Lexikon der Biologie: alkoholische Gärung
alkoholische Gärung, Ethanolgärung, Äthanolgärung, Umwandlung von Glucose in Ethanol (Ethylalkohol) und Kohlendioxid im anaeroben Stoffwechsel (anaerob, Anaerobier) vieler Organismen. Hauptproduzenten von Ethanol sind Hefen ( ä vgl. Abb. ), besonders Stämme von Saccharomyces cerevisiae (Saccharomyces), aber auch Arten von Aspergillus, Fusarium und Mucor (Mucorales). Bei der alkoholischen Gärung wird Glucose wie in der Glykolyse (oder Milchsäuregärung) bis zum Pyruvat (Brenztraubensäure) abgebaut. Von Pyruvat wird anschließend Kohlendioxid abgespalten. Es entsteht Acetaldehyd, der durch NADH (aus der Glykolyse) zu Ethanol reduziert wird. Das oxidierte NAD+ (Nicotinamidadenindinucleotid) steht dann wieder als Wasserstoffakzeptor in der Glykolyse zur Verfügung. Die summarische Gleichung der alkoholischen Gärung (C6H12O6
2 C2H5OH + 2 CO2) wurde bereits von J.L. Gay-Lussac (1815) aufgestellt. Die bei dieser Reaktion freiwerdende Energie (88 kJ/mol) wird zum Teil in der Zelle in Form von ATP (Adenosintriphosphat) gespeichert, das in Substratstufenphosphorylierungen entsteht; der größte Teil wird als Wärme freigesetzt. Die optimale Gärtemperatur liegt zwischen 30 und 37 °C; der Zuckergehalt sollte 20–25% nicht überschreiten; die obere Grenze der Gärfähigkeit liegt bei 30–32%. Wichtigstes Nebenprodukt der alkoholischen Gärung ist Glycerin, das durch besondere Kulturmethoden auch als Hauptprodukt gewonnen werden kann (Neubergsche Gärungsformen). – Die ersten Befunde (F.T. Kützing, 1836; T.A.H. Schwann, 1837; C. Cagniard de la Tour, 1838), daß die alkoholische Gärung durch sehr kleine Pflanzen ("Zuckerpilze") verursacht wird, fanden keine Anerkennung, und die biologische Theorie der Gärung wurde von den führenden Chemikern jener Zeit (J.J. von Berzelius, F. Wöhler, J. von Liebig) heftig bekämpft. Erst durch die Untersuchungen von L. Pasteur (1860) setzte sich die Erkenntnis durch, daß Gärungen biologische Stoffumwandlungen sind. E. Buchner (1897) stellte jedoch fest, daß die Reaktion auch im Zellsaft zerriebener Zellen stattfindet, und zeigte damit zum ersten Mal, daß komplexe biochemische Prozesse zellfrei ablaufen können (zellfreie Systeme). Die gesamten notwendigen Enzyme wurden als Zymase bezeichnet. – Bakterien können ebenfalls Ethanol aus Zuckern bilden. Bis auf wenige Ausnahmen, z. B. Sarcina ventricula (Sarcina), werden aber andere Wege der alkoholischen Gärung beschritten als in Hefen (Milchsäuregärung, Entner-Doudoroff-Weg, Zymomonas). – Die alkoholische Gärung ist wahrscheinlich die älteste biochemische Umwandlung, die der Mensch beherrschen lernte und zur Herstellung alkoholischer Getränke nutzte (Bier, Wein, vgl. Genesis 9, 20). Schon in vorgeschichtlicher Zeit wurde die alkoholische Gärung in besonderen Behältern (Tongefäße, Nußschalen, Lederbeutel usw.) angesetzt, und damit wurden die ersten technischen Verfahren auf mikrobiologischer Grundlage erfunden, ohne daß die Ursache der Umwandlung bekannt war. Heute werden biotechnologisch (Biotechnologie) Hefen und Bakterien nicht nur zur Bereitung alkoholischer Getränke verwendet, sondern auch zur Herstellung von reinem Ethanol und Glycerin eingesetzt. Als Rohstoffe dienen Produkte mit vergärbaren Zuckern oder mit Inhaltsstoffen (Stärke, Cellulose), die sich durch enzymatische oder chemische Behandlung in Zucker (Saccharide) umwandeln lassen. Durch die Suche nach alternativen, erneuerbaren Energieträgern hat in neuerer Zeit die Umwandlung von Biomasse in Ethanol verstärkt an Bedeutung gewonnen, besonders als Zusatz zu Benzin (Bioenergie). Anaerobiose, anaerobe Nahrungskette, Euler-Chelpin (H. von), Gärung, Hansen (E.C.), Lavoisier (A.L. de), Meyerhof (O.F.), Pasteur-Effekt, Warburg (O.H.).
G.S.
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