Sonnensystem: Die Erde im interstellaren Nebel
Die Bilder von interstellaren Nebeln gehören zu den faszinierendsten und ästhetisch ansprechendsten Aufnahmen, die die Astronomie zu bieten hat. Gigantische Staub- und Molekülwolken, die durch hell aufleuchtende, junge Sterne illuminiert werden, gehören hierzu ebenso wie die wunderbar symmetrischen und gerne kunstvoll kolorierten Gasreste, die von alten, sterbenden Sternen abgestoßen werden. Angesichts dieser Farbenpracht ist unser Blick in den Nachthimmel vergleichsweise nüchtern. Immerhin besitzt die Erde einen Mond. Aber es lassen sich keine bunt leuchtenden Wölkchen ausmachen.
Dabei fliegt die Erde mitten durch einen Nebel, genauer gesagt durch die so genannte »Lokale Interstellare Wolke«, auch Lokale Flocke genannt. Wir sehen sie einfach nur deshalb nicht, weil sie erstens nicht allzu dicht und zweitens quer über den gesamten Himmel ausgedehnt ist. Würden wir sie aus größerer Entfernung betrachten, könnten wir erkennen, dass sie sich von ihrer Umgebung abhebt. Die bunten Farben auf astronomischen Bildern sind natürlich auch ein wenig irreführend. Meist handelt es sich nicht um das, was ein menschlicher Betrachter sehen würde. Vielmehr werden Aufnahmen mit verschiedenen Wellenlängen – oft weit jenseits des menschlichen Sehsinns – kombiniert und als Falschfarbendarstellung aufbereitet.
Schon seit rund 100 000 Jahren und für noch etwa weitere 15 000 fliegt unser Sonnensystem durch die Lokale Interstellare Wolke. Diese rund 30 Lichtjahre breite Struktur besteht aus sehr dünnem Gas, mit einer Teilchendichte von 0,3 Atomen pro Kubikzentimeter. Diese Teilchendichte erscheint für irdische Verhältnisse extrem gering. Aber die Lokale Blase, eine Region mit sehr wenig interstellarer Materie, die die Lokale Interstellare Wolke umgibt, ist noch wesentlich dünner: Hier befinden sich im Schnitt nur rund 0,001 Atome pro Kubikzentimeter. Auch die Temperaturen unterscheiden sich überraschend stark: In der Lokalen Interstellaren Wolke herrschen rund 6000 Grad Celsius, während die Teilchen in der Lokalen Blase rund eine Million Grad heiß sind.
Dass unser Sonnensystem schräg durch die umgebende Gaswolke fliegt, lässt sich an den neutralen Teilchen ablesen. Bei Temperaturen von einigen tausend Grad sind die meisten Teilchen ionisiert, also elektrisch geladen. Die Randstoßwelle (termination shock), wo der Sonnenwind und das interstellare Medium aufeinandertreffen, schiebt die heißen Ionen des interstellaren Mediums wie die Bugwelle eines Schiffes zur Seite. Die kalten, neutralen Teilchen allerdings spüren diese Kräfte kaum und können quer durch unser Sonnensystem fliegen. Das wiederum lässt sich mit Hilfe von Raumsonden nachweisen, die durch unser Sonnensystem fliegen. Dabei sind in den letzten 40 Jahren sogar Richtungsänderungen eingetreten, die auf Turbulenzen in der Lokalen Interstellaren Wolke hinweisen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.