News: Wassersammeln in der Wüste
Um die kleinen Nebeltröpfchen einzufangen und zu nutzen, absolvieren Angehörige der Schwarzkäfer oder Tenebrionidae beinahe Turnübungen. Sie richten sich kopfunter mit dem Rücken in den Wind, sodass sich der Nebel auf ihren Flügeldecken niederschlägt und ihnen von dort direkt in den Mund läuft. Doch wie verhindern die Tiere, dass die Tropfen nicht direkt wieder verdampfen oder vom Wind weggerissen werden?
Andrew Parker von der University of Oxford und Chris Lawrence von QinetiQ nahmen Käfer der Gattung Stenocara genauer unter die Lupe. Schon mit bloßem Auge sind auf den verwachsenen Flügeldecken wie zufällig angeordnete kleine Erhebungen von etwa einem halben Millimeter Durchmesser erkennbar, die 0,5 bis 1,5 Millimeter auseinander liegen. Unter dem Mikroskop zeigten sich weitere Einzelheiten: Die Oberfläche der winzigen Hügel ist völlig glatt, während die Vertiefungen und die Seitenwände eine wachsbedeckte Struktur aufweisen. Abgeplattete Halbkugeln von zehn Mikrometern Durchmesser sind hier hexagonal angeordnet und bilden so eine überaus wasserabweisende Oberfläche.
Die Wassertröpfchen setzen sich auf den glatten und damit hydrophilen Erhebungen ab. Sie wachsen schnell, bis sie an die angrenzenden Wachsstrukturen stoßen. Während sich ihre Masse immer noch weiter vergrößert, bleibt die Kontaktfläche nun konstant. Irgendwann werden die Kapillarkräfte überschritten, welche den Tropfen an der Oberfläche haften lassen, und das Wasserkügelchen setzt sich in Bewegung. Die Forscher berechneten, dass bei einer Neigung von 45 Grad und einer für die Namib recht typischen Windgeschwindigkeit von fünf Metern pro Sekunde der Tropfen auf fünf Millimeter Durchmesser anwachsen muss, damit er ins Rollen gerät.
Die erfolgreiche Strategie konnten die Wissenschaftler auch im Experiment nachweisen. Sie platzierten Glaskügelchen mit 0,6 Millimetern Abstand in quadratischer Anordnung auf einem 45 Grad geneigten, wachsbeschichteten Objektträgern. Zum Vergleich bestückten sie ein weiteres Plättchen mit zufällig angeordneten Glaskügelchen, die nur 0,5 Millimeter auseinander lagen. Als Kontrolle dienten eine einheitliche Wachsoberfläche und die nackte Glasplatte. Diese Gebilde besprühten die Forscher bei verschiedenen Temperaturen mit feinem Wassernebel.
Die quadratisch angeordneten Kügelchen erwiesen sich als am effektivsten: Schnell bildeten sich große, beinahe kugelförmige Tropfen, die bei etwa vier Millimetern Dicke denn auch davonrollten. Das zufällige Muster lag nur geringfügig darunter, die reine Wachsoberfläche hingegen fing nur halb so viele und zudem deutlich kleinere Tröpfchen ein, denn eine ganze Reihe von ihnen wurde schlicht über den Rand geblasen. Auf der blanken Glasplatte schließlich formte sich nur ein einziger riesiger Tropfen, der sich jedesmal einen anderen Weg suchte, sie war daher am unzuverlässigsten für die Wasserversorgung.
Eine solch ausgeklügelte Methode, Wasser zu sammeln, wäre für viele verschiedene Anwendungen interessant, sei es als Zelthaut für Wüstenexpeditionen oder für den kontrollierten Abfluss an Gebäuden. Und da die zugrundeliegende Struktur mit Guss- oder Stempelverfahren einfach nachzubilden ist, steht einer baldigen kommerziellen Produktion an sich nichts mehr im Wege.
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