Mikrobiologie: Wer profitiert von unserem Tod?
Verwesung ist ein komplexer Vorgang, an dem zahllose Organismen und chemische Prozesse beteiligt sind. Einen Großteil des Körperrecyclings übernehmen dabei Mikroben, welche die reichhaltigen Nährstoffe tierischer und menschlicher Leichen neu aufbereiten. Welche Bakterien daran wie stark beteiligt sind, untersuchten Biologen um Jessica Metcalf von der University of Colorado. Sie legten zum einen tote Mäuse in einem Container mit unterschiedlichen Bodentypen und analysierten zum anderen die Verwesung von vier menschlichen Körpern. Sie waren der Wissenschaft gespendet worden und je zwei wurden im Winter und Frühling im Freien platziert. Die Bestimmung der am Verwesungsprozess beteiligten Arten war relativ schwierig, da die wenigsten im Labor in Petrischalen gezüchtet werden können. Deshalb führten Metcalf und Co eine Metagenomanalyse durch, um die mehreren tausend Spezies zumindest in Gruppen einteilen zu können – und gleichzeitig auch das Genmaterial winzig kleiner Würmer und von Pilzen zu erfassen.
Das Ergebnis lässt sich durchaus sehen – und verblüffte die Forscher. Denn die Mehrzahl der zersetzenden Mikroben stammt nicht etwa aus den Innereien oder von der Haut der Toten, sondern aus dem Boden. Zudem gleichen sich die verantwortlichen Bakteriengemeinschaften unabhängig vom Bodentyp: Es könnte also so etwas wie eine Mikroorganismenbank – ähnlich einer Samenbank bei Pflanzen – im Substrat geben, die so lange schlummert, bis eine Leiche auf oder in der Erde liegt. Bislang waren viele Biologen davon ausgegangen, dass Bakterien aus den Tieren oder uns selbst die Hauptarbeit übernehmen. Die beteiligten Mikroben zeigen dabei zudem eine ziemliche Dynamik: Anfänglich treten sie kaum in Erscheinung, und erst wenn der Körper aufgebrochen wurde – etwa durch Aasfresser oder indem Verwesungsgasblasen platzen –, nimmt ihre Zahl rasch zu. Aerobe Bakterien aus dem Boden und der Luft vermehren sich dann explosionsartig, die anfänglich vor allem von Stickstoffverwertern angetrieben wird: Sie profitieren vom reichlichen Stickstoffgehalt der Innereien. Erst später, wenn der Zerfall weiter fortgeschritten ist, gesellen sich Würmer und Pilze hinzu.
Diese Studie hat auch praktische Anwendungen: Wie sich die Bakteriengemeinschaften entwickeln, kann in der Forensik helfen, den Todeszeitpunkt genauer einzugrenzen. Bei den Mausmodellen funktionierte dies mit Hilfe eines Computermodells bereits sehr exakt – und besser als über die Entwicklungsstadien verschiedener Insekten, die bisher dafür verwendet werden. Als Nächstes wollen die Mikrobiologen ihre Tests ausweiten und den Verfall über noch mehr Klimazonen und Bodentypen hinweg studieren.
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