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Wasserstofftechnologie: Der Verbrenner ist tot, lang lebe der Verbrenner!

Auf der Straße, im Heim oder im Kraftwerk: Fast überall, wo bislang die Fossilen brannten, ließe sich auch Wasserstoff verbrennen. Vollgas für die Energiewende?
Führt Wasserstoff zur Kehrtwende?

Wasserstoffautos? Da bekommt Elon Musk einen regelrechten Lachanfall. Als der damalige CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet im August 2021 auf einem Pressetermin laut über den Antrieb der Zukunft nachdenkt und das Wort Wasserstoff sagt, unterbricht ihn der Teslachef rüde: »Hydrogen is a waste of time, obviously« und wirft sich fast weg vor Lachen. Wasserstoff ist Zeitverschwendung, weiß doch jeder.

Musk hatte sicher Autos mit Brennstoffzellen im Sinn. In denen reagiert das Gas mit Sauerstoff zu Wasser, wobei Strom erzeugt wird. Das galt einmal als sauberer Antrieb der Zukunft, dann kamen die modernen E-Autos mit hoher Effizienz und praktikabler Reichweite. Die Brennstoffzelle konnte nicht mehr mithalten.

Doch einen letzten Trumpf kann der Wasserstoff noch ausspielen. Überall dort, wo eine Umrüstung auf E-Antrieb nicht machbar ist, lassen sich Fahrzeuge auch auf ganz andere, auf ganz herkömmliche Weise damit betreiben: in den klassischen Otto- und Dieselmotoren. Einige Autohersteller arbeiten bereits daran, das Gas durch die Verbrennungsmotoren zu schicken. Ein zweites, klimafreundlicheres Leben sollen aber auch Heizungen in Privatwohnungen und Gaskraftwerke bekommen, die sonst mit Erdgas befeuert werden. Manche sehen im Wasserstoff gar das neue – selbstverständlich klimafreundliche – Erdöl.

Themenwoche: Wie die Energiewende klappen kann

Deutschland hat einiges zu tun, damit die Energiewende hin zu einer klimaneutralen Versorgung bis 2045 gelingt. Auf Grund des Krieges in der Ukraine ist die Energieversorgung noch unsicherer geworden. Wie lässt sich die Versorgung ohne russische Energieimporte gewährleisten? Sind erneuerbare Energien schon so weit, dass man auf Kohlekraft verzichten kann? Diese und weitere Fragen behandelt »Spektrum.de« in der Themenwoche »Energiewende«.

Es sind Aussichten, die bei vielen Fachleuten auf wenig Gegenliebe stoßen. Zwar stimmt es: Mit Wasserstoff könnten bestimmte Anwendungsfelder relativ schnell emissionsarm werden; ohne ihn womöglich nicht. Doch das leichte Gas hat eben auch gewichtige Nachteile. Klimafreundlich ist es nur, wenn es selbst durch Fotovoltaik oder Windkraft erzeugt wird. Ob und wann dieser »grüne Wasserstoff« in ausreichender Menge zur Verfügung steht, hängt vom politischen Willen, von der weiteren Entwicklung des Kriegs in der Ukraine, aber auch von klassischer Ingenieurkunst ab.

Autos mit Wasserstoffmotoren

Die stand auch am Anfang der Karriere der Wasserstoffverbrenner. Dass ein Gemisch aus Wasserstoff und Sauerstoff in einer explosionsartigen Umwandlung zu Wasser verbrennt, wenn man es zündet, ist schon seit Langem bekannt. 1807 brachte es den Schweizer Tüftler Isaac de Rivaz auf die Idee, den ersten Wasserstoff-Verbrennungsmotor der Welt zu entwickeln. Er ließ die explosive Energie der chemischen Reaktion einen Kolben nach oben treiben, der anschließend durch die Schwerkraft wieder nach unten fiel und diese Kraft auf Räder übertrug. Ein am Fahrzeug befestigter Ballon versorgte das Mobil mit dem gasförmigen Kraftstoff, das eine Strecke von einigen hundert Metern schaffte. Echte Versuchsfahrzeuge gab es jedoch erst fast zwei Jahrhunderte später, in den 1980er Jahren, in den USA, Japan und Deutschland. Später noch, ab 2006, fuhr im Berliner Stadtverkehr zehn Jahre lang eine ganze Flotte an Stadtbussen mit Motoren, in denen Wasserstoff brannte. Hinten am Auspuff qualmte dann keine rußige Dieselwolke hervor und vor allem kein CO2, sondern nur Wasserdampf und Stickoxide.

