Klimawandel: Der Stöpsel ist gezogen
Sibirien - Synonym für Eiseskälte, Gefrornis und ewigen Winter, der nur kurz von mückenverseuchten Sommern unterbrochen ist. Doch die Klischees trügen: Das Land taut auf - nur die Moskitos dürften wohl bleiben.
Seltsame Dinge gehen vor sich in Huslia, 300 Kilometer von Fairbanks entfernt: Wiewohl mitten in Alaska gelegen, bleiben die Winter seltsam mild, die Beeren vertrocknen vor der endgültigen Reife an den Sträuchern, die Kiefern werden von Käferplagen attackiert, die Biber verschwinden und jetzt lösen sich auch noch ganze Seen und Tümpel in Luft auf. Szenenwechsel ins mehrere tausend Kilometer entfernte nördliche Sibirien – auch hier das gleiche Bild: Wo einst Seen waren, wogen heute Gräser in lauen Brisen. Allenfalls kleinere Pfützen, Tümpel oder Sümpfe zeugen an vielen Stellen noch von der vorherigen feuchten Pracht.
Wissenschaftler um Laurence Smith von der Universität von Kalifornien in Los Angeles zur Aufgabe begaben sich nun auf Spurensuche: Sie verglichen auf etwa 520 000 Quadratkilometern Fläche Satellitenaufnahmen der fraglichen, nördlich des Polarkreises gelegenen Regionen Sibiriens von 1973 mit Bildern von 1998. Und was sich bereits vorher durch die Eindrücke am Boden andeutete, bestätigte sich deutlich: Von einst knapp 11 000 größeren Seen waren nur noch 9700 vorhanden – obwohl im gleichen Zeitraum die Niederschläge leicht zugenommen hatten.
Davon verflüchtigten sich zwar nur 125 Wasserkörper komplett, aber die Fläche vieler anderer Gewässer schrumpfte beträchtlich: um insgesamt 93 000 Hektar. Besuche der Forscher in den Jahren nach den letzten Satellitenaufnahmen zeigen zudem, dass die fraglichen Bereiche tatsächlich beständig zu Festland wurden und heute von Vegetation bedeckt sind. Die genauere Betrachtung der Zahlen verrät allerdings noch mehr. Denn die Flächen- und Totalverluste konzentrieren sich vornehmlich auf den Süden der Untersuchungsregion, im Norden dagegen wachsen die Seengrößen und ihre schiere Anzahl beträchtlich – allein ihre Wasserbedeckung breitete sich um 13 Prozent aus.
Mit der Zeit – Wasser speichert schließlich Wärme besser als Luft – fressen sich die milderen Temperaturen unter dem stehenden Wasser durch den Rest-Permafrost, und Drainage setzt ein: Der See läuft aus, stirbt und neue Bodengefrornis kann entstehen. Genau dieser Auftau-Prozess beschleunigt sich nun durch die Erderwärmung, allerdings ohne anschließende neue Bodenabdichtung durch Kälte – der Permafrost zieht sich zunehmend nach Norden zurück. Temperaturerhöhungen machen jedoch auch am Polarkreis keinen Halt, und so verschiebt sich dieser Kreislauf aus Auftauen, Seebildung wie -niedergang und neuerliches Gefrieren einfach gen Polargebiet: genau, wie es die Wissenschaftler in Nordsibirien nachweisen können. Die vermehrte Seen-Genesis in diesem Teil der Arktis ist somit der erste Vorbote der dauerhaften Permafrostauflösung, der bereits weiter südlich Häuser, Straßen oder Ölpipelines im Morast versinken lässt, und damit des bereits stattfindenden Klimawandels.
Aber warum bleiben dann dennoch im Süden viele Gewässer erhalten? Auch darauf geben die Forscher eine Antwort. Denn permanente Wasserkörper sind auch in der Arktis nicht immer nur dem Permafrost geschuldet, ebenso bleiben sie auf undurchlässigen Tonschichten oder Sumpfböden erhalten. Und eben das zeigte den Forschern ein Vergleich von Bodenkarten mit der Seenverteilung auf.
Es ist folglich noch nicht alles verloren für die sibirischen Feuchtgebiete und ihre Bewohner. Nur für die Leugner des Klimawandels wird die Diskussion wieder einmal schwieriger.
