Freistetters Formelwelt: Mehr Staub für die Welt!
In einer normalen Wohnung muss man üblicherweise nicht lange suchen, bis man irgendwo Staub findet. Ich muss nicht einmal von meinem Schreibtischsessel aufstehen, um die staubigen Stellen hinter dem Computer, in den Ecken des Büros und an viel zu vielen anderen Stellen zu sehen. In meinem Fall ist das der Unlust am Putzen zu verdanken. Für den ganzen anderen Staub, der sich überall auf der Welt befindet, kann ich allerdings nichts. Der entsteht durch Prozesse, die sich unter anderem durch diese Gleichung beschreiben lassen:
Diese nach dem englischen Geologen und Wüstenforscher Ralph Bagnold benannte »Bagnold-Formel« beschreibt das Phänomen der Saltation. So nennt man eine der Arten, auf die sich kleine Sandkörner fortbewegen und dabei Staub in die Atmosphäre transportieren können. Liegt irgendwo loses Gesteinsmaterial herum, kann es durch den Wind bewegt werden. Ist der Wind schwach, rollen die Körnchen nur ein wenig. Ab einer gewissen Windstärke können sie aber in die Luft geschleudert werden und fallen dann wieder zu Boden. Bei dieser Saltation können beim Aufprall der Teilchen am Boden neue, kleinere Gesteinspartikel nach oben geschleudert werden. Je nach Größe ist es möglich, dass sie dann in der Luft mehrere Kilometer zurücklegen oder sich in der Atmosphäre über die gesamte Erde verteilen.
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.
Bagnold entwickelte seine Formel anhand von Beobachtungen, die er 1932 machte, als er während seines Dienstes bei der britischen Armee die Libysche Wüste durchquerte. Die Menge an bewegter Masse wird darin durch q bezeichnet, ρ ist die Dichte der Luft und g die lokale Schwerebeschleunigung. Mit d und D werden charakteristische Größen der Sandkörner beschrieben, C ist eine Konstante, die von der Größenverteilung der Sandkörner abhängt, und u* gibt die Schubspannungsgeschwindigkeit an, die von der Scherspannung zwischen dem Wind und dem sich bewegenden Sand beeinflusst wird.
Staub auf unserem Nachbarplaneten
Bagnolds Formel gilt für die trockenen Bedingungen in der Wüste, für feuchte Böden ist sie nicht anwendbar. Trotzdem ist sie für die Wissenschaft durchaus nützlich; so hat man die Arbeit von Bagnold eingesetzt, um die Bildung von Sanddünen auf dem Mars zu verstehen. Eine 35 Kilometer lange Gruppe von Dünen im Gale-Krater unseres Nachbarplaneten, die der Rover Curiosity der NASA erforscht hat, wurde nach Bagnold benannt.
Auch hier auf der Erde ist es durchaus wichtig zu wissen, wie viel Staub in der Atmosphäre ist, wie er dorthin gelangt und wie er sich verhält. Es befinden sich zirka 26 Millionen Tonnen Staub in der Luft; die Hälfte davon kommt aus den Wüsten Nordafrikas. Weitere 40 Prozent stammen aus den trockenen Regionen Asiens und der Rest aus den Wüstengebieten in Nord-, Südamerika und Australien. Weniger gut erforscht ist hingegen, welche Rolle der Staub in der Atmosphäre spielt. Er kann die kurzwellige Sonnenstrahlung blockieren und damit kühlend wirken. Gleichzeitig kann er aber auch die langwellige Wärmestrahlung der Erde daran hindern, ins All zu entkommen, und unseren Planeten dadurch aufheizen. Die Effekte hängen von der Art des Staubs ab – was umso mehr gilt, wenn man die chemische Wechselwirkung des Staubs mit den restlichen Bestandteilen der Atmosphäre betrachtet oder seinen Einfluss auf die Bildung von Wolken und Niederschlag.
Anfang 2023 kam eine bei »Nature« veröffentlichte Arbeit zu dem Schluss, dass Staub insgesamt eher kühlend wirkt. Darüber hinaus wurde aber auch festgestellt, dass die Staubmenge seit der Mitte des 19. Jahrhunderts angestiegen ist. Das werde in den Klimamodellen jedoch nicht exakt genug dargestellt. Das heißt, der Staub hat die Welt in den letzten Jahrzehnten ein bisschen gekühlt, diesen Effekt hat man bisher allerdings nicht berücksichtigt. Oder anders gesagt: Die Klimakrise ist ein klein wenig schlimmer, als wir bisher gedacht haben.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben