Seitensprung-Geschichte: Wer ging besonders häufig fremd?
Wie oft wurde in den vergangenen Jahrhunderten fremdgegangen? Wo waren Seitensprünge häufiger? Und wo seltener? Antwort auf diese Fragen haben Wissenschaftler aus Belgien und den Niederlanden mit Hilfe von Gentests bekommen.
Besonders viele Kuckuckskinder gab es demnach unter den beengten Lebensverhältnissen der städtischen Unterschicht im 19. Jahrhundert. Damals war zeitweise bei sechs Prozent der Kinder der Ehemann der Mutter nicht der biologische Vater. Auf dem Land hingegen scheint es wesentlich züchtiger zugegangen zu sein. Hier lag die Quote der Kinder aus außerehelichen Beziehungen in den am dünnsten besiedelten Regionen bei unter einem Prozent, berechneten die Forscher.
Bei ihrer Studie in »Current Biology« stützen sich Maarten Larmuseau und Kollegen auf Gentests und die Ahnenforschung. Sie spürten dazu Männer auf, die sich einen männlichen Vorfahren teilten und von diesem in direkter männlicher Linie abstammten. In der Regel dürften solche Paare auch den gleichen Nachnamen haben, denn diesen erbte ein Mann ja in der Vergangenheit von seinem Vater und gab ihn an die Söhne weiter.
Genau wie der Familienname wird aber auch das Y-Chromosom nur vom Vater an die Söhne weitergeben. Folglich müssten sich die ausfindig gemachten Männer dasselbe Y-Chromosom teilen – allerdings bloß dann, wenn es keine männlichen Kuckuckskinder gab, denn diese hätten fremdes genetisches Material in die Ahnenreihe eines der beiden Männer eingeschleust. Genau diesen Umstand nutzten Larmuseau und Kollegen, um historische Seitensprünge zu identifizieren. Insgesamt 513 solcher Verwandtenpaare verglichen sie. Und erwartungsgemäß hatten keineswegs alle dasselbe Y-Chromosom.
Zumeist reichte die gemeinsame Familiengeschichte bis ins 19. Jahrhundert zurück. In einigen Fällen ließen sich jedoch auch bis zu 500 Jahre umfassende Ahnenreihen rekonstruieren. Um mehr über die Vorfahren herauszufinden, ermittelten die Forscher Wohnort und Lebensumstände aller männlichen Familienmitglieder seit dem letzten gemeinsamen Vorfahren eines Paars. Zudem schlossen sie alle Familienstammbäume aus, bei denen der Sohn schon vor der Eheschließung gezeugt worden war oder auf die Welt kam, nachdem der Ehemann der Mutter verstorben war.
Laut ihren Berechnungen sind Seitensprünge, die in der Geburt eines Kindes münden, insgesamt sehr selten. Im Mittel ist nur rund ein Prozent der Kinder einer Generation betroffen. Innerhalb der einzelnen Bevölkerungsgruppen und Regionen gibt es allerdings deutliche Unterschiede. Armut und hohe Bevölkerungsdichte begünstigen Seitensprünge, eine bessere soziale Stellung oder das Leben auf dem Land stehen ihnen entgegen. Vermutlich entscheidet das Ausmaß sozialer Kontrolle über die Wahrscheinlichkeit, mit der sich eine Frau auf ein Abenteuer einlässt. Keine Rolle spielt es offenbar, ob die Gesellschaft mehrheitlich protestantisch ist, wie in den Niederlanden, oder katholisch, wie in Belgien.
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