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Zellulärer Transport: Wachsende Gemeinsamkeiten

Schwitzende Menschen und Landpflanzen haben genau entgegengesetzte Probleme - wo Sportler Schwitzwasser über wasserdampfdurchlässige Funktionskleidung loswerden wollen, will das Grünzeug genau das nicht: austrocknen. Eine Wachsschicht hilft den einen und schadet den anderen.
Die ersten Tiere, die vor rund 400 Millionen Jahren das feuchte Element verließen, um fortan an Land zu leben, waren eben nicht die Ersten: Vor Krabbelzeug wie urzeitlicher Milbe, Spinne und flügellosem Insekt hatten bereits Farn- und Schachtelhalm-Frühformen, entsprungen aus Algen-Vorgängern, Wasser gegen Erde getauscht.

Arabidopsis-Stängelquerschnitt | Ein Querschnitt durch den Stängel von Arabidopsis thaliana. Das Cer-Genprodukt, ein Wachsbaustein-Transporter, wird nur in den Epidermiszellen gebildet (fluorizieren grün).
Den Pflanzenpionieren musste zuvor allerlei Innovatives den Boden bereiten: Auf dem Trockenen fehlte ihnen die Stütze einer umgebenden Wassersäule, ein neues äußeres Gerüst musste her. Auch gab es Probleme bei der Verbreitung ihrer Samen. Und nicht zuletzt leidet man als ehemaliger Wasserbewohner an Land unter akuter Austrocknungsgefahr. Letzterem Problem begegneten die Pflanzen mit der Erfindung einer Wachsschicht – diese, eine Ablagerung langkettiger Fettsäureester auf der äußeren Wand, hält Feuchtigkeit innen.

Und sie hat eine Reihe weiterer Vorteile. Zum Beispiel perlt Regen und Schmutz an ihr ab, womit die für fotosynthetische Energiegewinnung unerlässliche Lichtdurchlässigkeit gewahrt bleibt. Die Wachsschicht schützt auch vor einem Zuviel an Licht, indem sie schädliche UV-Stahlen filtert, sie verhindert allzu einfaches Anknabbern durch Schadinsekten und verwehrt auch einigen giftigen chemischen Schadstoffen den Zutritt zum Pflanzeninneren.

Ohne Wachsschicht also kein Pflanzenleben. Zumindest kein strotzendes – Mutanten von Laborbotanikers Lieblingskind, der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), die ein fehlerhaftes Gen Cer tragen, mickern etwa recht glanzlos dahin, weil mit ihrer Wachsschicht manches nicht stimmt. Was genau, wollten James Pighin und seine Kollegen von der Universität von British Columbia eigentlich nur herausfinden. Letztlich entdeckten sie einiges zur überraschenden Ähnlichkeit von Mensch und Pflanze. Aber der Reihe nach.

Zunächst fanden die Forscher heraus, dass die Cer-Mutanten Wachsschicht-Baumaterial zwar durchaus produzieren, dann aber einen Speditionsfehler begehen: Sie lagern einige der hergestellten Wachsbausteine, sehr lange Fettsäure-Molekülketten (very long chain fatty acids, VLCFA) in ihrem Zellinneren ab, anstatt sie nach draußen auf ihre äußere Isolationsschicht, die Epidermis, zu transportieren. Offenbar war das bei ihren Mutanten ausgefallene Cer-Genprodukt also für zelluläre Transportprozesse mitverantwortlich. Die Gensequenzen von Cer ließ zudem den Schluss zu, das Cer offenbar für ein Transmembran-Transporter kodiert – einen so genannten ABC-(ATP-binding-cassette)-Transporter.

Mit derartigen Gerätschaften schaffen Zellen verschiedenste Transportgüter an ihre Oberfläche – wasserlösliche Substanzen, Fremdmoleküle und alle möglichen anderen Arten beweglicher Kleinstgüter. Die Transporterfamilie ist dermaßen weit verbreitet, dass sie nicht nur in Pflanzen, sondern nahezu überall in der belebten Natur vorkommt: Bakterien beispielsweise bringen mit ihnen Lipide nach außen. Und Krebszellen des Menschen nutzen ABC-Transporter, um gegen sie gerichtete Medikamente schneller auszuschleusen, als diese in sie hereintransportiert werden können.

Transportmechanismus in Epidermiszellen | Sehr lange Fettsäure-Molekülketten (VLCFA) können auf verschiedenen Wegen vom Produktionsort in einer pflanzlichen Epidermiszelle (dem endoplasmatischen Retikulum, ER) zu ihrem Einsatzort in der äußeren Wachsschicht gelangen. Bei Cer-Mutanten von Arabidopsis fällt einer der wichtigsten Transportwege aus, weil der Membrantransporter CERS defekt ist.
Insbesondere ein ABC-Transporter ähnelt dem bei Cer-Mutanten defekten, erkannten die Wissenschaftler: der so genannte ALDP-Transporter, dessen Ausfall beim Menschen die Adrenoleukodystrophie (ALD) hervorruft. Diese schwere neurodegenerative Erkrankung beginnt meist bei Jungen mit Seh-, Hör- und Gangstörungen und kann innerhalb weniger Jahre zum Tod führen. Massive Ansammlungen von VLCFA insbesondere im Gehirn verursachen hier neurologische Probleme und zerstören schließlich weite Bereiche der weißen Gehirnsubstanz.

Bei allen unterschiedlichen Symptomen: ALD des Menschen und Wachs-Transportproblem der pflanzlichen Cer-Mutanten haben also grundlegend gemeinsame Ursachen – eine fehlerhafte Verschiebung langkettiger Fettsäuren in der Zelle, verursacht durch das Versagen eines offenbar evolutiv uralten Transportmoleküls.

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