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Impfung: 5 Fakten über Gebärmutterhalskrebs und HPV-Impfung

Eine Impfung gegen humane Papillomviren (HPV) kann vor Gebärmutterhalskrebs schützen. Wie lange sie anhält, ist jedoch noch unklar. Und: Diejenigen, die eine Mehrfachimpfung am dringendsten bräuchten, bekommen nur eine eingeschränkte Impfung.
Impfung

Eine Impfung gegen humane Papillomviren (HPV) kann vor Gebärmutterhalskrebs schützen. Allerdings nur, wenn der Impfstoff auch den entsprechenden Virustyp abdeckt. Wie viel hilft die Impfung? Und wieso sollten auch Jungen geimpft werden? Fünf Fakten über Gebärmutterhalskrebs und die HPV-Impfung.

1. Wie viele sind betroffen, wie viele überleben?

Weltweit erkranken jedes Jahr rund 500 000 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. Die Häufigkeit variiert von Land zu Land. In Finnland etwa sind rund 4, in Deutschland 9 und in Kolumbien 45 von 100 000 Frauen betroffen. Hier zu Lande gab es im Jahr 2014 4540 Neuerkrankungen, im selben Jahr starben 1506 Frauen an den Folgen eines Gebärmutterhalskrebses. Weltweit ist dieser Tumor die dritthäufigste Ursache der Krebssterblichkeit von Erwachsenen.

Wenn man sich die Gebärmutter wie eine auf dem Kopf stehende, zehn Zentimeter lange Birne vorstellt, ist der Gebärmutterhals, die »Zervix«, das in das Scheidengewölbe hineinragende untere, schmale, etwa vier Zentimeter lange Drittel. Besonders häufig treten ein Gebärmutterhalskrebs oder seine Vorstufen am äußeren Muttermund auf. Meist an der Stelle, wo zwei Gewebe aufeinandertreffen: die zylindrisch aussehenden Oberflächenzellen des Zervixkanals und das Oberflächengewebe der Vagina, ein so genanntes Plattenepithel.

Beim »Pap-Test«, der auf den griechischen Arzt George Papanicolaou zurückgeht, entnimmt die Frauenärztin etwas Zellmaterial aus der Region des Muttermunds, färbt sie an und prüft, ob die Zellen verdächtige Veränderungen zeigen. Die Ursache für eine übermäßige Zellvermehrung an dieser Stelle, eine Hyperplasie, ist fast immer eine Infektion mit humanen Papillomviren.

Unter anderem dank des Pap-Tests – in vielen Ländern seit Jahrzehnten Bestandteil von Früherkennungsprogrammen (in Deutschland seit 1971) – sterben heute wesentlich weniger Frauen an den Folgen eines Zervixkarzinoms. In Deutschland etwa waren es vor 30 Jahren noch mehr als doppelt so viele wie heute. Mit Hilfe der Früherkennung können Tumoren in frühen Stadien entdeckt und entfernt werden.

Wenn ein Tumor entsteht, treten die Zellveränderungen zunächst lokal begrenzt auf. Später können Krebszellen weiter ins Gewebe eindringen, sich zunächst auf den Gebärmutterhals, später auf die komplette Gebärmutter und schließlich auch darüber hinaus ausbreiten. Solch ein invasiver Tumor wird am häufigsten bei Frauen zwischen 35 bis 60 Jahren entdeckt, Krebsvorstufen oder lokal begrenzte Tumoren meist 20 Jahre früher. Welche Therapieform gewählt wird, hängt vom Krankheitsstadium ab. In einer frühen Phase entfernt man das veränderte Gewebe am Muttermund mit Hilfe der »Konisation«, bei der je nach Lage des Tumors operativ ein flaches oder spitzes kegelförmiges Gewebestück aus dem Gebärmutterhals entfernt wird.

Ist der Krebs weiter fortgeschritten, muss die gesamte Gebärmutter und mitunter auch angrenzendes Gewebe entnommen werden. Nach der Operation folgen Strahlen- und/oder Chemotherapie. In Deutschland überleben 69 von 100 Frauen die ersten fünf Jahre, 65 von 100 Frauen die ersten zehn Jahre nach der Diagnose.

2. Welche Rolle spielt HPV, und welche anderen Auslöser gibt es?

In 99,7 Prozent der Fälle von Gebärmutterhalskrebs werden humane Papillomviren gefunden. »Wenn keine HPV da sind, gibt es auch kein Zervixkarzinom. Aber genauso wenig führt eine HPV-Infektion allein zu Krebs, es müssen immer noch weitere Faktoren hinzukommen«, sagt Mario Schelhaas vom Institut für Zelluläre Virologie an der Universität Münster.

