamerika, das Überleben von Malaria übertragenden Anopheles-Mücken in Europa oder die deutlichen Zunahmen von Lebensmittelvergiftungen durch Salmonellen während Hitzeperioden geben bereits einen ersten Vorgeschmack.

Stärker noch werden aber jene unterentwickelten Länder – vor allem in Afrika – die negativen Folgen zu spüren bekommen, deren Gesundheitswesen bereits heute überfordert ist. Mit den steigenden Temperaturen erreichen bestimmte Insekten als Überträger von Malaria, Dengue- oder Rift-Valley-Fieber höhere Gebirgslagen wie in Äthiopien und Kenia sowie in Südamerika, oder sie dringen mit zunehmenden Niederschlägen in ehemals trockenere Regionen vor wie in Ostafrika.

Daneben treffen diese Nationen auch extreme Naturereignisse wie El Niño härter, deren Häufigkeit zukünftig ebenfalls steigt. Meist folgen diesen Klimaanomalien auch ausgedehnte Seuchenzüge von Cholera, Diarrhöe oder Dengue-Fieber. Zusammen mit El Niño suchten in den 1990er Jahren Lungenerkrankungen durch den Hanta-Erreger den Südosten der USA heim.

Alles in allem rechnen die Forscher mit einer Verdoppelung derartiger Krankheitsfälle durch den Klimawandel bis 2030. Dazu kommen noch weitere Opfer durch stärkere Stürme und Überflutungen, die 2080 das Leben von etwa 200 Millionen Menschen beeinträchtigen dürften, durch Ozonsmog in Ballungsräumen oder die Hitze selbst.

Der Khumbu-Gletscher im Himalaya | Schmelzende Gletscher bedrohen die Wasserversorgung von Millionen Menschen. Der Gletschersee im nepalischen Khumbu-Tal des Himalaya wird von den Hängen des Mount Everest gespeist.
Der Sommer 2003 gab den Europäern noch einen weiteren Vorgeschmack auf zukünftige Klimaszenarien, denn die Dauergluten der Sonne trockneten zahlreiche Gewässer aus, Po und Rhein wurden zu Rinnsalen, und Trinkwasserspeicher leerten sich bisweilen bedenklich. Nach den Studien von Klimatologen um Tim Barnett vom Scripps-Institut in La Jolla erwartet aber genau dieses Problem die Länder des Nordens und Gebirgsanrainer demnächst regelmäßig [2].

Nach ihren Prognosen fallen in den entsprechenden Regionen die winterlichen Niederschläge mehr und mehr in Form von Regen statt als Schnee: Er bewahrte einst als Art Zwischenspeicher das begehrte Nass bis in das Frühjahr und den Frühsommer auf. Zusätzlich tauen die steigenden Temperaturen den weniger werdenden Schnee zunehmend früher ab – ein Problem, das auch die Gebirgsgletscher in Mitleidenschaft zieht.

Dadurch verschieben sich die Abflusszyklen der großen Flüsse, die jene Gebirge entwässern: Ihre Abflussspitzen stimmen nicht mehr mit den Verbrauchsspitzen überein, sofern Staudämme und andere Reservoirs dem nicht künstlich entgegenwirken – das Wasser entschwindet ungenutzt im Meer. Entsprechende Risikogebiete liegen etwa entlang des Rheins, wo sich Schifffahrt, Industrie und Landwirtschaft wohl bald häufiger im Sommer einschränken müssen, im Westen der USA oder in der kanadischen Prärie, deren Feldbau bislang noch vom Gebirgswasser über den Sommer hinweg profitieren.

Doch wiederum spüren arme Länder die Folgen deutlicher – etwa jene westlich der Anden, deren Wüstenstädte wie Lima von den Gletschern des Gebirgszugs profitieren. Diese schrumpften aber während der letzten drei Jahrzehnte bereits um 25 Prozent, und ihr Abtauen beschleunigt sich, ohne dass Ersatz bislang greifbar wäre. Ähnliches spielt sich in Asien ab, wo die Eisgiganten des Himalajas zu den am schnellsten schwindenden Wasserspeichern des Planeten zählen, aber gleichzeitig eine rapide wachsende Bevölkerung versorgen müssen: Eine der eisigen Hauptquellen des Yangtse zog sich in nur 13 Jahren um 750 Meter zurück.

Ob Krankheiten oder Wassermangel: Die Aussichten für Mensch und Natur werden offensichtlich unangenehmer. Dauerhaftes Badewetter hierzulande ist da wohl eher ein schwacher Trost.

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