Die Stickoxidbildung ist dem Umstand geschuldet, dass in den Wasserstoffverbrennern in aller Regel kein reiner Sauerstoff eingesetzt wird, sondern Luft. Und die besteht zum überwiegenden Teil aus Stickstoff, der unter bestimmten Bedingungen ebenfalls mit dem Luftsauerstoff reagiert. Auch die eigentlich sauberen Wasserstoffverbrenner brauchen also in der Regel eine Abgasreinigung.

Seit einigen Jahren beleben nun einige Unternehmen wie BMW, Mazda und besonders Toyota die Idee des Wasserstoff-Verbrennungsmotors wieder. Einige planen sogar schon eine Serienproduktion. Denn im Gegensatz zu einem komplett neuen Brennstoffzellenauto kann ein konventioneller fossiler Verbrennungsmotor im Grunde mit wenigen Anpassungen auf den Treibstoff umgerüstet werden.

»Wir wollten zeigen, dass es möglich ist, bestehende Automotoren in Wasserstoff-Verbrennungsmotoren umzurüsten«Naoaki Ito, Chefingenieur Toyota

BMW und Mazda haben schon Testfahrten unternommen. Aber richtig in Szene setzte sich Toyota mit einem spektakulären Rennen und bezeichnet sich jetzt schon als Retter des Verbrennungsmotors. Das Unternehmen baute einen konventionellen Dreizylinder auf 100 Prozent Wasserstoffbetrieb um. Beim ersten Test gab der Motor schon nach fünf Minuten den Geist auf. Es wurde weiter getüftelt, vor allem am Einspritzsystem, das mit dem gasförmigen Kraftstoff umgehen muss. Wasserstoff hat zudem eine geringere Energiedichte je Liter als Benzin oder Diesel, es muss also eine größere Menge in den Motor eingespritzt werden. Im April 2021 schaffte dann ein umgerüsteter Corolla in einem 24-Stunden-Rennen über 1500 Kilometer.

Rennen um den Wasserstoffverbrenner | Toyota hat einen herkömmlichen Benziner zum Wasserstoffverbrenner umgerüstet. Das Rennauto startet hier beim Super Taikyu Race auf der Rennstrecke Autopolis im südjapanischen Hita.

Otto wie Diesel für H2

»Wir wollten zeigen, dass es möglich ist, bestehende Automotoren in Wasserstoff-Verbrennungsmotoren umzurüsten«, sagte Chefingenieur Naoaki Ito der Schweizer »Automobil Revue«. Das gilt auch für Dieselmotoren. Der Motorenhersteller Deutz will bis 2024 mit einer Serie für schwere Nutzfahrzeuge in der Landwirtschaft starten. Der Fahrzeugbauer MAN plant eine Testflotte ab 2023 für Nutzfahrzeuge, das Münchner Start-up Keyou einen Testbetrieb ab 2021 und der Baumaschinenhersteller Liebherr einen ab 2025.

Zellen versus Zündung

Vergleicht man Wasserstoffverbrenner mit E-Autos, zeigt sich ein großer Vorteil: Sie brauchen keine Batterie, sondern einen Tank. Das spart Gewicht und sorgt gleichzeitig für eine größere Reichweite, zudem ist es ressourcenschonender. Im Unterschied zu Brennstoffzellen sind die Wasserstoffverbrenner robust gegenüber hohen Außentemperaturen und verschmutzter Luft. Und eben viel leichter umzurüsten.

Man erkauft sich diese Vorteile mit ihrem größten Nachteil: der geringen Effizienz. Ein Elektroauto nutzt rund 80 Prozent des Stroms in seinem Akku für die Vorwärtsbewegung. Abzüglich der Verluste beim Laden und Bereitstellung landet man bei 64 Prozent. Die Wasserstoffverbrennung erreicht jedoch von vornherein nicht einmal einen Wirkungsgrad von 40 Prozent. Rechnet man noch die Energie hinzu, die für Produktion und Transport des Wasserstoffs aufgewendet wird, »dann nutze ich am Ende ungefähr 25 Prozent der ursprünglich eingesetzten Energie«, sagt der Energieforscher Falko Ueckerdt vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. Drei viertel gehen verloren.

