Luftverschmutzung: Warum der Smog in Indien dieses Jahr besonders schlimm ist
Seit Wochen hängt über Indien und Pakistan eine dicke Dunstglocke aus rauchig-beißendem Smog. Die Feinstaubbelastung habe am 18. November 2024 in Neu Delhi mit einem Wert von 522 Mikrogramm pro Kubikmeter einen neuen Rekord erreicht, hieß es von offiziellen Stellen. Das ist mehr als das 100-fache des von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Tageshöchstwertes. Die Angabe bezieht sich auf Staubpartikel, die kleiner sind als 2,5 Mikrometer und damit maximal so groß wie Bakterien. Sie dringen tief in die Atemwege ein und können die Lunge nachhaltig schädigen. Das ist in etwa so, als würde man rund 25 Zigaretten am Tag rauchen. Zu der starken Belastung mit den Feinstaubpartikeln kommen noch Stickoxide, Ozon und andere Substanzen, die bei Verbrennungsprozessen entstehen, hinzu. In einer Anordnung der indischen Regierung wurden Kinder, Senioren und chronisch Kranke aufgerufen, nach Möglichkeit die Innenräume nicht zu verlassen.
Die Feinstaubbelastung in und um Neu-Delhi gehört seit zehn Jahren zu den höchsten der Welt. Das Problem ist bekannt. Seit etwa 2013 verschlechtert sich jedes Jahr im Dezember die Luftqualität massiv; diesmal aber hat der Smog bereits im Oktober begonnen. Zu den Gründen zählt neben Industrieemissionen, Autoabgasen sowie dem Staub von Baustellen vor allem, dass viele Bauern in den umliegenden Provinzen die Reste der Reisernte auf den Feldern verbrennen. Damit wollen sie das Land für die Weizenaussaat vorbereiten. Manche Quellen sprechen davon, dass diese Praxis für bis zu 60 Prozent der Luftverschmutzung verantwortlich ist. Die Situation verschlimmert sich zusätzlich, wenn es lange am Stück trocken ist und kein Wind weht. Sinken zudem die Temperaturen, schrumpft die untere Schicht der Atmosphäre, die Troposphäre. Das wiederum führt dazu, dass sich die Schadstoffsuppe noch stärker konzentriert, weil sie sich auf ein kleineres Volumen verteilen muss.
Forschende untersuchen sowohl die Folgen und das Ausmaß der Verschmutzung als auch mögliche Präventionsstrategien. So kamen Wissenschaftler in einer Lancet-Studie zu dem Schluss, dass die Umweltverschmutzung in Indien 2019 zu mehr als 2,3 Millionen vorzeitigen Todesfällen geführt habe. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) warnt, dass außerdem 11 Millionen Kinder unter fünf Jahren in den besonders betroffenen Gebieten durch die Luftverschmutzung gefährdet seien. »Jüngere Kinder sind anfälliger wegen ihrer kleineren Lungen, schwächeren Immunität und ihrer schnelleren Atmung«, erklärte die Organisation.
Ist künstlicher Regen eine Lösung?
Gemma Dipoppa von der US-amerikanischen Brown University und Saad Gulzar von der Princeton University haben die Reaktionen der Behörden auf die Brände in Indien und Pakistan von 2012 bis 2022, analysiert. Die Autoren verglichen Daten über Brände, Luftverschmutzung und Windgeschwindigkeiten mit Polizei- und Gerichtsakten über Maßnahmen gegen Landwirte. Das Verbrennen von Ernteabfällen verstößt in beiden Ländern gegen das Gesetz; Verstöße können zu Geld- oder sogar Gefängnisstrafen für die Bauern führen. Doch viele sind offenbar bereit, dieses Risiko einzugehen. Und die Anzahl der Landwirte, die gleichzeitig Feuer legen, macht es für die Behörden unmöglich, gegen alle vorzugehen.
Die Autoren fanden heraus, dass Beamte in beiden Ländern eher Maßnahmen gegen Landwirte ergreifen, wenn der Wind den Rauch in Richtung des eigenen Lands bläst. Der Effekt ist außerdem in der Grenzregion stärker. Doch obwohl die Studie nahelegt, dass Strafen unter bestimmten Bedingungen funktionieren, ist es möglich, dass sie weder ausreichen noch das richtige Instrument sind, um das Verbrennen von Ernterückständen vollständig zu unterbinden. Landmaschinen sind allerdings für den Großteil der Bevölkerung unerschwinglich. Es müssten also dringend andere Anreize gesetzt oder alternative Lösungen für das Problem gefunden werden. So besteht beispielsweise ein wachsendes Interesse daran, die Ernterückständen zur Erzeugung von Bioenergie zu nutzen oder die Schwarze Soldatenfliege (Hermetia illucens) dazu einzusetzen, organische Abfälle in wertvolle Biomoleküle umzuwandeln.
Um den Smog kurzfristig loszuwerden, könnte Regen helfen. In Neu-Delhi herrscht jedoch gerade Trockenzeit, und es ist kein natürlicher Regen in Sicht. Daher werden Stimmen laut, die den Einsatz von so genanntem Cloud Seeding fordern. So bat der Umweltminister von Delhi, Gopal Rai, bereits die Zentralregierung um Hilfe und Unterstützung dabei, die eskalierende Luftverschmutzungskrise in der Hauptstadt auf diese Weise zu bekämpfen. Es handelt sich dabei um eine Technik zur Wetterbeeinflussung, die darauf abzielt, die Niederschlagsmenge zu erhöhen: Substanzen wie Silberjodid, Kaliumjodid oder Trockeneis werden dann mit Flugzeugen in die Wolken eingebracht, was sie zum Abregnen zwingen soll. Die Wirksamkeit ist in der Wissenschaft jedoch umstritten. Während einige Studien eine Zunahme der Niederschläge durch Cloud Seeding gezeigt haben, sind die Auswirkungen auf die Luftqualität weniger eindeutig.
Eine Lösung für die zunehmende Luftverschmutzung in Indien und Pakistan ist Cloud Seeding ohnehin nicht. Das Smog-Problem müsste nachhaltig und strategisch angepackt werden. Doch bislang sind keine durchgreifenden Maßnahmen in Sicht – und der indische Winter hat gerade erst begonnen.
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