Berliner Nachtclubs: Vier Wissenschaftler knacken den Berghain-Code

»Sorry, heute nicht.« Das sind die wohl enttäuschendsten Worte, die man nach Stunden in der Schlange zu einer der angesagten Berliner Techno-Clubs zu hören bekommt. Glaubt man den Gerüchten, ist niemand, auch kein Prominenter, vor ihnen sicher. Ein Mythos, der nicht nur das Berliner Nachtleben weltberühmt gemacht hat – die dortige Techno-Szene ist inzwischen sogar ein UNESCO-Weltkulturerbe –, sondern auch das Interesse von vier Marketing-Forschern weckte. In einer vierjährigen Feldstudie haben sie untersucht, wie es zu dem berüchtigten »Nein« kommt – und wie man es womöglich umgehen könnte.
Der Prozess, der hinter den Entscheidungen an Berliner Clubtüren steht, sei durchaus komplex, wie die Forscher um Illias Danatzis vom King's College London im Fachmagazin »Journal of Marketing« schreiben. Um ihn nachzuvollziehen, haben sie Dokumentationen geschaut und Fachliteratur gewälzt. Vor allem aber interviewten sie zwischen 2018 und 2022 insgesamt 38 Clubgänger, Veranstalter sowie Türsteher – und beobachteten zwei Nächte lang als Feldforscher die Entscheidungen an den Clubtüren.
Bei der ultrastrengen Einlasskontrolle gehe es den Veranstaltern nicht nur darum, den Mythos der eigenen Exklusivität aufrechtzuerhalten. Insbesondere wollten sie aus einer großen Gruppe von Menschen genau diejenigen auswählen, die an just diesem einen Abend für die perfekte Atmosphäre sorgen. Dafür werde auch berücksichtigt, was das Thema des jeweiligen Events ist, wie es beworben wurde, wer als DJ firmiert und welche Personengruppen im Club gerade über- oder unterrepräsentiert sind.
Trotz dieser leicht diffusen Entscheidungsparameter konnten die Wissenschaftler ein paar konkrete Tipps und Tricks für Partygänger identifizieren, die beim Einlass ins begehrte Berghain und andere einschlägige Berliner Clubs helfen und die Tür zum großen Glück möglichst weit aufstoßen sollen. Schon beim Warten in der Schlange sei vorbildliches Verhalten gefragt, denn hier werde mit Hilfe von Sicherheitskameras aussortiert, wer zu laut oder zu betrunken sei, um dem Event drinnen noch einen Mehrwert zu bieten. Natürlich muss die Kleidung in die Anti-Mainstream-Philosophie der Clubs passen, an Leder und Schwarz sollte also nicht gespart werden. Am wichtigsten sei jedoch der kurze Smalltalk mit dem Türsteher, der am Ende der schier endlosen Schlange auf einen wartet. Hier könne glänzen, wer Wissen über und Begeisterung für die wichtigsten DJs des Abends an den Tag beziehungsweise die Nacht lege. Des Weiteren komme es auf die richtige Motivation an. Wer unter seinen eigenen Leuten bleiben oder – schlimmer noch – einfach nur mal den trendigen Nachtclub von innen sehen wolle, werde garantiert abgelehnt.
Die Erkenntnisse haben nicht nur Relevanz für die Gäste der Clubs, auch andere Veranstalter sollen nach Ansicht der Marketingforscher davon profitieren. Denn die Zielgenauigkeit, mit der etwa das Berghain seine Kunden aussucht, sei geradezu beispielhaft. Anbieter von exklusiven Events könnten auch wirtschaftlich profitieren, wenn sie ähnlich stark auf subkulturelle Zugehörigkeit, Motivation und Diversität ihrer Kundschaft achten würden. Denn so wird schon der Gang durch die Eingangstür zum Nervenkitzel – selbst wenn drinnen noch gar nichts los ist.
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