Von den über 170 verschiedenen beim Menschen vorkommenden HPV treten die meisten kaum gesundheitsschädigend in Erscheinung. Etwa 30 verschiedene HPV-Typen infizieren Zellen des Genitaltrakts. HPV-Infektionen sind häufig und heilen oft unbemerkt wieder aus. Normalerweise beseitigt das Immunsystem die Viren und die durch sie entstandenen Zellveränderungen innerhalb von 12 bis 24 Monaten. Lassen sich jedoch Hochrisiko-Viren (es sind insgesamt 15 verschiedene bekannt, darunter HPV16 und HPV18) dauerhaft in den Zellen nieder, kann es gefährlich werden.

»Dass diese Viren zur Krebsentstehung beitragen, ist evolutionär gesehen eigentlich eine Fehlentwicklung«Mario Schelhaas

»Dass diese Viren zur Krebsentstehung beitragen, ist evolutionär gesehen eigentlich eine Fehlentwicklung«, sagt Schelhaas. Viren müssten, um zu bestehen, eine gute Balance zwischen der eigenen Vermehrung und dem Wohlergehen des Wirts hinbekommen. Der Tod des Wirts nützt den Viren nichts. Zwei HPV-Proteine, E6 und E7, spielen bei dieser Fehlentwicklung eine entscheidende Rolle. Sie können eine unkontrollierte Zellvermehrung auslösen, indem sie zum Beispiel das Tumorsuppressorgen p53 ausschalten.

»Als zweite Eigenschaft erhöhen die Hochrisiko-Virustypen die Instabilität des menschlichen Genoms«, erläutert Schelhaas. Dadurch komme es häufiger zu Strangbrüchen, die DNA müsse repariert werden, das Risiko für Mutationen in den infizierten Zellen steige. Schließlich integrierten diese HPV ihre Erbinformation in das Genom der Zelle, was ungewöhnlich für die Virusfamilie sei. Kommen dann noch weitere Faktoren hinzu, die die Zellvermehrung anregen beziehungsweise Krebsentstehung fördern wie etwa Rauchen, Infektionen mit anderen sexuell übertragenen Krankheitserregern, oxidativer Stress, Entzündungen, Chemikalien, exogene oder endogene Hormone, kann ein invasiver Tumor entstehen.

3. Was bewirkt die Impfung?

In Deutschland sind aktuell zwei Impfstoffe gegen HPV zugelassen. Der bivalente Totimpfstoff Cervarix schützt vor der Infektion mit den Virustypen HPV16 und HPV18, die laut epidemiologischen Studien hier zu Lande für rund 70 Prozent aller Zervixkarzinome verantwortlich sind. Der Impfstoff Gardasil richtet sich ebenfalls gegen diese beiden und zusätzlich gegen weitere fünf HPV-Typen mit kanzerogenem Potenzial sowie gegen zwei Varianten, die gutartige Genitalwarzen verursachen.

Mädchen und (seit 2018) auch Jungen sollten möglichst im Alter zwischen 9 und 14 Jahren geimpft werden, die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Impfung bis zum 18. Geburtstag. Da HPV, die den Genitaltrakt infizieren, hauptsächlich durch Sexualkontakte übertragen werden, versucht man mit der Impfung vor Beginn der sexuellen Aktivität die Ansteckung frühzeitig zu verhindern.

Die Impfstoffe werden in den Muskel gespritzt. Sie regen das Immunsystem an, Antikörper gegen ein Bauteil der äußeren Viruskapsel, das Protein L1, zu produzieren. Nach der Impfung finden sich Antikörper gegen L1 in hoher Konzentration im Blut der Geimpften. Diese Schutzmoleküle verhindern eine Ansteckung mit HPV. Zum einen kommen sie bei Verletzungen der Haut- oder Schleimhautbarriere und winziger dann ebenfalls verletzter Blutgefäße direkt mit den Viren in Kontakt und neutralisieren sie . Oder sie befinden sich ohnehin schon in den Schleimhäuten des Körpers, weil sie dorthin über einen Prozess, den man Transcytose nennt, vom Blut durch die Gefäßwände hindurch »ausgewandert« sind. Antikörper gegen HPV kann man nach der Impfung nicht nur im Blut, sondern etwa auch im Genitalsekret nachweisen. Je höher der Antikörperspiegel im Blutserum ist, desto höhere Konzentrationen an schützenden Antikörpern finden sich laut Studien in den Sekreten der Genitalschleimhaut bei geimpften Frauen.

