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Mondlandung: "Welch prächtige Einöde"

Vierzig Jahre nach der triumphalen Landung von Apollo 11 auf dem Erdtrabanten erinnert sich der zweite Mensch, der einen fremden Himmelskörper betrat, an dieses große Abenteuer.
spektrumdirekt: Mr. Aldrin, die Mission von Apollo 11 wird als das größte Ereignis des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Welche Bedeutung messen Sie im Rückblick dieser Mission bei?

Buzz Aldrin: Der Flug von Apollo 11 war die Verwirklichung eines jahrhundertealten Menschheitstraumes. Im Jahr 1961 wurde er ein nationales Anliegen in den USA, als ein junger Präsident namens John F. Kennedy die Nation aufforderte, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf dem Mond zu landen und wieder sicher zur Erde zurückzubringen.

spektrumdirekt: Was musste getan werden, um eine solche Herausforderung zu meistern?

Buzz Aldrin | Buzz Aldrin in San Diego am 19 Februar 2009.
Aldrin: Nachdem die Sowjetunion im April 1961 den ersten Menschen, Juri Gagarin, in eine Erdumlaufbahn geschossen hatte, gab es für die USA nichts Wichtigeres mehr, als den Wettlauf im All zu ihren Gunsten zu entscheiden. Die Regierung stellte etwa 25 Milliarden Dollar bereit, und Wissenschaftler, Ingenieure und Industrie konstruierten die Systeme von den Raketen bis zu den Raumanzügen. Bis Ende 1966 flog die NASA zehn bemannte Gemini-Missionen, um die technischen Voraussetzungen und Prozeduren für eine Mondlandung zu entwickeln.

spektrumdirekt: Wie war Ihr persönlicher Werdegang? Und was hat Sie dazu inspiriert, Astronaut zu werden?

Aldrin: Mein Vater gehörte in den 1920er Jahren zu den Pionieren der Luftfahrt, und irgendwann war klar, dass auch ich zur Fliegerei wollte. Am besten ging das über das Militär: 1947 ging ich direkt nach der High School auf die Militärakademie West Point. Nach dem Abschluss 1951 kam ich zur Luftwaffe, später auch zu einem Geschwader im westdeutschen Bitburg in der Eifel. Im Jahr 1959 beschloss ich, am Massachusetts Institute of Technology zu promovieren. Meine Doktorarbeit verfasste ich über Ankopplungsmanöver im All. Als ich sie 1963 beendete, schrieb ich als Nachsatz: "Den Männern des Astronauten-Programms gewidmet. Ich würde gerne zu ihnen gehören." Ich hatte mich bereits 1962 beworben, aber mir fehlte die Testpilotenausbildung. Im darauf folgenden Jahr wurden die Vorgaben geändert. Der Schwerpunkt lag nun stärker auf dem akademischen Hintergrund. Im Oktober 1963 wurde ich ausgewählt.

spektrumdirekt: Welche Erwartungen hatten Sie damals?

Aldrin: Wir Neulinge im Astronautenkorps hofften, unsere Chance für eine der zehn geplanten Gemini-Missionen zu bekommen. Die meisten Astronauten waren Testpiloten, und ich war auch noch der einzige mit einem akademischen Titel. Meine Kollegen gaben mir den Spitznamen Dr. Rendezvous, da ich mir ein großes Fachwissen über die Ankopplungsmanöver im All erworben hatte. Alle Erstbesatzungen für die Gemini-Missionen waren ausgewählt, und ich gehörte zu keiner von ihnen.

spektrumdirekt: Sie wurden dann doch noch ausgewählt …

Entspanntes Team | 24. Mai 1969: Die Apollo-11-Crew relaxt ein bisschen nach dem harten Training für die anstehende Mission. Von links nach rechts sind der Pilot der Mondlandefähre Edwin Aldrin – der seinen Vornamen später amtlich in Buzz ändern ließ-, der Kommandant Neil Armstrong sowie Michael Collins, der Pilot des Kommandomoduls, zu sehen.
Aldrin: Ja, durch tragische Umstände. Im Februar 1963 kam die Erstbesatzung von Gemini 9 ums Leben, als ihr Trainingsflugzeug während eines Schneesturms über St. Louis abstürzte. Die NASA bestimmte die für Gemini 12 vorgesehene Erstbesatzung, Tom Stafford und Gene Cernan, als Ersatz, und Jim Lovell und ich wurden für den letzten Gemini-Flug eingeteilt.

spektrumdirekt: Beschreiben Sie Ihre Aufgaben und Erfahrungen bei Ihrer ersten Mission.

