Lexikon der Biologie: Steinfliegen
Steinfliegen, Wasserfrühlingsfliegen, Afterfrühlingsfliegen, Uferbolde, Uferfliegen, Wasserhafte, Wassermotten, Perlariae, Plecoptera, Ordnung der Insekten mit 2 Unterordnungen (Filipalpia und Setipalpia) und über 2000 Arten in 16 Familien, in Mitteleuropa ca. 100. Der je nach Art 3 mm bis 5 cm große, schlanke, meist dunkel gefärbte, unbehaarte Körper der Imagines weist die typische Dreigliederung der Insekten auf: Der meist dreieckige, abgeplattete Kopf ist gut beweglich am Brustabschnitt eingelenkt. Zwischen den seitlich stehenden, großen Komplexaugen sind 3 Punktaugen im Dreieck angeordnet. Die langen, fadenförmigen Fühler (Antenne) bestehen aus 50–100 Gliedern. Der aus 3 fast gleichartig gebauten Segmenten bestehende Brustabschnitt trägt 3 Paar Laufbeine, die meist dem Grundtyp des Insektenbeins (Extremitäten) entsprechen. Die an Mittel- und Hinterbrust eingelenkten, meist ursprünglich geäderten, 2 Paar Flügel werden in der Ruhe flach über den Hinterleib gelegt und überragen ihn. Die entfalteten Vorderflügel sind länglich, die Hinterflügel haben einen meist dreieckigen Umriß. Die unabhängig voneinander beweglichen Flügel befähigen die Steinfliegen zu einem wenig wendigen, unbeholfenen Flatterflug. Hauptsächlich die Männchen vieler Arten weisen Rückbildungen der Flügel auf, die auch innerhalb einer Art individuell variieren können. Von den 11 Hinterleibssegmenten ist der Rest des ersten mit der Hinterbrust verschmolzen; zum letzten gehören die Subanalplatten (Paraproct) sowie stets 2 unterschiedlich lange Cerci. Die weiblichen Geschlechtsöffnungen liegen bauchseits im 8. Hinterleibssegment, die oft kompliziert gebauten männlichen Begattungsorgane zwischen dem 9. und 10. Hinterleibssegment. Einige Stunden bis Tage nach der in Wassernähe stattfindenden Kopulation werden die zunächst in Klumpen am Hinterleib des Weibchens hängenden Eier ins Wasser abgelegt. Die sich je nach Art in 1–3 Jahren hemimetabol (20–30 Häutungen) im Wasser entwickelnden Larven ernähren sich räuberisch oder von Pflanzen. Im Körperbau unterscheiden sich die Larven, besonders die letzten Stadien, hauptsächlich durch das Fehlen der Flügel und die vollständiger und kräftiger ausgebildeten Mundwerkzeuge. Die kleineren Arten und die jungen Stadien der sehr sauerstoffbedürftigen Larven kommen mit Hautatmung aus. Viele große und mittelgroße Arten besitzen faden-, fächer- oder büschelförmige Tracheenkiemen am Hinterleib und/oder an der Brust. Ihre Lebensräume sind vor allem stark strömende, kalte, sauerstoffreiche Gewässer, z.B. der Bergbach. Verschiedene Arten der Steinfliegenlarven finden durch unterschiedliche physikalische Faktoren (u.a. Temperatur, Strömungsverhältnisse, Verunreinigungen) innerhalb eines Flußlaufs an unterschiedlichen Stellen ihr ökologisches Optimum; es kommt daher zu einer Zonierung der Steinfliegenfauna. Die meisten Arten haben ihr Temperaturoptimum nur wenig oberhalb des Gefrierpunkts; bei höherer oder niedrigerer Temperatur kommt es zu einem Wachstumsstillstand der Larven. Das letzte Larvenstadium verläßt zur Häutung das Wasser. Die Steinfliegenlarven bilden als Nahrung vor allem für Fische ein wichtiges Glied in der Nahrungskette der Gewässer. – Eine der häufigsten Arten ist bei uns die ca. 8 mm große Nemoura cinerea (Familie Nemouridae), die auch in stehenden Gewässern vorkommt. An ihrer gelblichen Zeichnung sind die bis 3 cm großen Imagines der Art Perla marginata (Familie Perlidae; vgl. Abb. ) zu erkennen; sie kommen vor allem an Flußoberläufen der Mittelgebirge vor (Bergbach [Abb.]). Viele in den großen Flüssen vorkommende Arten der Steinfliegen sind nach der Roten Liste (Tab.) durch menschliche Eingriffe bereits ausgestorben oder verschollen, die in den Flußoberläufen lebenden Arten zum Teil im Bestand gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Insekten (Abb.), Saprobiensystem.
G.L.
Steinfliegen
Steinfliege (Perla marginata)
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