Was passiert hier und bewirkt den Landschaftswandel? Es ist anzunehmen, dass es mit der oft zitierten Erderwärmung in Zusammenhang steht. Sie macht sich schließlich gerade in den polaren und subpolaren Breiten des Globus – in der Arktis wie der Antarktis – am stärksten bemerkbar: Das Treibeis dünnt aus – in den arktischen Meeren etwa um 45 Prozent im Vergleich zu den 1970er Jahren – und die Durchschnittstemperaturen Alaskas oder Sibiriens erhöhten sich in den letzten Jahrzehnten um drei bis fünf Grad. Verdunsten also die Seen einfach in heißen Perioden, zumal die flacheren?
Wissenschaftler um Laurence Smith von der Universität von Kalifornien in Los Angeles zur Aufgabe begaben sich nun auf Spurensuche: Sie verglichen auf etwa 520 000 Quadratkilometern Fläche Satellitenaufnahmen der fraglichen, nördlich des Polarkreises gelegenen Regionen Sibiriens von 1973 mit Bildern von 1998. Und was sich bereits vorher durch die Eindrücke am Boden andeutete, bestätigte sich deutlich: Von einst knapp 11 000 größeren Seen waren nur noch 9700 vorhanden – obwohl im gleichen Zeitraum die Niederschläge leicht zugenommen hatten.
Davon verflüchtigten sich zwar nur 125 Wasserkörper komplett, aber die Fläche vieler anderer Gewässer schrumpfte beträchtlich: um insgesamt 93 000 Hektar. Besuche der Forscher in den Jahren nach den letzten Satellitenaufnahmen zeigen zudem, dass die fraglichen Bereiche tatsächlich beständig zu Festland wurden und heute von Vegetation bedeckt sind. Die genauere Betrachtung der Zahlen verrät allerdings noch mehr. Denn die Flächen- und Totalverluste konzentrieren sich vornehmlich auf den Süden der Untersuchungsregion, im Norden dagegen wachsen die Seengrößen und ihre schiere Anzahl beträchtlich – allein ihre Wasserbedeckung breitete sich um 13 Prozent aus.
Ist also alles im Lot, wenn der Rückgang im Süden durch Zuwachs im Norden ausgeglichen wird? Dazu sollte ein Blick auf die Entstehungsgeschichte der Gewässer geworfen werden. In der Arktis bilden sich Tümpel und Seen häufig durch ein Phänomen namens Thermokarst, bei dem Teile der ewigen Bodengefrornis – des Permafrosts – auftauen. Dadurch sackt die betroffene Oberfläche im Vergleich zur Umgebung ab, und es bildet sich eine Mulde oder ein etwas größeres Becken, in denen sich Wasser sammeln kann: Ein See ist geboren, der nach unten durch tieferes Bodeneis abgedichtet ist.
Mit der Zeit – Wasser speichert schließlich Wärme besser als Luft – fressen sich die milderen Temperaturen unter dem stehenden Wasser durch den Rest-Permafrost, und Drainage setzt ein: Der See läuft aus, stirbt und neue Bodengefrornis kann entstehen. Genau dieser Auftau-Prozess beschleunigt sich nun durch die Erderwärmung, allerdings ohne anschließende neue Bodenabdichtung durch Kälte – der Permafrost zieht sich zunehmend nach Norden zurück. Temperaturerhöhungen machen jedoch auch am Polarkreis keinen Halt, und so verschiebt sich dieser Kreislauf aus Auftauen, Seebildung wie -niedergang und neuerliches Gefrieren einfach gen Polargebiet: genau, wie es die Wissenschaftler in Nordsibirien nachweisen können. Die vermehrte Seen-Genesis in diesem Teil der Arktis ist somit der erste Vorbote der dauerhaften Permafrostauflösung, der bereits weiter südlich Häuser, Straßen oder Ölpipelines im Morast versinken lässt, und damit des bereits stattfindenden Klimawandels.
Aber warum bleiben dann dennoch im Süden viele Gewässer erhalten? Auch darauf geben die Forscher eine Antwort. Denn permanente Wasserkörper sind auch in der Arktis nicht immer nur dem Permafrost geschuldet, ebenso bleiben sie auf undurchlässigen Tonschichten oder Sumpfböden erhalten. Und eben das zeigte den Forschern ein Vergleich von Bodenkarten mit der Seenverteilung auf.
Es ist folglich noch nicht alles verloren für die sibirischen Feuchtgebiete und ihre Bewohner. Nur für die Leugner des Klimawandels wird die Diskussion wieder einmal schwieriger.
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