Freistetters Formelwelt: Erderwärmung verschlimmert Hagel
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Während ich diesen Text schreibe, strahlt draußen die Sonne, die bunten Blätter der Bäume im Park nebenan leuchten und es ist angenehm warm. Das ist nicht selbstverständlich für den Herbst, der ja durchaus trübes Wetter zu bieten hat. Wenn es nicht nur nebelig ist, sondern zudem noch regnet, wird es besonders unangenehm. Und falls dann kein flüssiges Wasser, sondern festes Eis zu Boden fällt, kann es durchaus auch kritisch werden.
Hagel kann enorme Schäden verursachen, an Häusern und Autos, an Landwirtschaft und Industrie – und wenn die Hagelkörner groß genug sind, können Menschen verletzt oder sogar getötet werden. Aus meteorologischer Sicht muss ein Eisklumpen mindestens 5 Millimeter groß sein, um als Hagel zu gelten (darunter spricht man von Graupel). Wie groß ein Hagelkorn werden kann, hängt einerseits von den Bedingungen in der Atmosphäre ab, andererseits von der Entwicklung des Klimas, wie eine Forschungsarbeit im August 2024 festgestellt hat.
Die Größe der Hagelkörner wurde darin mit Hilfe einer modifizierten Gammaverteilung beschrieben:
\[ N(D) = N_0 D^\mu e^{-\lambda D} \]
N(D) ist dabei die Anzahl der Hagelkörner mit einem Durchmesser D. Mit μ wird die Form der Körner beschrieben (und im Allgemeinen wählt man μ = 1 und geht von einheitlich sphärischen Körnern aus). N0 und λ sind Parameter, welche die Form der Kurve beschreiben. Deren Werte hängen mit den physikalischen Mechanismen zusammen, durch die der Hagel entsteht.
Genau hier mischt sich auch die Klimakrise in die meteorologische Mathematik ein. Hagel bildet sich, vereinfacht gesagt, wenn unterkühltes Wasser in den kalten Schichten einer Gewitterwolke zu Eis gefriert. Die Körner fallen nach unten, werden aber durch die starken Aufwinde in der Wolke immer wieder nach oben getragen, wo sich weitere Eisschichten an die Körner anlagern können. Die Temperatur und Stärke der Aufwinde bestimmen dabei, wie weit ein Hagelkorn maximal wachsen kann, bevor es endgültig zu Boden fällt.
Die Arbeit aus dem Jahr 2024 kam zu dem Ergebnis, dass die Aufwinde in den Wolken stärker werden, weil der menschengemachte Klimawandel die Temperatur der Atmosphäre erhöht, wodurch labilere Wolkenschichten entstehen. Die Hagelkörner werden also größer werden; gleichzeitig sorgt die wärmere Luft dafür, dass die kleineren Hagelkörner schmelzen. Das Fazit: Wenn es in Zukunft hagelt, wird es weniger kleine Körner geben, dafür aber – je nachdem, wie sich die Treibhausgasemissionen in Zukunft entwickeln – bis zu 75 Prozent mehr größere Eisbrocken.
Eine 16-mal größere Wucht
Dass das keine guten Nachrichten sind, liegt auf der Hand. Noch deutlicher wird es, wenn man die Mathematik weitertreibt. Wenn man ein Hagelkorn als Sphäre mit einem Durchmesser D betrachtet, lässt sich recht einfach die Endgeschwindigkeit berechnen, die es beim Auftreffen auf den Boden hat. Dabei stellt man fest, dass das Quadrat dieser Geschwindigkeit proportional zum Durchmesser ist. Um die kinetische Energie (\(E=\frac{mv^2}{2}\)) beim Aufschlag zu bestimmen, benötigt man aber auch noch die Masse, in die der Durchmesser des Hagelkorns mit der dritten Potenz eingeht. Anders gesagt: Die Wucht, mit der so ein Eisbrocken auf die Erde fällt, hängt insgesamt von der vierten Potenz seines Durchmessers ab! Ein doppelt so großes Korn hat also nicht die doppelte Einschlagsenergie – sondern die 16-fache.
Die Klimaforschung sagt schon seit Langem voraus, dass durch die Erhitzung der Atmosphäre die Häufigkeit und das Ausmaß von Extremwetterereignissen ansteigen werden. Das Eintreten dieser Vorhersage können wir mittlerweile immer öfter erleben. Zu den Schäden, mit denen wir in Zukunft rechnen müssen, werden auch die Folgen der größeren Hagelbrocken gehören.
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