Das mag für bestimmte Nutzfahrzeuge, aber auch für Flugzeuge oder Schiffe ein akzeptabler Verlust sein, zumal sie sich zurzeit ohnehin noch nicht per Batterie betreiben lassen. Und ein Benziner verschwendet sogar 80 Prozent der eingesetzten Energie. Doch bei den Pkw sieht die Kosten-Nutzen-Rechnung anders aus, denn hier konkurriert der Wasserstoffverbrenner mit Elektroantrieben. Gleichwohl plant die Industrie auch für das Privatauto: Renault will die »erprobte« Verbrennermotortechnologie weiter nutzen und kündigte für Mai 2022 eine »Hydrogen Engine« an.

Grau-blau-grün: Die Wasserstoffampel

Wasserstoff ist nur dann klimafreundlich, wenn für seine Herstellung regenerative Energiequellen eingesetzt werden. Das ist immer verlustreich: Allein bei der Herstellung gehen rund 40 Prozent der eingesetzten Energie verloren. Hinzu kommt, dass bereits jetzt schon – auch ganz ohne einen Einsatz als Energieträger – enorme Mengen Wasserstoff erzeugt werden müssen. Weltweit werden pro Jahr rund 90 Millionen Tonnen Wasserstoff produziert, allein 65 Prozent davon für die chemische Industrie. Diese Menge wird bislang praktisch vollständig aus fossilen Rohstoffen gewonnen.

Grauer Wasserstoff: Er macht derzeit fast den gesamten Wasserstoff aus und wird primär aus Erdgas gewonnen, das nicht nur CO2, sondern auch das klimaschädliche Methan freisetzt. Blauer Wasserstoff: Dieser wird als grauer hergestellt, aber mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung zur Reduzierung der CO2-Emissionen. Auch hier führen wie beim grauen Wasserstoff flüchtige Methanemissionen und Prozessineffizienzen dazu, dass sogar blauer Wasserstoff höhere Treibhausgasemissionen aufweist als Öl und Erdgas. Grüner Wasserstoff: Mit Wind- oder Sonnenenergie wird er aus Wasser hergestellt, indem Wasser mittels Elektrolyse gespalten wird. Der Wirkungsgrad liegt derzeit bei über 60 Prozent. Es ist die einzige klimafreundliche Option, um Wasserstoff zu produzieren. Jedes Land mit ausreichend Sonne oder Wind könnte das Gas liefern, was die Gefahr von Monopolstellungen reduziert. Durch weiten Transport sinkt allerdings die Effizienz noch einmal deutlich.

Grüne Gaskraftwerke

Nicht nur in Motoren soll der Wasserstoff verbrannt werden, sondern auch in Gaskraftwerken. Die Erdgasverstromung gilt als zentrales Element der Energiewende, da sie in Zeiten von wenig Sonnenschein und Wind einspringen und Versorgungslücken schließen kann. Der Bundesverband der Deutschen Industrie rechnet bislang mindestens mit einer Verdopplung der bestehenden Kapazitäten von aktuell 31 Gigawatt. An diesem noch weiterwachsenden Bedarf würde auch ein Importstopp von russischem Gas nichts ändern. Spätestens 2045 solle dann aber das Erdgas aus dem Energiemix gänzlich verschwunden sein, fordert der Potsdamer Energieforscher Ueckerdt. Denn klimaschädlich ist daran nicht allein das Kohlendioxid, das bei der Verbrennung entsteht, sondern auch der Erdgas-Hauptbestandteil Methan, der vor der Verbrennung bei Förderung oder Transport unweigerlich in die Luft entweicht und dort eine vielfach stärkere Treibhauswirkung entfaltet.

»Wenn man Gaskraftwerke für Wasserstoff ertüchtigen will, muss man einiges an Arbeit reinstecken«Oliver Paschereit, TU Berlin

Klimafreundlich erzeugter Wasserstoff könnte die Kraftwerke ergrünen lassen und gleichzeitig die Abhängigkeit von Gasimporten verringern: In Tagen mit viel Wind oder Sonne würde überschüssiger Strom mittels Elektrolyse zur Wasserstoffproduktion verwendet; die so gespeicherte Energie ließe sich dann in Gaskraftwerken zu Strom umwandeln, wenn einmal kein Wind weht und keine Sonne scheint.