Offenbar hält der Immunschutz nach einer Impfung recht lange an, der Antikörperspiegel ist selbst zwölf Jahre nach der Impfung noch unverändert hoch. Wie lange er sich tatsächlich hält, kann man noch nicht sagen, da es die Impfung erst seit gut zehn Jahren gibt. Wer sich bereits angesteckt hat, dem hilft die Impfung im Nachhinein nicht, die Viren wieder loszuwerden. Haben sich die Viren erst einmal in den Zellen niedergelassen, können die gegen die äußeren Bauteile des Virus gerichteten Antikörper sie nicht mehr beseitigen.

Schutz vor Krebs

Nach einer HPV-Infektion dauert es rund 10 bis 30 Jahre, bis sich aus Vorstufen tatsächlich Gebärmutterhalskrebs entwickelt. Da die Impfstoffe in Europa und den USA erst seit 2006 zugelassen seien, könnten Studien zum jetzigen Zeitpunkt noch keine beziehungsweise kaum Effekte auf das Auftreten von Gebärmutterhalskrebs demonstrieren, schreibt das Robert Koch-Institut auf einer Informationsseite. »Was Studien aber bereits zeigen konnten, ist eine Verhinderung der Bildung von Krebsvorstufen«, heißt es dort weiter.

Eine aktuelle Untersuchung kanadischer Forscher fasst die Daten von 65 Studien aus 14 Ländern zu dieser Fragestellung zusammen. Danach zeigen sich die Auswirkungen fünf bis neun Jahre nach Beginn der Impfungen bei jungen Frauen deutlich: Bis 83 Prozent weniger HPV16 und HPV18 waren nachweisbar, es wurden mindestens nur noch halb so viele Genitalwarzen diagnostiziert, und es traten je nach Alter der jungen Frauen 31 Prozent (20 bis 24 Jahre) beziehungsweise 51 Prozent weniger fortgeschrittene Krebsvorstufen (so genannte CIN2+-Läsionen) auf.

Die bisher genutzten Impfstoffe richten sich gegen zwei oder bis maximal sieben onkogene HPV. Dass sich auf Grund der Zurückdrängung dieser Virustypen durch die Impfungen in der Bevölkerung andere Hochrisiko-Viren weiter ausbreiten, sei eher unwahrscheinlich, erklärt Mario Schelhaas. »Doch abschließend sagen kann man das erst in 20 Jahren.« Dann würden die aktuellen Vakzine ohnehin durch Impfstoffe der zweiten Generation ersetzt werden. »Es laufen gerade klinische Studien mit Impfstoffen, die sich gegen einen sehr konservierten Bereich des Virus und damit gegen fast alle der 170 HPV richten«, sagt Schelhaas. In 10 bis 20 Jahren kämen diese neuen Impfstoffe auf den Markt.

Das Hauptproblem liegt nach Ansicht des Virologen aus Münster zurzeit woanders: »Die Umsetzung von Impfkampagnen in den ärmeren Ländern dieser Welt läuft nicht gut, obwohl der Bedarf und die Akzeptanz etwa in Afrika hoch sind.« Der Neunfach-Impfstoff würde in Afrika mehr gebraucht, da es hier – anders als in Europa, wo hauptsächlich HPV16 und -18 vorkommen – eine viel breitere Verteilung der Hochrisikotypen gäbe. Dort, wo der gegen neun HPV-Typen wirkende Impfstoff am dringendsten gebraucht werde, lieferten die Pharmaunternehmen »alte« Vakzinen, die sich gegen zwei oder vier HPV-Typen richteten, ärgert sich Schelhaas. Ein weiteres Problem in diesen Ländern sei, dass Jungen oder junge Männer nicht geimpft werden.

4. Welche Rolle spielen Männer, und löst HPV bei ihnen auch Krebs aus?

Die HPV-Infektion ist eine der am häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankungen für Frauen und Männer. Viren mit hohem onkogenem Potenzial finden sich in Deutschland bei rund 29 Prozent aller Frauen und bei 26 Prozent aller Männer. Diese Hochrisiko-HPV sind ursächlich beteiligt an der Entstehung von Tumoren des Gebärmutterhalses (in 99 Prozent der Fälle), des Kopf-Hals-Bereichs (in 25 Prozent der Fälle), der Vagina (70 Prozent), des Anus (88 Prozent), der Vulva (43 Prozent) und des Penis (50 Prozent) in absteigender Reihenfolge ihrer Häufigkeit.

