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Hirnforschung: Warum schaden Druckwellen dem Hirn?

Selbst wer nicht von Splitterteilen getroffen oder durch den Druck verletzt wird, kann durch Explosionen geschädigt werden. Im Hirn spielen wohl besondere Prozesse eine Rolle.
Bombenattrappe

Selbst wer durch eine Explosion, etwa einer Bombe oder eines Gastanks, nicht unmittelbar verletzt oder gar getötet wird, kann schwere Hirnschäden erleiden – ohne dass dies sogleich ersichtlich ist. Schuld daran sind womöglich winzigste Bläschen, die durch die Druckwellen der Detonationen in der Hirnflüssigkeit entstehen und wieder platzen. Das legen zumindest Tests von Shan Sun von der University of Illinois in Chicago und Co nahe. Sie basieren auf vorherigen Studien, in denen gezeigt wurde, dass die Druckwellen zumindest in Wasser winzigste Bläschen, so genannte Mikrokavitationen, erzeugen. Da eine Echtzeitbeobachtung in Menschen natürlich ausgeschlossen ist, mussten die Wissenschaftler zu einem Trick greifen: Sie platzierten in ihrem Modell Astrozyten genannte Hirnzellen in einer Flüssigkeit, durch die immer wieder Stromstöße gejagt wurden. Astrozyten machen etwa 20 bis 50 Prozent des Hirnvolumens aus.

Wie erwartet produzierten die Stromstöße auch kleine Blasen im Umfeld der Zellen, die nach spätestens zwei Sekunden platzen. Mit Hilfe chemischer Marker verfolgten Sun und Co, welche Prozesse anschließend in den Zellen ablaufen, nachdem die Bläschen verschwunden waren. Und tatsächlich beeinträchtigten diese Mikroexplosionen die Zellfunktion, indem sie beispielsweise die Konzentration an Superoxiden in den Zellen erhöhten. Superoxide wiederum verursachen oxidativen Stress und führen zu schnellerer Zellalterung bis hin zum Absterben. Zudem konnten schädliche Substanzen leichter in den Zellkern vordringen, da die Zellmembranen geschädigt wurden. Bei den Zellen, die zwar Elektroschocks, aber keinen Bläschen ausgesetzt waren, beobachteten die Forscher derartige Effekte nicht. Deshalb gehen sie davon aus, dass wirklich die Mikrokavitationen die Schäden verursachen. Welche Prozesse genau für die Schäden verantwortlich sind, können Sun und Kollegen noch nicht sagen: Es ist daher unklar, ob mechanische Einwirkungen, plötzliche Temperaturveränderungen oder durch das Zerplatzen ausgelöste Wasserstrahlen eine Rolle spielen. Womöglich lösen die hervorgerufenen kleinen Schäden Posttraumatische Belastungsstörungen und kognitive Beeinträchtigungen aus, spekulieren die Wissenschaftler.

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