Lexikon der Biochemie: Membranlipide
Membranlipide, Lipide, die die Lipiddoppelschicht von Biomembranen bilden. M. können in struktureller Hinsicht auf verschiedene Weisen klassifiziert werden. Die gegenwärtige Klassifizierung (Abb.) teilt sie in Phospholipide, Glycolipide und Sterine ein.
Die Biosynthese der M. findet auf der cytosolischen Seite der Doppelmembran des endoplasmatischen Reticulums (ER) statt. Zum Aufbau der Doppelschicht wird ein Teil der M. mit Hilfe von Flippasen auf die Lumenseite des ER transportiert. Von eukaryontischen Zellen ist bekannt, dass M. zwischen verschiedenen Membrantypen in Form von Membranfragmenten übertragen werden. Beispielsweise werden Teilstücke des endoplasmatischen Reticulums, einem Ort aktiver Membranlipidsynthese, in Golgi-Zisternen inkorporiert, von welchen kleine Membranvesikel, die sekretorische Produkte enthalten, abgeschnürt werden. Diese Vesikel werden anschließend Bestandteile der Plasmamembran, wenn sie im Verlauf der Sekretion ihres Inhalts durch Exocytose mit dieser verschmelzen (Membran-Recycling). Vermutlich existieren für den Transport von M. zu anderen Zellorganellen ähnliche Prozesse.
Die verschiedenen M. sind vermutlich alle an der "kollektiven" Funktion zur Aufrechterhaltung der Fluidität beteiligt, d.h. sie gewährleisten den Grad an Fluidität, der für das normale Funktionieren der Membran unter den gegebenen Umweltbedingungen notwendig ist. Diese Fluidität entspricht ungefähr der von Olivenöl bei Raumtemperatur. Die Kohlenwasserstoffketten von Phospho- und Glycolipiden spielen bei der Festlegung der Fluidität eine dominante Rolle, sie wird jedoch durch Größe und Ladung der polaren Kopfgruppen moduliert, wie aus ihrer Wirkung auf die Übergangstemperatur (Tc) einer Auswahl von Lipiden in der Tabelle zu erkennen ist. Unterhalb von Tc verhält sich die Doppelschicht, die sich aus einer gegebenen Molekülart zusammensetzt, wie ein Feststoff. Wenn die Temperatur schrittweise erhöht wird, wird ein Punkt (Tc) erreicht, an dem ein Phasenübergang stattfindet, an dem die Doppelschicht "schmilzt". Der Phasenübergang ("Schmelzpunkt") erstreckt sich über einen Bereich von 10-25°C. Damit die Membranen eines Organismus ihre normalen Aufgaben erfüllen können, muss die Mischung ihrer Doppelschichtlipide derart beschaffen sein, dass dieser "funktionelle Fluiditätsbereich" über einen weiten Bereich an Umgebungstemperaturen gewährleistet ist, einschließlich täglicher (Tag = warm/Nacht = kalt) und jahreszeitlicher (Sommer = heiß/Winter = kalt) Schwankungen. Verschiedene Mikroorganismen sind nachweislich in der Lage, den "funktionellen Fluiditätsbereich" ihrer Membranen als Antwort auf längerdauernde Veränderungen der Umgebungstemperatur anzupassen, indem sie den Fettsäureacylteil ihrer Phospho- und Glycolipide ändern. Eine Temperaturerhöhung bewirkt eine Verschiebung zu längerkettigen, gesättigteren Fettsäureresten, während ein Abfallen der Temperatur eine Verlagerung zu kürzerkettigen, ungesättigteren bzw. verzweigteren Fettsäureresten bewirkt. Dieser Prozess heißt homöoviskose Adaptation und wird durch die Wirkung von spezifischen Lipasen und Acyltransferasen an dem in der Membran verbleibenden Lipid ausgeführt. Die homöoviskose Adaptation ist für die Anpassung an tägliche Temperaturänderungen ungeeignet. Hier helfen die Sterine, die – abhängig von den Umständen – auf die Membranfluidität zwei gegensätzliche Wirkungen ausüben. Wenn Sterine, z.B. Cholesterin, in Doppelschichten inkorporiert werden, vermindern sie unterhalb von Tc die Fluidität, da sie Beweglichkeit der Phospho- und Glycolipide behindern (kondensierender Effekt). Oberhalb Tc erhöhen Sterine dagegen die Fluidität (verflüssigender Effekt). Die kombinierten Wirkungen der kondensierenden und verflüssigenden Eigenschaften von Sterinen erweitern den Temperaturbereich beträchtlich, in dem die Membran funktionell fluid ist.
Zusätzlich zu ihrer kollektiven Funktion, die Membranfluidität aufrecht zu erhalten, weisen einige M. spezifische Funktionen auf. Beispielsweise fungieren viele Glycolipide mit großen Oligosaccharidkopfgruppen als Rezeptoren, die an der immunologischen Abwehr, Zelldifferenzierung sowie Organellen- und zellulären Erkennung beteiligt sind. Membranproteine.
Membranlipide. Abb. Klassifizierung der Membranlipide.
Membranlipide. Tab. Phasenübergangstemperaturen einiger Glycerophospholipide.
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Phosphatidylcholin | 14:0 /14:0 16:0 /16:0 18:0 /18:0 18:1(sn-1) /18:0(sn-2) 18:0(sn-1) /18:1(sn-2) 16:0(sn-1) /18:1(sn-2) 18:1/18:1 | 23 40,5 58 15 3 -5 -22 | |
Phosphatidylglycerin | 16:0 /16:0 | 41 | |
Phosphatidylserin | 16:0 /16:0 | 53 | |
Phosphatidylethanolamin | 16:0 /16:0 | 64 |
Tc = Temperatur des Übergangs vom festen Gelzustand in einen flexiblen, flüssigkeitsähnlichen flüssigkristallinen Zustand.
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