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»Stumme Erde«: Starkes Plädoyer für Sechsbeiner

Der britische Insektenforscher Dave Goulson erzählt von der Bedeutung der Tiere, liefert Beweise für das dramatische Ausmaß des Insektensterbens und zeigt Wege auf, wie wir es besser machen können. Eine Rezension
Hummel im Lavendel

»Stumme Erde« ist Dave Goulsons sachlichstes Sachbuch – und vielleicht sein wichtigstes. Dass er sehr unterhaltsam über das Leben der Insekten schreiben kann, hat er schon mit mehreren Bestsellern bewiesen. Im aktuellen Buch wirkt der Insektenforscher Goulson jedoch dringender und kämpferischer als in seinen bisherigen Werken.

Noch ist es nicht zu spät

Gleich zu Anfang erklärt der Autor, dass ein grundlegender Wandel nötig sei. Noch ist es nicht zu spät, schreibt er, denn die Insekten könnten sich in kurzer Zeit wieder erholen, »wenn wir ihnen nur ein klein wenig Freiraum schenken«. Er fordert ein nachhaltiges Agrarsystem, grünere Städte und bessere Umweltbildung schon in der Grundschule. Um sein Anliegen zu untermauern, führt er zahlreiche Statistiken und Studien an, und er listet eine lange Reihe von konkreten Maßnahmen auf, wie wir unser Leben insektenfreundlicher gestalten könnten. Aber Goulson wäre nicht Goulson, erführe man nicht nebenbei auch viel über die faszinierenden Lebewesen selbst. So erzählt er von Termiten, die 50 Jahre alt werden, von Ohrwürmern mit zwei Penissen, winzigen Mücken, die 1000 Mal in der Sekunde mit den Flügeln schlagen, oder davon, wie man einmal 23 Mistkäferarten nach Australien importierte, um die dortigen Weiden von Kuhfladen zu befreien.

Ein Manko: Gerade weil der Forscher so viele Belege und Fakten zum Insektensterben zusammengetragen hat, ist es schade, dass direkt zugeordnete Quellenangaben fehlen. Das Buch enthält lediglich ein nach Kapiteln aufgeteiltes, allgemeines Literaturverzeichnis.

Das Buch ist in fünf Kapitel gegliedert. Es beginnt mit der grundlegenden Bedeutung der Insekten für das Funktionieren der Ökosysteme, skizziert das erschreckende Ausmaß des Insektensterbens und erörtert die diversen Ursachen. Im vierten Kapitel entwirft Goulson eine düstere Zukunftsvision für das Jahr 2080: Er beschreibt darin – detailliert und beängstigend realitätsnah – den Alltag seiner Kinder und Enkel in einer Welt, in der Klimawandel und Biodiversitätskrise zu massiven Wohlstandsverlusten geführt haben. Das fünfte Kapitel führt zahlreiche konkrete Maßnahmen auf, mit denen sich das Blatt noch in eine positivere Richtung wenden ließe.

Am Ende jeden Kapitels stellt Goulson eine besondere Insektenart oder -gruppe vor – dort kommt das Talent des Autors, die Leserinnen und Leser in die spannende und oft skurrile Welt der Insekten zu entführen, besonders zur Geltung. Wer ein unbeschwertes Sachbuch über das faszinierende Leben der Insekten lesen möchte, sollte aber zuerst zu Goulsons anderen Werken greifen.

»Stumme Erde« ist ein starkes Plädoyer für Insekten. Es macht klar, dass unser Überleben eng mit dem der Sechsbeiner verknüpft ist. Eine Erkenntnis, die immer noch nicht in der Breite der Gesellschaft angekommen sei, wie Goulson schreibt. Das vorliegende Buch soll dazu beitragen, das zu ändern. Wer sich für die Zukunft des Planeten interessiert, sollte es daher lesen.

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