Lexikon der Biologie: Termiten
Termiten [von Termitidae], Isoptera, Ordnung der Insekten mit ca. 2000 meist tropischen Arten in 6 Familien ( vgl. Tab. ), nur 2 Arten im Süden Europas. Die Termiten sind staatenbildende Insekten. (Termitenstaaten haben unter den staatenbildenden Tieren die höchste Individuenzahl – bis zu 3 Millionen bei Macrotermes natalensis.) Sie sind nicht mit den Ameisen (falscher Name: „Weiße Ameisen“), sondern mit den Schaben verwandt. Abgeleitete Merkmale der Termiten sind u.a. Eusozialität mit Geschlechtstieren (Königin und König), Soldaten und ArbeiterInnen aus beiden Geschlechtern; Flügel mit basalen Soll-Bruchstellen zum Abwerfen; externe Genitalien rudimentär oder reduziert. Der Körperbau der Termiten variiert je nach Art und Kaste erheblich. Die Größe reicht von ca. 10 mm bis ca. 12 cm (Königin der Art Odontotermes fidens). Die Königinnen der Art Macrotermes natalensis können bei prall mit Eiern gefülltem Abdomen bis 14 cm lang werden. Der meist schlanke, blaß gefärbte, schwach sklerotisierte Körper ist immer deutlich in Kopf, Brustabschnitt und Hinterleib gegliedert. Der überwiegend frei bewegliche, rund bis oval gebaute und flach gewölbte Kopf trägt ein Paar Komplexaugen, die nur bei den Geschlechtstieren vollständig ausgebildet sind. Die Arbeiter ( vgl. Abb. ) sind häufig blind. Die 14- bis 34gliedrigen, perlschnurartigen Fühler stellen die wichtigsten Orientierungs- und Kommunikationshilfen dar. Die schon bei den Arbeiterinnen und Geschlechtstieren kräftig gebauten, beißend-kauenden Mundwerkzeuge sind bei der Kaste der großköpfigen Soldaten ( vgl. Abb. ) erheblich vergrößert und stellen gegen Angreifer des Nestes eine gefährliche Waffe dar. Je nach Art kommen verschiedene Morphen dieser Soldaten vor: Bei den Kiefersoldaten sind die häufig unsymmetrischen Oberkiefer (Mandibeln) vergrößert und mit kräftiger Muskulatur ausgestattet. Die Soldaten der Nasentermiten (Familie Rhinotermitidae) werden wegen eines aus den Unterlippen gebildeten gegabelten Fortsatzes Gabelnasuti genannt. Alle Soldaten können sich zudem mit dem klebrigen, oft giftigen Sekret einer Stirndrüse (Wehrdrüse; Frontaldrüse) verteidigen, die bei den Nasensoldaten (Nasuti) der Gattung Nasutitermes (Familie Termitidae) besonders gut ausgebildet ist. Von den 3 etwa gleich großen Brustabschnitten ist bei den Termiten meist der vordere gut beweglich. Jedes Segment trägt je 1 Beinpaar; Flügel haben nur die Geschlechtstiere in der Schwärmphase. Deutlich sind die 10 Segmente des breit am Brustabschnitt ansetzenden Hinterleibs unterscheidbar. Das 10. Segment trägt ein Paar Cerci. Die Geschlechtsöffnungen befinden sich zwischen dem 9. und 10. (Männchen) bzw. 7. und 8. (Weibchen) Hinterleibssegment. – Die Zugehörigkeit zu den verschiedenen Kasten wird bei den Termiten wahrscheinlich nicht genetisch bestimmt, sondern zumindest zum Teil durch Pheromone. Die meist blaß gefärbten Arbeiter können sowohl männlichen als auch weiblichen Geschlechts sein; stets sind die Geschlechtsorgane verkümmert. Ihnen obliegen im Termitenstaat alle Arbeiten außer der Verteidigung und der Fortpflanzung, so auch die Ernährung der übrigen Kasten und der Brut. Bei manchen Arten fehlen die Arbeiter; ihre Aufgaben werden dann von Altlarven verrichtet, die das Imaginalstadium nicht erreichen (Scheinarbeiter, Pseudergaten). Die Nahrung der Termiten besteht meist aus cellulosehaltigen pflanzlichen, auch sich zersetzenden Stoffen, bei primitiveren Arten ausschließlich aus Holz; die Arten der Familie Termitidae sind Allesfresser. Die Cellulose wird mit Hilfe von endosymbiontischen Bakterien (nur Familie Termitidae) und Flagellaten (alle übrigen Termiten) in einem Teil des Darms aufgeschlossen ( Endosymbiose ). Einige Arten der Termiten züchten in speziellen Kammern ihrer Nester Pilze als Nahrung (Termitenpilze, Pilzgärten). Die in Form und Größe sehr verschiedenartig gebauten Nester ( vgl. Abb. ) werden je nach Art in Bäumen, in Holz oder im Boden angelegt. Baumaterialien sind Erde, zerkleinertes pflanzliches Material, Papier und ähnliches, auch in Kombination, häufig mit Speichel oder Kot verstärkt. Fast das gesamte Leben der feuchtigkeitsliebenden Termiten spielt sich innerhalb des meist