Technisch ist das machbar. Im Wesentlichen brauchen die Gasturbinen dafür nur eine neue Brennkammer, die den höheren Anforderungen standhalten muss. Das »nur« solle man sich aber in Anführungszeichen gesetzt denken, sagt Christian Oliver Paschereit, Forscher am Institut für Strömungsmechanik der TU Berlin. Er untersucht die Verbrennung von Wasserstoff in Flugzeugturbinen, aber auch in Gaskraftwerken. Sein bisheriges Resümee: »Wenn man die ertüchtigen will, muss man einiges an Arbeit reinstecken.«

Wasserstoff ist sehr reaktiv, die Flamme breitet sich achtmal schneller aus. Und selbst wenn die Vermischung mit Luftsauerstoff noch gar nicht abgeschlossen ist, kann die Reaktion schon beginnen. Die Folge: Die Flamme schlägt zurück und beschädigt die Brenner. Diese müssen also neu konstruiert werden, und auch die Brennkammer muss an die stärkeren Belastungen angepasst werden.

Das Ziel von Paschereit und seinem Team ist außerdem, die Stickoxidbildung zu minimieren. Wenn man den Schritt gehen wolle, heute mehr Gaskraftwerke zu bauen, dann müssen sie eines Tages umrüstbar sein, sagt der Forscher. Wirklich optimieren könne man die Vorgänge aber letztendlich nur im Kraftwerk selbst. Und dass es technisch dann auch im großen Maßstab funktioniere, sei nicht gesagt.

Theoretisch hat der Gasturbinenprozess mit Wasserstoff die gleiche Energieeffizienz wie mit Erdgas. Aber wenn die Verbrennungstemperatur reduziert werden muss, um die Stickoxidbildung zu verringern, verringert sich auch der Wirkungsgrad der Gasturbine. Erste Gaskraftwerke, die zu 100 Prozent Wasserstoff als Brennstoff verwenden, werde es Ende 2030 geben, schätzt Paschereit – immer vorausgesetzt, die genannten und weitere Probleme lassen sich technisch überhaupt in den Griff bekommen.

Gaskraftwerk bei Hamm | Mit Wasserstoff ließen sich Gaskraftwerke theoretisch klimafreundlicher betreiben – sofern sich die Technik optimieren lässt und genügend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht.

Einige Unternehmen sind offenbar bereit, die Wette auf Wasserstoff einzugehen. Mitte 2024 soll laut RWE in Lingen im Emsland die weltweit erste 34-Megawatt-Anlage mit einer Gasturbine starten, die später auf zwei Gigawatt für Erdgas ausgebaut werden soll – mit der Option, sie später mit Wasserstoff zu betreiben. EnBW und die STEAG wollen mit staatlicher Förderung sogar Kohlekraftwerke umstellen. Es bleibt aber dabei, dass derzeit noch kein einziges Kraftwerk den Beweis angetreten hat, ausschließlich mit Wasserstoff Strom zu produzieren. Umso ambitionierter klingt das Vorhaben der Bundesregierung, die Stromerzeugung schon ab 2035 vollständig durch Erneuerbare zu stemmen.

Wasserstoff für Wärme in Wohnungen?

Rund ein Drittel des Gases, das hier zu Lande verfeuert wird, brennt aber ohnehin nicht in Kraftwerken, sondern erzeugt Wärme in den Haushalten. Etwa vier von fünf Wohnungen in Deutschland werden mit fossilen Brennstoffen geheizt. Die häusliche Wärmeerzeugung zählt damit zu den großen CO2-Emittenten und soll ihrerseits bis 2045 klimaneutral werden. Dafür gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, von Solarthermie bis zu elektrischen Wärmepumpen, die allesamt selbst wiederum mit Nachteilen behaftet sind oder aber zumindest viel Geld in der Umrüstung kosten.

Also Wasserstoff in den Heizkessel? Das hätte den Vorteil, auf bestehende Verteilungsinfrastruktur zurückgreifen zu können: Die Leitungen liegen bereits in den Kellern, und an der Wand hängen manchmal sogar passende Anlagen. Heizungsbauer wie Viessmann und Vaillant bieten seit Jahren Geräte an, die es immerhin vertragen, wenn dem Erdgas auch Wasserstoff beigemischt ist.

Auch in Privatheizungen ließe sich Wasserstoff verfeuern | Entsprechende Geräte entwickelt der Hersteller Vaillant.

Entwickelt werden aber auch Gasverbrenner als Wandgeräte, die sich komplett mit Wasserstoff betreiben lassen. Ein erster Feldversuch, den der Hersteller Viessmann für das Jahr 2023 plant, soll zeigen, wie gut sich Brennwertgeräte mit reinem Wasserstoff, mit Erdgas oder mit Erdgas-Wasserstoff-Gemischen betreiben lassen. Auch Konkurrent Vaillant plant für dieses Jahr den Feldtest von Geräten mit dem Label »H2ready«. Sie sollen sich bei Bedarf später auf reinen Wasserstoffbetrieb umrüsten lassen.

