Musikalische Wahrnehmung: Vom Vöglein zum Stier
Manch eine Melodie plätschert fröhlich dahin, eine andere mutet traurig und schwerfällig an. Musik lässt Emotionen hochkommen – und Menschen weltweit empfinden bei den gleichen Klängen offenbar die gleichen Gefühle, wie Thomas Fritz vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig und sein Team herausfanden. Die Bilder, welche die Melodien vor unserem geistigen Auge zeichnen, fallen in verschiedenen Kulturen jedoch sehr unterschiedlich aus.
Bepackt mit einem Koffer voller Tonaufnahmen war das Forscherteam in den isolierten Norden Kameruns gereist und hatte 25 Angehörigen des Mafa-Volkes eine Palette ursprünglich westlicher Klänge vorgespielt. Die Mafa leben noch immer sehr traditionell und waren zuvor nicht mit westlicher Musik in Berührung gekommen – beim Lauschen empfanden sie trotzdem ähnliche Gefühle wie der Großteil der ebenfalls befragten Deutschen.
Als die Wissenschaftler Mafa und Deutsche jedoch baten, jedem der Klänge eines von drei Worten zuzuordnen, fiel das Ergebnis überraschend anders aus: Obwohl die Melodien für alle den gleichen emotionalen Gehalt hatten, assoziierten die beiden Kulturen grundlegend unterschiedliche Begriffe mit den Klängen. Eine Flötenmelodie zum Beispiel brachten fast alle westlichen Hörer mit einem Vogel in Verbindung, die Mafa hingegen dachten an einen Stier. Der Grund: Alle drei Jahre ehrt das afrikanische Volk die für sie wichtigen Tiere mit einem großen Fest – bei dem unter anderem Flötenmusik gespielt wird.
"Die konkrete bildhafte Bedeutung, die ein Hörer mit der Musik assoziiert, ist größtenteils ein Ergebnis kultureller Prägung", fasst Fritz zusammen. Die gleiche Melodie könne dabei für Mafa und Deutsche durchaus eine ähnliche Aussage haben – die beiden Kulturen drückten dies aber mit unterschiedlichen Symbolen aus. So lasse die heitere Flötenmelodie den Durchschnittsdeutschen vielleicht an das fröhliche Vogelzwitschern bei einem Sonntagsspaziergang denken, den Durchschnittsmafa hingegen eher an die vergnügten Tänze auf dem letzten Stierfest – beides im Kern freudige Ereignisse.
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