Lexikon der Biologie: Myosin
Myosins [von *myo- ], ausschließlich in eukaryotischen Zellen (Eucyte) und bei diesen ausnahmslos vorkommendes Motorprotein, das in Wechselwirkung mit Actin an der Erzeugung jeglicher Art plasmatischer Bewegungsvorgänge beteiligt ist. Dazu gehören die Plasmaströmung vornehmlich in Pflanzen- und Pilzzellen, Vesikelfluß (Transportvesikel), Exocytose, Endocytose und ebenso die Formveränderung oder Fortbewegung ganzer Zellen (amöboide Bewegung, kontraktile Proteine, Muskelproteine, Muskelkontraktion). Myosin ist weit weniger konservativ als Actin. So weisen die Myosine unterschiedlicher Zell- und Organismentypen ungeachtet ihrer übereinstimmenden Funktion als Motorproteine stellenweise deutliche Unterschiede in ihrer Aminosäuresequenz und dementsprechend in ihren speziellen Eigenschaften auf. Bis heute wurden insgesamt 14 Klassen von Myosinen beschrieben, unter diesen allein in Säugerzellen 11 verschiedene Myosintypen. Jedes Myosinmolekül gliedert sich in einen kaum variablen (konservativen) Kopfabschnitt (Kopfdomäne), der unmittelbar der Bewegungserzeugung dient, und einen hochvariablen Schwanzteil unterschiedlicher Länge (Schwanzdomäne) zur ortsfesten Fixierung des Moleküls an einem Bewegungswiderlager bzw. zur Ankopplung einer zu transportierenden „Fracht“. Das als erstes isolierte, deshalb zuweilen auch als „konventionell“ bezeichnete Myosin der quergestreiften Säugermuskulatur (quergestreifte Muskulatur) wie auch die Muskelmyosine der übrigen Wirbeltiere und Wirbellosen sind am besten untersucht und zeigen am deutlichsten die funktionsbestimmenden und allen Myosinen als Motorproteinen gemeinsamen Eigenschaften. Mit einer relativen Molekülmasse von 470.000 und einer Moleküllänge von 145 nm sind sie neben dem Titin, gleichfalls ein Muskelprotein, die schwersten und zugleich auch die längsten bekannten natürlichen Proteine. Im Elektronenmikroskop erscheinen Myosinmoleküle in Form von Hockeyschlägern ( vgl. Abb. ). Ihr Schaft, 134 nm lang und 2 nm dick, besteht in der Regel aus 2 in sich α-helikalen (Alpha-Helix) und zudem umeinander gewundenen identischen Proteinketten, die an ihrer aminoterminalen Seite (Aminoterminus) über ein kurzes gelenkiges Halsstück in 2 seitlich abgewinkelte und bewegliche, globulär aufgeknäuelte Köpfchen von 11 nm Länge übergehen ( vgl. Abb. ). In die verknäuelten Proteinkettenenden der Köpfchen sind je 2 weitere kürzerkettige Proteine hineingewunden, so daß das ganze Molekül ein Hexamer darstellt. Durch Trypsin lassen sich der leichtere Schaft (LMM = light meromyosin) und die schwerere Hals-Kopfzone (HMM = heavy meromyosin) voneinander trennen. Unter Einwirkung von Papain kann man die globulären Köpfe vom Molekülrest abtrennen. Die HMM-Köpfe vermögen spontan und reversibel G-Actin zu binden (Actomyosin-Komplex; Actomyosin) und erfüllen zugleich die enzymatische Funktion einer Actin-induzierten ATPase (Adenosintriphosphatasen). In Anwesenheit von ATP können sie sich durch zyklisches Schließen und Lösen von Actinbindungen bei gleichzeitiger Oszillation relativ zum Schaft an Actinketten entlanghangeln (Muskelkontraktion). Abweichend von der Vielzahl der nichtmuskulären, auch als „unkonventionell“ bezeichneten Myosine tierischer Zellen ebenso wie auch von Pilz- und Pflanzenzellen neigen die LMM-Schäfte aller Muskelmyosine dazu, sich in Salzlösungen physiologischer Konzentrationsbereiche zu Bündeln höherer Ordnung, Filamenten (Myosinfilament), zusammenzulagern. – Entsprechend ihren Strukturunterschieden variieren die einzelnen Myosine in ihren spezifischen Eigenschaften beträchtlich. Allein bei den Muskelmyosinen der Wirbeltiere sind eine Reihe von Myosin-Isoformen beschrieben, die sich zwar nur geringfügig in der Zusammensetzung ihrer schweren Ketten, dagegen deutlich in ihrer Reaktionsgeschwindigkeit unterscheiden und in sog. schnellen und langsamen Muskeln in unterschiedlichen Anteilen vorkommen. Wechselwirkungen zwischen Myosin und Actin erfolgen polar nur in einer Bewegungsrichtung, normalerweise zum Zuwachsende des Actins (+-Ende) hin. In jüngster Zeit wurde eine neue, am intrazellulären Vesikeltransport beteiligte Myosinform (Myosin VI) mit umgekehrter Bewegungspolarität beschrieben, deren schwere Ketten eine gegenüber den bisher bekannten Myosinen um 53 Aminosäuren verlängerte Halszone besitzt. – Erkenntnisse über die spezifischen Funktionen der Vielzahl nicht-muskulärer Myosine lassen sich häufig aus der Beobachtung physiologischer Ausfallserscheinungen bei Defektmutanten (Defektmutationen) in den betreffenden Myosingenen gewinnen. So führten Defekte in den Genen einer bestimmten Myosinklasse (VIIa) bei Mäusen zu Taubheit und Störungen des Gleichgewichtssinns, da durch den Funktionsausfall dieses Myosintyps anscheinend plasmatische Transportprozesse im Rahmen der Erregungsübermittlung in den Sinnesrezeptoren (Mikrovilli/„Stereocilien“ und Cilien) von Innenohr und Labyrinth beeinträchtigt werden. Actin-bindende Proteine, Axonema, Calcium, Calciumkanäle, Chromosomenkarte ( Chromosomenkarte I
Chromosomenkarte II
Chromosomenkarte III
Chromosomenkarte IV
), Dynein, Lokalisierung von mRNA, Myosin-Leichtketten-Kinase, Myosin-Leichtketten-Phosphatase, Myxomyosin, Paramyosin, Proteine, sliding-filament-Mechanismus, Szent-Györgyi (A.), Troponin; Muskelkontraktion I
Muskelkontraktion II
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P.E.
Myosin
1 Aufbau des Myosin-Moleküls; 2 Elektronenmikroskopische Aufnahmen einzelner Myosin-Moleküle
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