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News: Zündender Blitz

Nanoröhrchen erstaunen immer wieder aufgrund ihrer besonderen physikalischen Eigenschaften. Nun entdeckten Forscher, dass das Blitzlicht eines Fotoapparats ihnen ein lautes Knallen entlockt und sie sogar entzündet. Fehlt der Sauerstoff für die Verbrennung, so macht das Material eine Metamorphose zu einem anderen Nanogebilde durch.
Nanoröhrchen verglühen
Eigentlich waren die Materialwissenschaften noch nicht einmal sein Hauptfach, aber Andres de la Guardia war fasziniert von den winzigen Kohlenstoffgebilden, die mehr als tausendmal dünner als ein menschliches Haar sind: den Nanoröhrchen. So nutzte der Studienanfänger die Chance, und nahm an einem Forschungsprojekt für Studenten teil, das die Materialwissenschaftler Pulickel Ajayan und Ganapathiraman Ramanath vom Rensselaer Polytechnic Institute durchführten.

Hier durfte de la Guardia schon bald mit Nanoröhrchen experimentieren. Mit gängigen Verfahren schied er die Winzlinge an einem Maschendraht ab, um eine möglichst große Ausbeute zu erzielen. Das Resultat seiner Arbeit wollte der Student offenbar auch in Bildern festhalten, jedenfalls fotografierte er das mit schwarzem Röhrchen-Ruß überzogenen Kaninchengitter, und dabei passierte es: Auf den Lichtblitz seiner Kamera folgte ein lauter Knall, das flockige Nanomaterial entzündete sich und verbrannte vollständig.

Vielleicht befürchtete de la Guardia einen Fehler gemacht zu haben, vielleicht ahnte er aber auch schon, dass er eine besondere Entdeckung gemacht hat, jedenfalls ging er schnurstracks mit seiner Beobachtung zu seinem Professor, der die Bedeutung erkannte.

Demnach ist der laute Knall, der auf den Blitz folgt, ein gut bekanntes Phänomen, das bereits um 1880 von dem schottisch-amerikanischen Physiker Alexander Graham Bell entdeckt wurde. Bei diesem photoakustischen Effekt absorbiert eine Probe – hier sind es die Nanoröhrchen – Licht, wobei die Moleküle Energie aufnehmen und vom Grundzustand in einen angeregten Zustand überführt werden. Danach fallen die Moleküle jedoch wieder in den Grundzustand zurück, wobei Energie frei wird. Das geschieht entweder in Form von Licht, kann aber auch strahlungslos passieren. Im letzteren Fall gibt die Probe Wärme ab, was wiederum zu einer kurzfristigen lokalen Druckerhöhung führt, die unter geeigneten Umständen schließlich als Schall wahrnehmbar ist.

Soweit so gut, doch dieses Phänomen hatte bislang noch niemand an Nanoröhrchen beobachtet, und was die gestandenen Forscher noch mehr erstaunte war, dass sich die Kohlenstoffgebilde dabei offenbar spontan entzündeten. Tatsächlich war es wohl eine glückliche Fügung, dass dies passierte. Denn nachfolgende Versuche zeigten, dass sich nur jene einwandigen Kohlenstoff-Nanoröhrchen, wie sie de la Guardia hergestellt hatte, derart verhielten. Alle anderen Nano-Kreationen, wie mehrwandige Röhrchen, C60-Fullerene, Graphit-Pulver oder normaler Ruß, machten keinen Mucks – geschweige denn, dass sie sich entzündeten.

Offenbar war die Beschaffenheit der Röhrchen und die ungeordnete, luftige Schichtung nach der Herstellung genau richtig. Denn die Energie, die durch den Lichtblitz auf die Röhrchen übertragen wurde, konnte sich nicht schnell genug im Material verteilen, sodass die Temperatur schnell die 600 bis 700 Grad Celsius überschritt, die zum Zünden nötig sind. Bei Experimenten mit dichter gepackten Nanoröhrchen waren denn auch tatsächlich höhere Lichtleistungen notwendig.

Aber die Nanoröhrchen hielten noch eine Überraschung parat: Sie verwandelten sich selbst dann, wenn kein Sauerstoff für die Verbrennung vorhanden war. So entstanden im Vakuum und in Argon-Atmosphäre neue Strukturen, beispielsweise eine Kohlenstofflage, die viele kegelförmige Spitzen aufwies – Nanohörner sozusagen. Das ist insofern erstaunlich, da normalerweise für derartige Umwandlungen noch viel höhere Temperaturen im Bereich von 1500 bis 2000 Grad Celsius nötig sind.

Damit haben die kleinen Röhrchen offenbar wieder einmal viel Stoff für die Forschung abgeworfen, und vielleicht öffnet gerade das letzte Beispiel die Tür zu ganz neuen Materialien für den Nanokosmos. Trotz seiner Entdeckung gibt sich de la Guardia aber bescheiden: "Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort."

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