Warkus‘ Welt: Der Charme der Monarchie
Am 8. September 2022 ist Elisabeth II. gestorben. Inzwischen ist ihre Beerdigung schon ein paar Tage her – ebenso wie das enorme Medienspektakel, welches das Ereignis ausgelöst hat. Stattdessen dominieren nun wieder Nachrichten aus dem Ukrainekrieg die Schlagzeilen. In den aktuellen bewegten Zeiten bleibt der Tod der Queen eine kurze Episode. Dennoch haben die vergangenen Tage eine zumindest für mich überraschende Menge an medialer Diskussion zum britischen Königtum und zum Thema Monarchie überhaupt hervorgebracht.
Auch in der Philosophie wurde in der Vergangenheit immer wieder darüber gestritten, welche Staatsform die ideale sei – und damit nicht zuletzt um die theoretischen und praktischen Vor- und Nachteile der Monarchie. Ein beliebtes Argument war dabei in der einen oder anderen Form häufig, dass es dem Staat gewisse Vorteile bringe, alle Macht bei einer Einzelperson zu bündeln. So ist eine Einzelperson als Machthaber etwa naturgemäß unteilbar und kann sich nicht zerstreiten.
Die Diskussion über solche praktischen Aspekte hat sich heutzutage weitgehend erledigt: Die acht verbliebenen monarchischen Flächenstaaten in Europa sind faktisch alle liberale Demokratien und kaum jemand dürfte ernsthaft behaupten, eine friedliche und legale Umwandlung in eine Republik würde sie ins Chaos stürzen. Wie auch: Die modernen Monarchen haben schließlich nahezu keine echte politische Macht mehr. Eine Republik der Niederlande oder ein Freistaat Dänemark würden sich aller Wahrscheinlichkeit nach in nahezu nichts von den heutigen Königreichen unterscheiden.
Alle Argumente für oder gegen eine monarchische Staatsform haben heutzutage also interessanterweise fast nichts mehr mit Politik in dem Sinn dessen zu tun, was in den täglichen Nachrichten so genannt wird. Neben pragmatischen Überlegungen dazu, wie teuer der ganze Spaß ist, geht es eigentlich nur noch um Symbolik. In den vergangenen Tagen war die Frage, inwieweit Elisabeth II. für Gewalt, Ausbeutung und Unterdrückung im britischen Kolonialreich – unter ihren Vorgängern sowie durchaus noch in ihrer eigenen Regierungszeit – verantwortlich gemacht werden konnte, ein großes Thema. Blendet man diese sehr konkrete Diskussion zur britischen Geschichte aus, schien es vor allem zwei Tendenzen zu geben: Auf der einen Seite ging es immer wieder um das Absurde, aus der Zeit Gefallene, ja geradezu Lächerliche der Monarchie mit ihren jahrhundertealten, teils bizarren Ritualen. Auf der anderen Seite wurde das Würdevolle und Überzeitliche, im positiven Sinn Weltfremde der Monarchie hervorgehoben, auch in der engen Beziehung zur Religion – ist der britische Monarch doch zugleich Oberhaupt der englischen Staatskirche.
Wie viel Glanz und Prunk darf es denn sein?
Die Religion selbst ist einer der Schauplätze, auf denen wir sehen können, dass altertümliches Gepränge und zeremonieller Pomp aller Art eine ganz eigene Faszination ausüben. Der Katholizismus zieht zum Beispiel bekanntlich viele Menschen an, die nicht sonderlich gläubig sind, aber einfach etwas für die Formen der Kirche übrig haben. Hier geht es ebenso wie bei der traditionellen Selbstinszenierung von Monarchen um Räume und Rituale, die vom profanen Alltag weit entfernt sind und die Bezüge in eine tiefe Vergangenheit herstellen, indem alte Texte und Formeln rezitiert, alte Rituale erneut vollzogen werden.
Ob man es nun gut oder eher befremdlich findet, dass ein Staat sich mit einer solchen Symbolik ausstaffiert, hängt davon ab, welchen Stellenwert man ihm beimisst. Soll ein Staat Dauer, Ewigkeit, Glanz und Prunk, den Anspruch auf etwas, was über die Niederungen des Alltags hinausweist, repräsentieren? Oder soll er es lieber bleiben lassen und nüchterne Bescheidenheit üben (die aus historischen Gründen in Deutschland dominante Meinung)? Doch selbst wenn man der Meinung ist, der Staat solle ruhig dick auftragen und sich selbst gehörig inszenieren, braucht es dazu keinen Monarchen, dafür reicht ein Präsident, wie wir in Frankreich oder Amerika sehen können.
Elisabeth II. lebte und regierte so außergewöhnlich lang, dass ihr eigenes Leben zu einem Symbol für Dauerhaftigkeit wurde
Aus philosophischer Sicht interessant, insbesondere für mich als gelernten Zeichentheoretiker, sind die verschiedenen bedeutungstragenden Beziehungen, die sich bei alledem ergeben, allemal. Aber eine rationale Begründung dafür, warum man rein repräsentative Traditionen wie die eines Monarchen als Staatsoberhaupt fortführen soll, ist schwer zu finden. Entweder akzeptiert man, dass Staatlichkeit auch mit Elementen von Zweckfreiheit, Prunk und Jenseitigkeit ausgestattet sein kann, oder man tut es nicht. Eine ganz banale Bedeutungsbeziehung besteht jedenfalls darin, dass Elisabeth II. so außergewöhnlich lang lebte und regierte, wodurch ihr eigenes Leben zu einem Symbol für Dauerhaftigkeit wurde – und dies zudem noch in Wiederholung eines etablierten Musters, denn ihre letzte weibliche Vorgängerin Viktoria hatte ebenfalls 63 Jahre auf dem Thron gesessen.
Vielleicht hat die britische Monarchie einfach von diesen biografischen Zufällen profitiert. Dann wäre es praktisch so, dass die Institution des Königtums inzwischen eher die Unverwüstlichkeit der beiden epochalen Königinnen symbolisiert als umgekehrt diese die Beständigkeit der Staatsform. Dazu, ob das eine zutreffende Vermutung ist, wird die Regierungszeit von Charles III. wohl das eine oder andere Indiz liefern.
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