Frühes Universum : Wie laut war der Urknall?
Alles begann mit dem Urknall. Mit einem Mal war da ein zunächst winziger, aber rasant expandierender Punkt, mit dem Raum, Zeit und Materie ihren Anfang nahmen. Wenn man sich überlegt, dass das gesamte Universum mit seinen Myriaden von Sternen, Galaxien und Galaxienhaufen einst in einem mikroskopischen Volumen konzentriert war und dann auseinandergeflogen ist, kommt man schnell zu der Einsicht, dass die dort herrschenden Kräfte alles überstiegen haben, was der Mensch sich vorstellen kann. Eigentlich sollte nichts lauter sein als der Urknall – doch weit gefehlt!
Das macht ein kurzweilig aufgemachtes und teilweise animiertes Video auf dem YouTube-Kanal Sixty Symbols klar. Darin kommt der britische Physiker Peter Moriarty von der University of Nottingham zu Wort – und auch die musikalischen Vorlieben des Forschers für harten Gitarrensound dürfen nicht fehlen. Moriartys Berechnungen zufolge erreichte die akustische »Lautstärke« in dem ultradichten heißen Gas im frühen Universum gerade einmal 120 Dezibel – ein überraschend geringer Wert, der von lauter Livemusik deutlich überboten werden kann. Bei den Hintergründen ist das Video leider etwas sparsam und verweist lediglich am Ende auf das neu erschienene Buch von Moriarty.
Deshalb hier eine Erklärung: Beim Schall handelt es sich um mechanische Schwingungen der Materie, die sich als Druck- und Dichteschwankungen fortpflanzen. Materie im üblichen Sinn gab es in der Frühzeit des Universums noch nicht. Atome und Moleküle konnten sich erst sehr viel später bilden, als das heiße Plasma weit genug abgekühlt war, so dass Atomkerne und Elektronen sich zusammenschließen konnten. Physiker nennen diese Schallwellen im ultraheißen Urplasma auch »baryonische akustische Oszillationen« (zur Bedeutung dieser Oszillationen siehe diesen Beitrag auf Spektrum.de). Die akustischen Oszillationen sind genau die Dichteschwankungen in dieser extrem heißen und dichten »Materie«, wobei die schwingende Materie die Baryonen sind. Dazu zählen Atomkerne, Neutronen und ähnliche, instabile Teilchen, die unter den damaligen hochenergetischen Bedingungen entstehen und wieder vergehen konnten.
Beim Urknall selbst war noch alles perfekt symmetrisch, die Materie war überall gleichmäßig dicht und homogen verteilt; es gab es noch nichts, was Dichteschwankungen hätte hervorrufen können – außer Quantenfluktuationen, ständig auftretende, zufällige Energieschwankungen im Vakuum. Diese sind zwar normalerweise unglaublich schwach, konnten in der extrem dichten Materie direkt nach dem Urknall aber dennoch riesige Effekte zeigen: So haben sich in der ultradichten Urmaterie auf Grund der Quantenfluktuationen winzige Gebiete mit etwas höherer Dichte gebildet, die wegen ihrer höheren Schwerkraft immer mehr Materie angezogen haben. Gleichzeitig stieg mit der Dichte aber auch der Photonendruck, der die baryonische Materie wieder auseinandertrieb.
Dieses Wechselspiel der Kräfte sorgte für die Oszillationen in der Urmaterie, die sich schließlich bei der Expansion des Weltalls zu den riesigen Strukturen aufblähen konnte, die wir heute beobachten. An den Stellen, an denen die »Berge« der akustischen Wellen waren, befinden sich heute riesige Galaxienhaufen. In den »Tälern« herrschen gigantische kosmische Leerräume, die so genannten Voids.
Auch wenn der »Schalldruck« direkt nach dem Urknall also überschaubar war, so sind die Effekte dieser frühesten Quantenfluktuation und der durch sie ausgelösten Dichteschwankungen immens. Heute können Astronomen die großräumigen Strukturen im Weltall mit erstaunlicher Präzision kartieren. Dabei finden sie in der Verteilung von Galaxien und Galaxienhaufen genau die Schwingungsmodi des heißen Urplasmas, aus dem alles Spätere hervorgegangen ist. Diese Ergebnisse sind nicht nur eine beeindruckende Bestätigung des Urknallmodells mitsamt der folgenden Expansion, was auch den Einfluss der mysteriösen Dunklen Materie und der Dunklen Energie beinhaltet. Es zeigt auch, dass man nicht immer so unglaublich laut sein muss, um große Effekte zu erzielen.
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