Aldrin: Da es die letzte Gemini-Mission war, stand auf Jims Rücken "The" und auf meinem "End". Die fünf Tage mit Gemini 12 im November 1966 waren eine fantastische Erfahrung, deren Höhepunkte für mich die drei Weltraumspaziergänge sein sollten. Ich hatte ein langes und hartes Training mit unzähligen Stunden in einem Schwimmbecken absolviert, und das zeigte seine Wirkung: So konnte ich bei meinen Ausstiegen mehr als fünf Stunden draußen bleiben, ohne in Schwierigkeiten zu kommen oder zu ermüden.

spektrumdirekt: Erst im Oktober 1968 startete mit Apollo 7 die erste Apollo-Mission. Hielten Sie damals eine Mondlandung bis zum Ende des Jahrzehnts noch für möglich?

Aldrin: Nein, absolut nicht! Ich hätte nicht darauf gewettet, dass eine Mondlandung nach nur vier kurz aufeinander folgenden Apollo-Flügen möglich sein würde. Im Oktober 1968 flog Apollo 7 und im Dezember dann Apollo 8 – der zweite Flug mit der Kommandokapsel und der erste bemannte Flug mit der Saturn V. Bereits Apollo 8 bemannt zum Mond zu schicken war sehr gewagt. Neil Armstrong und ich gehörten zur Reservebesatzung. Im Januar 1969 wurden wir beide und Michael Collins für den ersten Versuch einer Mondlandung ausgewählt. Zu diesem Zeitpunkt war die Mondfähre noch nie mit einer Besatzung geflogen, es hatte noch nie ein Rendezvous von zwei Raumfahrzeugen im Mondorbit gegeben, und der speziell für den Einsatz auf dem Mond entwickelte Raumanzug war noch nicht erprobt. Diese Aufgaben sollten bei Apollo 9 und 10, im März und Mai 1969, gelöst werden. Hätte es dabei irgendwelche Probleme gegeben, dann hätten wir die noch ausstehenden Aufgaben durchführen und die Mondlandung einer späteren Besatzung überlassen müssen. Doch die beiden Missionen verliefen erfolgreich, und somit waren wir die erste Besatzung, die eine Mondlandung durchführen sollte.

spektrumdirekt: Während Ihres Landeanflugs auf den Mond überschlugen sich die Ereignisse. Was passierte genau?

"Einen Augenblick lang war es ganz still. Neil und ich sahen uns an und schüttelten uns fast ehrfürchtig die Hände"
(Buzz Aldrin)
Aldrin: Armstrong startete das Triebwerk , und ich behielt die Daten unseres Bordcomputers im Auge. Wir flogen schräg vorwärts in der Mondfähre, und das Triebwerk rumpelte leise. Nach einigen Minuten richtete der Bordcomputer die Mondfähre nach vorne aus, und wir konnten langsam die Mondoberfläche durch das Fenster sehen. Jetzt schaltete sich das Landeradar ein und fütterte den Bordcomputer kontinuierlich mit Daten über Höhe und Geschwindigkeit. Als ich einen Befehl in den Computer tippte, schrillte plötzlich ein Alarm. Auf dem Monitor leuchteten die Ziffern 1-2-0-2. Wir wussten in diesem Moment nicht, was das zu bedeuten hatte und standen kurz vor einem Abbruch. Im Kontrollzentrum wurde fieberhaft gearbeitet. Ein Ingenieur dort erinnerte sich, dass es bei Simulationen ähnliche Probleme gegeben hatte. Der Bordcomputer war von zu vielen Aufgaben überlastet, aber wir konnten weitermachen.

spektrumdirekt: Nach dieser heiklen Phase gab es kein Zurück mehr. Was folgte dann?

Aldrin: Durch das kleine dreieckige Fenster konnte ich unser Landegebiet sehen. Ich konzentrierte mich darauf, für Neil und das Kontrollzentrum kontinuierlich die Daten über Flughöhe, Geschwindigkeit und Landezeitpunkt mitzuteilen. In etwa 300 Metern Höhe sahen wir direkt vor uns einen großen Krater, übersät mit Felsbrocken. Neil schaltete auf Handsteuerung um und flog über den Krater hinweg. Das dauerte länger als bei allen Simulationen. Plötzlich hatten wir ein Warnlicht, das uns anzeigte, dass wir nur noch für 90 Sekunden Treibstoff hatten. Wir schwebten in etwa 80 Metern Höhe, und Neil hatte das Triebwerk gedrosselt. Während die Mondfähre langsam nach unten ging, wirbelte das Landetriebwerk auf einmal Staub auf. Daraufhin drosselte er nochmals die Geschwindigkeit. Plötzlich leuchtete vor mir auf der Instrumententafel das blaue Licht "Mondkontakt" auf. Neil schaltete das Triebwerk ab, und wir setzten sanft auf.

spektrumdirekt: Was empfanden Sie in diesem Moment?

Aldrin: Einen Augenblick lang war es ganz still. Neil und ich sahen uns an und schüttelten uns fast ehrfürchtig die Hände. Dann meldete Neil nach Houston: "Hier ist der Stützpunkt im Meer der Ruhe, der Adler ist gelandet."

spektrumdirekt: Was geschah dann?

