Australopithecus sediba: Vormensch mit moderner Beißkraft
Der 2008 in Südafrika gefundene Australopithecus sediba zeichnet sich durch eine verblüffend hohe Anzahl moderner Merkmale aus. So ähnelt beispielsweise seine Hand sehr der von Angehörigen der Gattung Homo. Und womöglich konnte er bereits mit Werkzeugen hantieren. Doch in anderer Hinsicht wirkt der rund zwei Millionen Jahre alte Australopithecus noch vergleichsweise urtümlich.
Diesem nach wie vor rätselhaften Merkmalsmosaik fügen nun Wissenschaftler um Justin Ledogar von der University of New England in Australien einen weiteren Stein hinzu. Ihren Simulationen zufolge war der Kauapparat von A. sediba nicht auf das dauerhafte Zerkleinern von harter Nahrung wie Nüssen oder Samenkörnern ausgelegt. Stattdessen standen wohl hauptsächlich weichere Bestandteile auf seinem Speiseplan.
Abriebspuren an den Zähnen der beiden gefundenen Exemplare hatten ursprünglich nahegelegt, dass sich A. sediba trotz seiner eher kleinen Zähne ganz ähnlich wie die so genannten robusten Australopithecinen der Gattung Paranthropus von hartem Pflanzenmaterial ernährte. Es könnte sich folglich um einen frühen Vertreter dieser Entwicklungslinie handeln, der noch ohne das hochspezialisierte "Nussknackergebiss" von Paranthropus auskommen musste. Doch die Biomechanik des Kiefers mache das unwahrscheinlich, urteilen nun die Forscher um Ledogar. Ein Selektionsdruck in Richtung hartes Zubeißen sei nicht erkennbar.
Sie haben dazu Gebiss und Kiefer des außergewöhnlich gut erhaltenen Skeletts im Computer nachgebildet und mit Hilfe von Simulationsverfahren untersucht, wie sie auch im Ingenieurwesen gängig sind.
Ihr Befund rückt A. sediba ein weiteres Stück näher an den menschlichen Stammbaum. Nach wie vor ist unklar, wie er sich in die Abstammungslinie des Menschen einfügt. Nach Meinung mancher Wissenschaftler könnte die Art zu den direkten Vorläufern des Homo sapiens gehören, andere sind skeptisch: Dass A. sediba auch in puncto Beißkraft Ähnlichkeiten zu den vergleichsweise zierlichen Frühmenschen zeigt, könnte ein Fall paralleler Entwicklungsverläufe sein.
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