Wasserstoff enthält zwar auf das Volumen gerechnet weniger Energie als Erdgas, aber immerhin kann die Umwandlung in Wärme sehr effizient sein. Die größte Herausforderung sei nicht die Heiztechnik, sagt Jens Wichtermann, Unternehmenssprecher der Vaillant Group, sondern ausreichend Wasserstoff zu produzieren. Auch die Kosten für die Verteilnetze sind nicht zu vernachlässigen.

Vielleicht liefert der Blick ins Ausland Aufschluss. Die britische Regierung hatte schon 2018 in einer Machbarkeitsstudie untersuchen lassen, wie der gesamte Wärmebedarf Nordenglands über Wasserstoff gedeckt werden kann. Der Bericht des fossilen Energieriesen Equinor und seiner Partner kommt zu dem Schluss, dass das mit »blauem Wasserstoff« durchaus machbar sei – mit dem bestehenden Gasnetz und nur geringen Anpassungen der Infrastruktur. Noch aber handelt es sich bei diesem Vorhaben um ein reines Planspiel.

Aus Sicht vieler Experten sollte es auch am besten dabei bleiben. Gerade die Wasserstoffheizung stößt in der Fachwelt auf wenig Gegenliebe. Sie sei den elektrischen Wärmepumpen deutlich unterlegen, schreibt etwa Claudia Kemfert in einem Beitrag für die Stiftung Energie & Klimaschutz. Weil schon bei der Produktion des Gases so viel Energie verloren geht, sei der Primärenergieverbrauch rund fünfmal so hoch wie bei einer Wärmepumpe, erklärt die Expertin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Zudem, sagt der Potsdamer Ueckerdt, seien Wärmepumpen jetzt schon verfügbar: »Mit denen kann man sofort starten.«

Das (zweifelhafte) Versprechen der Verbrenner

Darum sei Wasserstoff mitnichten das »neue Öl«, argumentiert Kemfert. Nur wo es keine besseren Alternativen gebe, wie in der Stahl- und Chemieindustrie, in der Luft- und Schifffahrt, würden seine Vorteile die Nachteile aufwiegen.

»Wasserstoff ist die letzte beste Chance der Öl- und Gasindustrie, doch noch ihr Überleben zu sichern«Anthony Patt, ETH Zürich

Und alles Gesagte gilt freilich nur unter der Voraussetzung, dass ausreichend grüner Wasserstoff vorliegt, was keineswegs sicher ist und nur mit massiven Ausbauanstrengungen in entsprechende Produktionsanlagen zu stemmen wäre. Laut Angaben der Internationalen Energieagentur betrug der Anteil klimafreundlich durch Elektrolyse erzeugten Wasserstoffs an der Weltjahresproduktion 2020 gerade einmal 0,03 Prozent.

Wie viele Fachleute zweifelt Falko Ueckerdt grundsätzlich an, dass die Mengen hinreichend schnell zu steigern wären. Nur: Sollte grüner Wasserstoff auf Dauer knapp und teuer bleiben, bestehe die Gefahr, dass die neuen Wasserstoffverbrenner einfach weiter mit fossilem Gas betrieben werden und die Abhängigkeit von fossiler Technologie aufrechterhalten wird. Das schrieb er unlängst mit Kollegen in einem Fachartikel in »Nature Climate Change« von 2021.

Für den Hype um die neuen Einsatzmöglichkeiten des Wasserstoffs hat Anthony Patt, Professor für Klimapolitik an der ETH Zürich, eine ernüchternde Erklärung parat: Lobbyarbeit. Die europäische Wasserstofflobby gebe pro Jahr mehr als 50 Millionen Euro aus und steche dabei jede Umwelt-NGO aus, schreibt der Experte in einem Blogbeitrag. In der Tat könne Wasserstoff bei der Dekarbonisierung helfen. Doch wenn man ihn dort einsetze, wo es bereits heute klimafreundlichere Alternativen gebe wie in Heizungen oder in der Mobilität, dann werde der vermeintliche Klimaretter selbst zu einer der größten Bedrohungen für die Umwelt. Hinter der Maske sauberer Energie verstecke sich »die letzte beste Chance« für die Öl- und Gasindustrie, doch noch ihr Überleben zu sichern. Und das wäre wohl wirklich nicht zum Lachen.

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