Abdruck hinterlassen | 18 Minuten nach Armstrong betrat Aldrin als zweiter Mensch den Mond. Ein Detail, das ihn wohl sehr verärgert hat. Ursprünglich sollte er als erster aussteigen; doch als Kommandant stand Armstrong dieses Recht zu – und er machte davon Gebrauch. Hier hinterlässt Aldrins Mondschuh gerade einen bleibenden Eindruck im lunaren "Erdboden" – wenn auch nicht den ersten.
Aldrin: Wir schalteten zuerst die Systeme in der Mondfähre ab, die wir nicht mehr benötigten. Angesichts der Bedeutung des Ereignisses nahm ich mir etwas Zeit für eine stille Andacht. Nachdem wir etwas gegessen hatten, begannen wir mit den Vorbereitungen für den Ausstieg. Wir steckten in unseren Raumanzügen, und nach der Freigabe aus Houston öffnete ich das Ventil, und der Sauerstoff entwich aus der Kabine. Ich öffnete die Luke, und Neil stieg als Erster aus. Nachdem er eine erste Bodenprobe gesichert hatte, folgte ich ihm 18 Minuten später. Bevor ich herunterkletterte, zog ich die Luke ein Stück zu, und als ich das tat, sagte ich im Scherz zu Neil: "Ich wollte sichergehen, dass ich uns nicht aussperre." Neil lachte und meinte: "Gute Idee!"

spektrumdirekt: Was war das für ein Gefühl, als Sie die Leiter herabstiegen?

Aldrin: Ich kletterte vorsichtig die neun Sprossen hinunter, und als ich die unterste erreicht hatte, sprang ich auf den Teller des Landefußes. Ich stand im Schatten der Mondfähre und blickte hinaus in die Landschaft von strahlender Klarheit. Da es keine Atmosphäre gibt, waren die Umrisse von Felsbrocken am Horizont genauso deutlich wie die Steine vor meinen Füßen zu erkennen. Ich dachte in diesem Moment: "Welch prächtige Einöde", und dann setzte ich meinen Fuß auf die Mondoberfläche. Ich brauchte ein paar Minuten, um mich an die geringe Schwerkraft zu gewöhnen.

spektrumdirekt: Wie war die Mondoberfläche beschaffen?

Aldrin: Ich war vom Staub fasziniert. Er war fein wie Puder, und jeder Schritt wirbelte eine Unmenge davon auf. Um die Beschaffenheit zu dokumentieren, machte ich ein Foto von einem Fußabdruck mit meinem Stiefel daneben.

spektrumdirekt: Vor dem Rückstart machten Sie eine ungewöhnliche Entdeckung in der Mondfähre. Um was handelte es sich?

Aldrin: Kurz vor unserer Ruhepause schaute ich auf den Staub am Boden der Kabine und sah einen abgebrochenen Schalter liegen. Es war der Triebwerkschalter. Ich drückte dann später einen Filzstift hinein, um das Triebwerk zu starten.

spektrumdirekt: Wie haben Sie den Rückstart erlebt?

Aldrin auf dem Mond | 21. Juli 1969: Neil Armstrong knipst dieses Bild von seinem Kollegen Buzz Aldrin, der durch den Mondstaub spaziert.
Aldrin: Als wir vom Kontrollzentrum die Freigabe erhielten, sagte ich spontan: "Houston, wir sind die Nummer 1 auf der Startbahn." Beim Aufstieg, der mit sanftem Schub erfolgte, konnte ich gerade noch erkennen, wie die US-Flagge in den Staub kippte. Wir erreichten den Orbit, und etwa drei Stunden nach dem Start leiteten wir das Rendezvous mit Michael Collins ein.

spektrumdirekt: Wie verliefen der Rückflug und die Landung auf der Erde?

Aldrin: Nachdem wir die Mondfähre abgetrennt hatten, die dann einige Tage später auf dem Mond zerschellte, machten wir uns auf den Heimweg. Auf der Rückseite des Mondes zündeten wir das Triebwerk und nahmen Kurs zur Erde. Nach knapp zwei Tagen Rückflug landeten wir im Pazifischen Ozean. Wir mussten dann bereits in der Kapsel Isolationsanzüge anziehen, da man befürchtete, wir könnten Bakterien vom Mond einschleppen.

spektrumdirekt: Wann glauben Sie, wird es die nächste bemannte Mission zum Mond geben?

Aldrin: Ich schätze, dass im Jahr 2020 wieder Menschen den Mond betreten werden. Eventuell auch ein Jahr früher – dann wäre es 50 Jahre nach meiner und der ersten Landung von Apollo 11.



Das ungekürzte Interview mit Buzz Aldrin lesen Sie in Sterne und Weltraum (Ausgabe 7/2009, S. 46-48).

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