Unwahrscheinlich tödlich: Tod durch Sport
Auf die feuchtfröhliche Silvesterparty folgt am Neujahrstag die Erkenntnis: Ein weiteres Jahr ist zu Ende gegangen. Und unter Umständen ist nicht alles so gelaufen, wie man es sich zu Beginn erhofft hatte. In den Januar startet so mancher deshalb mit guten Vorsätzen. Ganz oben steht bei vielen das Ziel, mehr Sport zu treiben. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten – es gibt nämlich auch ein Zuviel des Guten. Insbesondere ein abrupter, intensiver Trainingsstart kann den Körper überfordern und sogar zum vorzeitigen Tod führen.
Bereits 1987 beschrieben die dänischen Mediziner Liselotte Lonka und Robert Smith Pedersen, wie ein Mann während eines Marathons zusammengebrochen war. Der 27-Jährige hatte knapp acht Kilometer zurückgelegt, als er einen Kreislaufkollaps erlitt. Nach zwei Tagen im Krankenhaus versagten seine Nieren. Obwohl das Personal darum kämpfte, ihn zu stabilisieren, verstarb er vier Tage später. In seinem Muskelgewebe waren deutliche Schäden sichtbar, die wahrscheinlich auf die vorherige körperliche Anstrengung zurückgingen. Im selben Jahr berichteten britische Ärzte von einem zuvor fitten Marathonläufer, der knapp vor der Ziellinie kollabiert war. Die Intensivstation verließ auch er nicht mehr lebend. Als Todesursache nannten die Autoren zwar einen Herzinfarkt, doch sie hoben hervor, wie stark seine Beinmuskeln in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Inwiefern das zu seinem Tod beigetragen hat, diskutierten sie jedoch nicht.
Jung, fit … und besonders gefährdet
Beide Männer hatten eine Rhabdomyolyse entwickelt. So bezeichnet man ein Syndrom, bei dem Muskelfasern zerfallen und damit im Körper für Probleme sorgen. Häufig tritt das bei jungen und relativ fitten Personen auf, nachdem sie ein überambitioniertes Workout absolviert haben. Dabei beanspruchen sie ihre Muskeln so stark, dass diese erheblichen Schaden nehmen – und zwar in einem Maß, das weit über das eines Muskelkaters hinausgeht. Zellen im Gewebe gehen zu Grunde, ihre Hülle platzt auf und ihr Inhalt quillt nach außen, woraufhin der Muskel schmerzhaft anschwillt. Das kann in ein so genanntes Kompartmentsyndrom münden. Hier erhöht sich der Druck im Gewebe so stark, dass teilweise die Blutzufuhr abgeschnitten wird. Notoperationen, bei denen der Muskel frei gelegt wird, bis er wieder abschwillt, bis hin zu Amputationen können dadurch nötig werden.
Eine gefürchtete Komplikation von Rhabdomyolyse sind Nierenschäden. Sie kommen bei etwa einem Drittel der Betroffenen vor und können im Versagen der Organe enden, so wie es bei dem jungen dänischen Patienten der Fall war. Das liegt daran, dass schädliche Stoffe aus den zerstörten Muskelzellen austreten und über den Blutkreislauf in die Nieren gelangen. Vor allem Myoglobin – ein Protein, das Sauerstoff bindet – ist ein bekanntes Nierengift. Der »rote Muskelfarbstoff« kann sich bei Rhabdomyolyse im Urin ansammeln und diesen bräunlich verfärben. Wer also nach einem intensiven Training neben Muskelschwäche und anhaltenden Schmerzen einen tee- oder colafarbenen Harn bemerkt, sollte sich besser ärztlich untersuchen lassen.
Wobei sich Menschen am ehesten zu Tode verausgaben
Häufig kommt Rhabdomyolyse übrigens in zwei Gruppen vor: zum einen bei Personen, die besonders fordernde Fitnessprogramme starten. Ganzkörpertrainings wie Crossfit beanspruchen in kurzer Zeit viele unterschiedliche Muskelgruppen. Ambitionierte Sportneulinge sollten gerade zu Beginn darauf achten, sich bei solchen Workouts nicht zu übernehmen. Doch fitte Sportlerinnen und Sportler sind ebenso wenig vor Muskelschäden gefeit. Es gibt zum Beispiel Berichte über entsprechende Fälle bei gut trainierten American-Football-Spielern und Schwimmern.
Zum anderen beschreiben viele Studien Betroffene bei Militärübungen. Im Jahr 2000 berichteten Ärzte und Ärztinnen etwa von einem Mann, der beim Fitnesstest der US-amerikanischen Armee zu Tode kam. Der 33-Jährige brach während eines kurzen Laufs zusammen und wurde sofort ins Krankenhaus gebracht. In seinem Urin hatte sich bereits eine beträchtliche Menge Myoglobin angesammelt. Seine Nieren waren schwer geschädigt und in den Muskeln seiner Beine kam es zum Kompartmentsyndrom. In der Folge erlitt er ein Multiorganversagen und verstarb. Wahrscheinlich hatte eine Crashdiät zu diesem Ausgang beigetragen: In den zwei Wochen vor dem Test hatte er laut Angabe seiner Partnerin knapp acht Kilogramm verloren. Zusätzlich hatte er eine Reihe von rezeptfrei erhältlichen Medikamenten eingenommen, darunter auch solche, die entwässernd wirken. Flüssigkeitsmangel ist ein bekannter Risikofaktor für Rhabdomyolyse.
Manche Personen sind aus anderen Gründen gefährdet. Menschen mit Sichelzellenanämie etwa haben ausgesprochen schlechte Karten, wenn sie über ihr körperliches Limit gehen. Entwickeln sie nach physischer Überanstrengung eine Rhabdomyolyse, besteht für sie ein 37-fach erhöhtes Risiko, an deren Folgen zu sterben. Die Erbkrankheit verändert die Form der roten Blutkörperchen und bedingt eine chronische Blutarmut. Wieso sich das in diesem Zusammenhang oft fatal auswirkt, ist noch nicht abschließend erklärt. Fachleute gehen davon aus, dass die Krankheit den Sauerstoffmangel im Muskel verstärkt und zusätzlich schädigende Autoimmunmechanismen anstößt. Auch bestimmte Medikamente begünstigen das Syndrom. Zu ihnen zählen Cholesterinsenker, Antidepressiva und Entzündungshemmer.
Wer sich also vornimmt, dieses Jahr mehr Sport zu treiben, geht es besser erst mal ruhig an und verausgabt sich nicht gleich bei den ersten Trainingseinheiten. Körperliche Betätigung mag zwar gesund sein, doch im Übermaß gilt die Binsenweisheit »Sport ist Mord«. Mir persönlich kann in der Hinsicht übrigens gar nichts passieren, denn ich bin etwa so bewegungsaffin wie ein Koala im Eukalyptusbaum.
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