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»Schöne neue Stadt«: Fluch oder Segen?

Peter Schaar wägt Vor- und Nachteile der Digitalisierung unserer Metropolen ab. Ein guter Überblick, der auch das deutsche Mauerblümchendasein reflektiert.

Irgendwie klingt es ziemlich paradiesisch für einen Stadtbewohner: Flugtaxis und Hyperloops lösen alle Verkehrsprobleme, Dienstleistungen der Verwaltung werden komplett online abgewickelt, urbane Klima- und Umweltprobleme gibt es dank ausgefuchster und perfekt vernetzter Technologien nicht mehr. Smarte Erfindungen könnten die passende Antwort sein auf die wachsenden Herausforderungen, mit denen die rasant wachsenden Städte weltweit fertig werden müssen.

Doch bieten digitale Technologien wirklich einen Ausweg aus den gravierenden Problemen, mit denen sich schon heute Megastädte herumschlagen? Ist eine »Smart City«, diese Symbiose von Ort und Cyberspace, die angemessene Antwort auf die enormen Herausforderungen, vor denen Städte im 21. Jahrhundert stehen? Oder bleibt am Ende nichts weiter übrig als eine Art »Frankenstein-Urbanismus«, ein nicht zu Ende gedachtes Konzept, das zum Scheitern verurteilt ist?

All das fragt sich Peter Schaar in seinem Buch »Schöne neue Stadt«. Schaar kennt sich aus mit Daten und ihrer Verarbeitung: Er war Datenschutzbeauftragter in Hamburg und ist nun Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz.

Traumprojekt oder Horrorvorstellung?

Der Traum von einer perfekten Stadt ist so alt wie die Städte selbst, schreibt Schaar. Waren es früher etwa perfekt im Schachbrettmuster um einen Tempel herum angelegte Siedlungen, ist die modernste Ausprägung einer idealen Metropole heute die »Smart City«. »Smart« steht dabei nicht nur für »intelligent«, sondern auch für »schick« und »elegant«. Die »Smart City« ist der radikalste Ausdruck einer auf Ordnung und Berechenbarkeit ausgerichteten Lebenseinstellung, in der möglichst alle Risiken ausgeblendet und nach außen delegiert werden, so Schaar weiter.

Der Autor gibt einen Überblick dazu, wie heute schon daran getüftelt wird, den Einzug der Digitalisierung in die Städte voranzutreiben. Als spannendes Beispiel stellt Schaar die südkoreanische Stadt Songdo vor. Die komplett am Reißbrett entworfene, digital vernetzte Stadt sollte um das Jahr 2010 zu einem wirtschaftlichen und technologischen Leuchtturmprojekt werden. Den Bewohnern sollte maximaler Komfort geboten sein. Doch so ganz geklappt hat es nicht mit dem ehrgeizigen Vorhaben. Viele Häuser stehen aktuell leer. Kritiker sagen, dass die Konzentration auf digitale Lösungen zu einer Herabsetzung der Lebensqualität geführt habe. Songdo zeige, was man verliere, wenn man eine Stadt rein funktional plane.

Was sich in Songdo noch relativ harmlos anhört, wird in China schon etwas anders gehandhabt. Da wird die Digitalisierung der Städte unverhohlen zur Überwachung ihrer Einwohner verwendet, was Schaar in allen Facetten beschreibt. Dort bleibt dem Staat praktisch nichts mehr verborgen. Im Anschluss folgt das Kontrastprogramm: Der Autor erläutert den Grad der Digitalisierung deutscher Städte, die im internationalen Vergleich eher hinterherhinken. »Deutschland steht da eher wie ein Mauerblümchen da. Sichtbar sind bis heute vor allem punktuelle Ansätze und Projekte, die sich überwiegend noch im experimentellen Stadium befinden«, schreibt Schaar.

Gegen Ende des Buchs wird der Datenschutz zum Thema. Was geschieht mit den ganzen Informationen, die Smart Cities über ihre Bewohner sammeln? Auf diese Frage hat wohl jedes politische System seine eigene Antwort. Ebenso wird die enorme Verwundbarkeit angesprochen, der eine zunehmend digitalisierte Gesellschaft ausgesetzt ist.

Mit der Lektüre kann sich der Leser einen Überblick dazu verschaffen, in welche Richtungen sich unsere Lebensumstände mit zunehmender Digitalisierung verändern könnten. Aufzuhalten dürfte diese Entwicklung nicht sein. Schaar sieht darin durchaus eine Chance: Die digitale Transformation könne Städte wirtschaftlich voranbringen und zu nachhaltigen, klimafreundlichen Lösungen beitragen, so Schaar. Sie biete die Chance für Transparenz und Bürgerbeteiligung. Voraussetzung sei allerdings, dass dies auch politisch gewollt ist, meint Schaar. Doch auch in einer »Smart City« bleiben qualifizierte und engagierte Menschen die entscheidende Ressource, ist Schaar überzeugt. Digitale Technik kann selbstbestimmtes Handeln und Zuwendung nicht ersetzen.

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