Springers Einwürfe: Wie die Menschheit Krisen meisterte
Gerade häufen sich globale Krisen und regionale Konflikte, und die Zukunft scheint in düsterem Nebel zu verschwinden. Werden wir Mittel und Wege finden, die ökologischen und politischen Probleme zu meistern? Immerhin kennen wir Beispiele vom Ende ganzer Zivilisationen. Die präkolumbischen Reiche Amerikas sind Geschichte, und ebenso das antike Rom …
Statt deprimierende Vergleiche mit dieser oder jener historischen Katastrophe zu ziehen, sollten wir vielleicht besser ganz allgemein fragen: Wie hat es unsere Spezies im Lauf der Jahrtausende fertiggebracht, unzählige Unglücke zu überstehen?
Ein internationales Team um den britischen Anthropologen Philip Riris hat in einer umfassenden Studie das Zusammenspiel von lebensbedrohenden Rückschlägen und kultureller Widerstandskraft untersucht. Die Fachleute nahmen sich 16 über den ganzen Globus verteilte Regionen vor, in denen archäologische Funde über einen Zeitraum von 30 000 Jahren das wechselhafte Schicksal der dort ansässigen Menschen dokumentieren. Die gesammelten Daten gaben Aufschluss über das statistische Auf und Ab der lokalen Populationen – und dies wiederum ließ sich mit Unglücken wie Dürren oder Vulkanausbrüchen in Beziehung setzen.
Die Eigenschaft, auf die es in der Studie ankommt, heißt Resilienz. Das bedeutet mehr als bloße Resistenz oder Widerstandskraft. Resistent bin ich, wenn ich bei einem Stoß nicht gleich das Gleichgewicht verliere oder wenn ich eine Infektion gut bewältige. Hingegen heißt Resilienz, dass ich, selbst wenn ich stürze beziehungsweise schwer erkranke, mich danach wieder aufrappele und weiterzumachen vermag.
Prähistorische Resilienz
Die Studie fragte also: Wie rasch erholten sich die Populationen von schweren Rückschlägen? Und von welchen Faktoren hing ihre Resilienz ab?
Aus den statistischen Modellen ergab sich, dass die schwersten und häufigsten Störungen mit Umweltproblemen korrelierten, vor allem mit Dürreperioden, die große Wanderbewegungen auslösten. Im Schnitt war die Resilienz überall relativ hoch: In rund 40 Prozent aller Fälle erreichte die betroffene Population bald – nach einigen Jahrzehnten bis Jahrhunderten – wieder fast ihr vorheriges Niveau.
Dabei ließ sich so etwas wie ein Lern- oder Abhärtungseffekt beobachten. Je häufiger eine der untersuchten Menschengruppen Desaster erlitten hatte, desto widerstandsfähiger und resilienter verhielt sie sich mit der Zeit.
Am deutlichsten zeigte sich dieser Zusammenhang beim allmählichen Übergang der Populationen von Jägern und Sammlern zu Gesellschaften, die Viehzucht und Ackerbau betrieben. Der Vorteil der verbesserten Nahrungsversorgung hatte einen hohen Preis. Die Sesshaftigkeit bedeutete verstärkten Kontakt mit Abfall, Fäkalien und neuen Krankheitserregern sowie gesteigerte Abhängigkeit von Umweltfaktoren.
Das schlägt sich in den Modellen der Studie als signifikante Häufung von Krisen seit rund 12 000 Jahren nieder – aber auch als gleichzeitige Steigerung der Resilienz. Je geschickter und intensiver die Menschen die natürlichen Ressourcen nutzten, desto stärker waren sie zwar an ihre Umwelt gebunden, desto besser lernten sie jedoch zugleich, Rückschläge zu bewältigen.
Somit ergibt der Blick in die Prähistorie ein Bild, das im Großen und Ganzen optimistisch stimmt. Die Menschen werden im Lauf der Zeit, je intensiver sie die Natur bewirtschaften, zugleich krisenanfälliger und resilienter.
Allerdings lässt sich das nicht ohne Weiteres auf die Gegenwart übertragen: Die Studie hat das Schicksal von separaten Menschengruppen untersucht. Angesichts der globalen Umweltkrise muss die Weltgemeinschaft ihre Resilienz erst noch erweisen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.