kompliziert gekammerten, auch unterirdisch mit Gängen und Galerien versehenen Nestes ab, das durch Luftschächte, Isolierungen und ähnliche Konstruktionen perfekt klimatisiert ist. Im Gegensatz zu den sog. nicht-konzentrierten Nestern der primitiveren Familien der Termiten ist der Aufbau der sog. konzentrierten Nester höher organisiert: In einer zentral gelegenen Kammer ist die über 10 Jahre alt werdende Königin eingemauert, in daran anschließenden Schichten folgen die Kammern für Eier und junge Larven (Brutschicht), darauf nach außen die Wohnschicht mit Kammern für die älteren Larven und die Geschlechtstiere. Die Nester erreichen Höhen von mehreren Metern. Die Kompaßtermite (Amitermes meridionalis) legt die Giebelseiten ihres schmalen, hausähnlichen, bis zu 5 m hohen Bauwerks stets in Nord-Süd-Richtung an, um eine starke Aufheizung durch die Sonne zu vermeiden. Die Kommunikation und Erkennung zwischen Mitgliedern eines Staates erfolgen durch taktile Reize und durch Duftstoffe; z.B. wirkt Limonen als Alarmstoff. Der Gründung eines neuen Termitenstaats geht die Schwärmphase der Geschlechtstiere (Hochzeitsflug) aus dem alten Nest voraus. Erst wenn ein Paar einen geeigneten Platz für ein Nest gefunden hat, erfolgt die Begattung. Innerhalb ihres bis zu 10 Jahre dauernden Lebens kann eine Königin ( vgl. Abb. ), das fertile Weibchen, mehrere Millionen Eier ablegen; sie wird dabei mehrmals vom König ( vgl. Abb. ), dem einzigen fertilen Männchen, begattet. Die Larven entwickeln sich hemimetabol in 200–400 Tagen zu den Imagines. – Die Bedeutung der Termiten konzentriert sich auf die Schadwirkung durch die Zerstörung von Holz an Bauwerken und den Fraßschaden an vielen Kulturpflanzen, wie Citrus-Pflanzungen, Weizen, Gummibäumen und vielen anderen. Daneben sind die Termiten als bodenauflockernde und -bildende Tiere und als Nahrungsmittel nützlich. Natürliche Feinde der Termiten sind unter den Säugetieren die Ameisenfresser. Regelrechte Raubzüge zu Termitennestern führen viele Arten von Ameisen aus. In der Schwärmphase werden die Geschlechtstiere leichte Beute von räuberischen Insekten, wie z.B. Grabwespen, Laufkäfern sowie von Spinnen. – Die Verwandtschaft zu den Schaben ist bei der primitiven Familie Mastotermitidae der Termiten mit der einzigen rezenten nordaustralischen, im Holz lebenden Riesentermite oder Darwintermite(Mastotermes darwiniensis) noch deutlich erkennbar. Die Familie ist ansonsten mit etwa 20 weiteren Arten aus Europa, Amerika und Australien nur fossil bekannt. Bedeutende Holzschädlinge gibt es unter den primitiveren Trockenholztermiten (Familie Kalotermitidae), wie viele Arten der Gattung Cryptotermes. Die Gelbhalstermite (Kalotermes flavicollis, Calotermes flavicollis) kommt auch in Südeuropa vor. Die in Afrika und Südostasien verbreiteten 3 Gattungen der Erntetermiten (Familie Hodotermitidae) ernähren sich von Gräsern, die sie in ihren Bau eintragen. Arten der weit verbreiteten Nasentermiten (Familie Rhinotermitidae), besonders die Gelbfußtermiten (Reticulitermes flavipes), werden zuweilen in Hafenstädten Mitteleuropas eingeschleppt und können dort in Lagerhäusern durch Zerfressen der Balken schädlich werden. Coptotermes formosanus (Familie Rhinotermitidae), die in den USA nicht selten die Häuser bedroht, stammt ursprünglich aus Ostasien. Sie tauchte gegen Ende des 2. Weltkriegs erstmals in New Orleans auf. Vermutlich diente eine befallene Holzkiste als Versteck. Odontotermes (früher Cyclotermes) formosanus (Familie Termitidae, Unterfamilie Macrotermitinae) spielt in Südostasien eine Rolle als Schädling. Mehr als 3/4 aller Arten gehören zur höchstentwickelten Familie der Termiten, den Termitidae. Termitengäste; Afrika IV , Insekten I , Tierbauten .
G.L./H.P.
Lit.:Abe, T.D.E., Bignell, M., Higashi (eds.): Termites: Evolution, Sociality, Symbiosis, Ecology. Dordrecht 2000. Donovan, S.E., Jones, D.T., Sands, W.A., Eggleton, P. (2000): The morphological phylogenetics of termites (Isoptera). Biological Journal of the Linnean Society 70: 467–513. Schmidt, H.: Die Termiten. Leipzig 1955. Thorne, B.L. (1997): Evolution of eusociality in termites. Annual Review of Ecology and Systematics 28: 27–54.
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