Direkt zum Inhalt

Pharmazeutika: Weniger Nebenwirkungen bei neuem Angstmedikament

Ein neuer Wirkstoff soll Angstörungen effektiver und mit weniger Nebenwirkungen bekämpfen können, berichten Forscher vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Bislang erhalten Betroffene meist Benzodiazepine, die zwar zu einer schnellen Beruhigung führen, aber auch die die bewusste Wahrnehmung dämpfen, müde machen und leicht zu Abhängigkeit führen können. Die Substanz XBD173 soll Furchtempfinden ohne solche nachteilige Effekte reduzieren.

Wirkmechanismus von XBD173 | XBD173 bindet an einem Protein (dem Translokatorprotein-18) in der Membran von Mitochondrien in Nervenzellen. Dadurch wird verstärkt Cholesterol aufgenommen, welches als Vorstufe der Neurosteroide fungiert – diese werden daher vermehrt produziert. Die Neurosteroide wirken demzufolge häufiger auf den GABA-A-Rezeptor an der postsynaptischen Membran von Nervenzellen ein, was die Signalweiterleitung hemmt: Der Patient empfindet dies als angslösend.
Die Substanz fördert die Produktion von körpereigenen Neurosteroiden, die wiederum die Wirkung des Botenstoffs GABA verstärken. GABA hemmt die Kommunikation zwischen Nervenzellen. Rainer Rupprecht und seine Kollegen testeten diese Wirkung zunächst an Mäusen. Nager, die mit dem neuen Medikament behandelt wurden, hatten weniger Angst vor aggressiven Artgenossen und vor einer offenen Umgebung, ohne dabei müde oder sediert zu wirken.

In einer weiteren Studie prüften die Ärzte schließlich die Wirkung des Moleküls am Menschen. Dazu lösten sie bei 70 gesunden Probanden durch die Injektion eines Peptids künstlich eine Angstattacke aus – die Versuchspersonen hatten Herzrasen, Schweißausbrüche und gerieten in Panik, wenn sie nicht zuvor einige Tage lang XBD173 geschluckt hatte. Mit dem Medikament, zeigte sie dagegen keine Anzeichen von Furcht, ohne Nebenwirkungen zu verspüren. Eine andere Gruppe, die einen althergebrachten Wirkstoff verabreicht bekam, blieb zwar ebenfalls angstfrei, die Probanden fühlten sich jedoch abgeschlagen und hatten nach dem Absetzen des Medikaments mit Entzugserscheinungen zu kämpfen.

Die Forscher glauben, mit der Beeinflussung von Neurosteroiden einen Mechanismus gefunden zu haben, der in völlig neuartigen Medikamenten gegen Angsterkrankungen zum Einsatz kommen werde. Eine Behandlung von Patienten mit XBD173 ist derzeit allerdings noch nicht in Sicht. (sc)
  • Quellen
Rupprecht, R. et al.: Translocator Protein (18 kDa) as Target for Anxiolytics Without Benzodiazepine-Like Side Effects. In: Science 10.1126/science.1175055, 2009.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.