Auch Männer sind also durch HPV gefährdet. Laut Informationen des Deutschen Grünen Kreuzes finden sich mehr als 30 Prozent aller HPV-bedingten Krebsarten in Europa bei Männern. In Deutschland erkranken jedes Jahr 4800 Männer (1924 sterben jährlich) an Anal-, Penis- und Kopf-Hals-Karzinomen. Bei letzteren können Zunge, Mandeln und der Mund-Rachen-Bereich betroffen sein. Der Anstieg dieser Art Tumoren in den vergangenen Jahrzehnten wird hauptsächlich durch HPV16 verursacht.

»Aus individualmedizinischer Sicht war die Impfung für Jungs immer schon wichtig«Ulrich Seybold

Seit Juni 2018 gilt die Impfempfehlung hier zu Lande nicht nur für Mädchen, sondern auch für Jungen zwischen 9 und 17 Jahren. In den USA, Kanada, Australien und Österreich ist dies schon seit Jahren gängige Praxis. Mit Hilfe der Impfung soll sich die Häufigkeit des Zervixkarzinoms verringern, zudem sollen sämtliche mit HPV in Verbindung stehenden Tumoren zurückgedrängt werden. »In Anbetracht der HPV-Häufigkeit auch bei Männern war dieser Schritt überfällig«, sagt Ulrich Seybold, Infektiologe am Klinikum der Universität München.

Hauptgrund für die Veränderung der deutschen Impfempfehlung sei laut der Ständigen Impfkommission (STIKO) die mit deutlich unter 50 Prozent liegende, anhaltend niedrige Impfquote bei Mädchen. Sie reichte für einen Gemeinschaftsschutz, eine Herdenimmunität, nicht aus. Die Durchimpfungsraten liegen bei jungen Mädchen beziehungsweise Frauen in Deutschland zurzeit bei rund einem Drittel (15-jährige Mädchen: 31 Prozent sind geimpft, 17-jährige: 43 Prozent). Ohnehin profitiere die Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben und von den mit HPV verbundenen Erkrankungen besonders betroffen sind, nicht, wenn nur Mädchen und junge Frauen geimpft werden. »Aus individualmedizinischer Sicht war die Impfung für Jungs immer schon wichtig«, sagt Seybold.

5. Warum ist ein Screening auf Gebärmutterhalskrebs auch nach einer Impfung wichtig?

Die Impfung kann den routinemäßigen Pap-Test nicht ersetzen, mit dem frühzeitig Zellveränderungen am Gebärmutterhals erkannt werden können. »Die Impfung ersetzt die Früherkennung nicht, da sie nur vor den häufigsten Hochrisiko-HP-Viren schützt«, schreiben die Experten vom Robert Koch-Institut.

Das sieht Ulrich Seybold genauso: »Keine Impfung ist 100 Prozent effektiv, das heißt, selbst eine geimpfte Frau hat ein (wenn auch dramatisch niedrigeres) Risiko einer HPV-Infektion.« Viele Frauen seien mit dem Zwei- oder Vierfach-Impfstoff geimpft, die einige wichtige auch mit Gebärmutterhalskrebs assoziierte HPV-Typen nicht mit abdeckten. Im Neunfach-Impfstoff etwa seien zwar sieben, aber nicht alle Hochrisiko-Typen enthalten, die möglicherweise Krebs auslösen. »Das Wissen über die Schutzwirkung der HPV-Impfung reicht noch nicht aus, um die Empfehlung zur ja extrem wirksamen jährlichen Gebärmutterhalsuntersuchung in Frage zu stellen«, sagt Seybold.

Ab 2020 wird es eine Veränderung der Empfehlungen für die Früherkennung in Deutschland geben. Bei Frauen ab 35 Jahren soll dann nur noch alle drei Jahre ein Pap-Test gemacht werden, allerdings in Kombination mit einem HPV-Test. Fällt letzterer negativ aus, könnte sogar ein Screening-Intervall von fünf oder zehn Jahren ausreichen, wie die WHO oder die Verfasser der europäischen Leitlinien zur Prävention von Gebärmutterhals empfehlen. Schließlich dauert es durchschnittlich zehn Jahre, bis durch eine HPV-Infektion Gebärmutterhalskrebs entsteht.

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