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Flores-Mensch: Uralter Ast im Stammbaum

Laut Skelettanalyse ist der mysteriöse »Hobbit« von der Insel Flores »zu 99 Prozent ein enger Homo-habilis-Verwandter«. Das Ergebnis dürfte einiges an Kopfzerbrechen bereiten.
Nachbildung des Schädels eines Flores-Menschen

Wie der mysteriöse, archaisch ausschauende und vor allem auffallend kleinwüchsige Homo floresiensis, von dem Forscher im Jahr 2003 Skelettteile in einer Höhle auf der Insel Flores fanden, in den Stammbaum der Menschheit einzusortieren ist, darüber stehen drei Theorien im Raum: Erstens könnte es sich um einen erkrankten Homo sapiens handeln; diese Theorie ist inzwischen eindeutig wiederlegt, denn der »Hobbit« genannte Urmensch ist dafür zu alt. Zweitens könnte es sich um einen Homo-erectus-Verwandten handeln, dessen Unterart durch die begrenzten Ressourcen auf der Insel verzwergte; diese Theorie gilt vielen Forscher als plausibelste. Drittens könnte es sich um einen Verwandten einer noch urtümlicheren Menschenart handeln, die man bislang nur aus Afrika kennt, des Homo habilis; und diese Theorie sei richtig. Das meinen jedenfalls Forscher um Debbie Argue von der Australian National University in Canberra.

Sie haben dazu im »Journal of Human Evolution« anhand von insgesamt 133 anatomischen Merkmalen archaische und moderne Menschenverwandte analysiert und aus den Ergebnissen mit statistischen Methoden einen Stammbaum rekonstruiert. Demnach spaltete sich die Linie des Homo floresiensis vor über 1,75 Millionen Jahren von der des Homo habilis oder von der eines gemeinsamen Vorfahren beider Arten ab.

Ein Problem dabei ist, dass sich die Fossilien von H. habilis ausschließlich in Afrika finden und die von H. floresiensis ausschließlich auf Flores. Eine Verwandtschaft der beiden setzt voraus, dass eine Wanderung quer durch die Kontinente stattfand, von der man bislang keine Spuren fand.

Hingegen ist die Anwesenheit von H. erectus für jene Zeit und Region belegt, diese Spezies käme darum als Vorgänger viel eher in Betracht. Doch anhand der Daten lasse sich eine enge Verwandtschaft zwischen beiden »zu 99 Prozent ausschließen«, meint Koautor Mike Lee von der Flinders University in Adelaide. Dass dies bei älteren Untersuchungen weniger deutlich hervortrat, liege daran, dass früher vor allem Merkmale des Schädelskeletts verglichen worden seien. Argue, Lee und Kollegen berücksichtigten jedoch auch den übrigen Körperbau.

Die Überzeugungskraft solcher statistischen Stammbaumrekonstruktionen ist allerdings oft begrenzt – vor allem im Vergleich zu DNA-Analysen, die den Fall eindeutig entscheiden könnten. Leider ist es noch nicht gelungen, Erbgut aus den nur sehr schlecht erhaltenen H.-floresiensis-Fossilien zu extrahieren.

Sollten die Forscher Recht behalten mit ihrer Auffassung, müssten sich künftig H.-habilis-Verwandte auch außerhalb Flores und sogar außerhalb Indonesiens finden lassen. In diesem Fall sind also noch ähnliche Überraschungen zu erwarten, wie der Fund des Homo naledi in der südafrikanischen Rising-Star-Höhle eine darstellte.

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