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Angkor: Langsamer Fall eines großen Reichs

Wirtschaftliche und klimabedingte Faktoren verursachten ein schleichendes Ende von Angkor. Doch die Tempel in der Region wurden noch Jahrhunderte später religiös genutzt. Das Video gibt einen virtuellen Überblick über das nationale Denkmal von Kambodscha.
Angkor: Langsamer Fall eines großen Reichs

Veröffentlicht am: 08.05.2019

Laufzeit: 0:01:47

Angkor Wat, der berühmte Tempel im Nordosten Kambodschas, ist ein nationales Wahrzeichen, sein Bild ziert die kambodschanische Flagge. Als der französische Naturforscher Henri Mouhot ihn 1859 auf seiner Reise nach Kambodscha überwuchert vorfand, gingen viele davon aus, dass er seit Jahrhunderten nicht mehr genutzt worden war. Doch eine Gruppe um Alison K. Carter vom Department of Anthropology an der University of Oregon stützt nach jahrelangen archäologischen Arbeiten die Theorie, dass der Tempel tatsächlich fast durchgehend als religiöses Zentrum genutzt wurde und die Region Angkor ein langes und langsames Ende fand, wie sie in einer Studie im Fachblatt »PNAS« veröffentlichte.

Angkor ist die Region um Angkor Thom, der ehemaligen Hauptstadt des Khmer-Reichs, des bis zu seinem Ende im 15. Jahrhundert größten prämodernen Reichs Südostasiens. Sie umfasst eine Vielzahl historischer Bauten, darunter den berühmten Tempel Angkor Wat. Die Studie von Carter und ihrem Team basiert auf Ausgrabungsdaten sowie auf Untersuchungen der Erdwälle um die Tempel in Angkor. Ihre Analysen führten die Anthropologen anhand von Kohleproben mittels Radiokarbondatierung durch.

Als Ende von Angkor wird häufig der Einfall des thailändischen Königreichs Ayutthaya im Jahr 1431 angeführt. Doch laut der Studie wurde insbesondere der Tempel Angkor Wat auch nach der Besiedlung durch die Ayutthaya noch mehrere Jahrhunderte weitergenutzt. Im 16. Jahrhundert wurde er in einen buddhistischen Tempel umgewandelt. Schon damals zog die Stätte europäische Besucher an, die, wie der portugiesische Kapuzinermönch Antonio da Magdalena, begeistert davon berichteten. Des Weiteren gibt es am Tempel Inschriften japanischer Wallfahrer aus dem 17. Jahrhundert und spätere Inschriften anderer religiöser Würdenträger. Es folgte außerdem der Anbau einer Stupa. Das bezeuge, dass Menschen den Tempel durchgehend religiös nutzten, erklären die Wissenschaftler.

Die Ergebnisse legen aus Sicht der Forschergruppe eine permanente Besiedlung der Tempelanlage sowie der Region um den Tempel nahe – wobei die Bevölkerungsdichte bereits im 13. Jahrhundert abzunehmen begann. Demnach fand Angkor kein abruptes Ende; vielmehr erlitt die Region einen schleichenden Verlust an Bedeutung, wie viele Wissenschaftler schon länger argumentieren. So schwanden bereits nach der Herrschaft von Jayavarman VII. Anfang des 13. Jahrhunderts im Reich Einkommensmöglichkeiten und Ressourcen. Im späten 14. Jahrhundert gewann der Seehandel mit China an Bedeutung. Wegen der besseren Handelsmöglichkeiten wanderten zahlreiche Bewohner Richtung Süden ab, in die Nähe der heutigen Hauptstadt Phnom Penh. Die Keramikproduktion verlagerte sich an die östlichen Grenzen der Region. Zu den schlechten wirtschaftlichen Faktoren kam klimatische Instabilität. Zwei Trockenzeiten musste die Gegend zu der Zeit hinnehmen – die erste ab 1345, die zweite ab 1401. Dazwischen sorgten heftige Monsunperioden für Überschwemmungen. Die Infrastruktur und das Bewässerungssystem aus Flüssen, Kanälen und Stauseen wurden zerstört, Wohnbereiche überflutet.

Dennoch wurde die Region nicht vollständig verlassen. Eine paläobotanische Datierung der Erdwälle um den Königspalast von Angkor Thom deutet darauf hin, dass sich fast durchgehend Menschen um seine Instandhaltung kümmerten und dass Häuser auf den Erdwällen standen. Darin gefundene Handelsware aus Keramik, die die Gruppe untersucht hat, fällt in die Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts. Offenbar hat dort immer noch jemand gelebt. Erst ab dem 18. Jahrhundert sind die Tempel dann tatsächlich in Vergessenheit geraten.

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