Lexikon der Geowissenschaften: Legende
Legende, [von lat. legenda = eine zu lesende Schrift], Kartenlegende, Zeichenerklärung, auf Gemälden, Holzschnitten und Kupferstichen der die Darstellung erläuternde Text des sogenannten Spruchbandes. Dementsprechend werden die auf historischen Karten häufig zu findenden Textfelder mit erläuternden Schriftzusätzen als Legende bezeichnet. Heute wird der Begriff einerseits gleichbedeutend zur verbalen und numerischen, auch graphischen Erklärung der zur Darstellung des Karteninhalts verwendeten Kartenzeichen und andererseits für die Gesamtheit der Erklärungen und Erläuterungen auf einem Kartenblatt verwendet. Die Legende ist neben dem Kartenbild, dem Kartentitel und der Maßstabsangabe der wichtigste Bestandteil der Karte. Sie gibt erschöpfende Auskunft über die Transkription des der Karte zugrundeliegenden Begriffsapparates in die kartographische Zeichensprache und in spezifisch kartographische Ausdrucksmittel, d.h. über die vereinbarte Bedeutung der einzelnen Kartenzeichen. Im Kontext mit dem Kartentitel liefert sie den Schlüssel für das Verständnis der Karte und die Erschließung ihres Inhalts, d.h. die Rückübersetzung der Graphik in Begriffe. Aus der Sicht der Semiotik stellt die Legende in erster Linie die semantischen Beziehungen zwischen den Kartenzeichen und den Begriffen her, wenngleich sie, als Zeichensystem betrachtet, selbstverständlich auch syntaktische Aspekte (Beziehungen der Kartenzeichen untereinander) und sigmatische Aspekte (Beziehungen der Kartenzeichen zu den dargestellten Objekten) aufweist. Modelltheoretisch kann die Legende als nicht-georäumlich determiniertes Modell (Georaum) der in der Karte abgebildeten Wirklichkeit aufgefaßt werden. Sie ist der um die konstruktiven Details reduzierte, erklärte Zeichenschlüssel. Während jedoch der Zeichenschlüssel das Substrat für die Konstruktion des kartographischen Modells liefert, bietet die Legende eine der wesentlichen Grundlagen für die Modellnutzung (Kartennutzung).
Ein entsprechend hoher Stellenwert kommt dem Entwurf (Autorenoriginal) und der Gestaltung von Legenden zu (Kartenredaktion), die folgenden Grundregeln genügen sollten: a) Alle in der Karte auftretenden Kartenzeichen sind zu erklären, nicht vorkommende Zeichen sind wegzulassen oder mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen. In Handatlanten können die Kartenzeichen getrennt nach Maßstäben, in thematischen Atlanten die Basiselemente in einer gesonderten, für alle Karten geltenden Legende erklärt werden. Auf diese, meist ausklappbare Generallegende ist in den Karten oder im Einführungstext hinzuweisen. Ähnliches trifft für vielblättrige topographische und thematische Kartenwerke zu, deren Blätter auf dem Kartenrand häufig eine verkürzte Legende aufweisen, während die Bedeutung mancher Kartenzeichen nur anhand eines separaten Legendenblattes erschlossen werden kann. Jedoch ist die getrennte Wiedergabe von Karte und Legende auf verschiedenen Blättern oder Seiten als Kompromiß anzusehen. Eine weitgehend überholte und unpraktische Form der Legende ist die Aufreihung von numerierten Kartenzeichen in einer freien Fläche der Karte, die anhand der Nummern auf einer anderen Seite, u.U. gar auf der Kartenrückseite erklärt werden. Sie ist nur für vielzeilige Erklärungen komplexer Karteninhalte (Komplexkarte) vertretbar; den Nummern sollte zumindest ein prägnanter Begriff beigefügt sein. b) Das Layout der Legende ist stets als Teil des Kartenlayouts zu verstehen und damit auf den Feinheitsgrad des Kartenbildes abzustimmen. Die Legende sollte nach Möglichkeit rechts und/oder unten auf dem Kartenblatt bzw. der Seite angeordnet werden. In Inselkarten lassen sich die Flächen zwischen der Karte und dem Kartenrahmen nutzen. Das zu erklärende Kartenzeichen steht links; rechts davon, etwas abgerückt, die Erklärung. c) Die begriffliche, meist hierarchische Ordnung des Karteninhalts muß sich in einer klaren Gliederung der Legende widerspiegeln. Zu diesem Zweck wird die Legende in Blöcke oder Spalten aufgeteilt, denen inhaltliche Teilkomplexe entsprechen, welche in der Regel mit den Darstellungsschichten korrespondieren. Vor allem in Synthesekarten sind matrizenartige Legendenteile von Vorteil. Soweit sich im Legendenlayout eine Abfolge der Erklärung herstellen läßt (von oben nach unten, von links nach rechts), kann sich diese an der Gliederung des Karteninhalts oder aber an der Hierarchie der Wahrnehmung (zuerst Flächen, gefolgt von Diagrammen, zuletzt Liniensignaturen und Positionssignaturen) orientieren. Diese Aufteilung wird durch die Schriftgestaltung unterstützt, wobei eine deutliche Unterscheidung zur besonders hervorgehobenen Schrift des Kartentitels zu berücksichtigen ist. Zwischentitel (Titel der Legendenblöcke) werden durch größere und/oder fette Schriften hervorgehoben. Auf mittlerer Ordnungsstufe werden mittelgroße Schriften verwendet, während die Erklärung des einzelnen Kartenzeichens in kleiner, aber gut lesbarer Schrift erfolgt. d) Der erklärende Text muß knapp, aber treffend formuliert sein. Die Formulierung gliedernder Zwischentitel soll die Begriffshierarchie Kartentitel – Zwischentitel – Einzelerklärung verdeutlichen. Vollständige Sätze, überflüssige Artikel, Wiederholung von Begriffen aus übergeordneten Textteilen sind zu vermeiden. Die Erklärung steht im Singular, soweit nicht durch das erklärte Kartenzeichen tatsächlich eine räumliche Gruppierung mehrerer Objekte auszudrücken ist z.B. "Erdfall", wenn eine Positionssignatur eine entsprechende Hohlform darstellt, "Erdfälle" für eine Schraffur, die ein Gebiet abgrenzt, in dem sich mehrere dieser Hohlformen befinden (Pseudoareal). Von großer Bedeutung ist die Angabe von Bezugseinheiten (Bezugsfläche), Bezugszeitpunkten und -zeiträumen, soweit diese nicht im Kartentitel enthalten sind. Diese Informationen werden günstigerweise durch entsprechende Schriftgestaltung (z.B. kursiv) hervorgehoben. Ebenso ist mit Maßeinheiten zu verfahren. Sie können in gebräuchlicher Abkürzung angegeben werden, selten benutzte Abkürzungen bedürfen der Erklärung. VielstelligeZahlenangaben beanspruchen Platz und beeinträchtigen die Lesbarkeit. Sie lassen sich in der Regel durch Zusätze im Zwischentitel, wie "in Tausend" oder "in Millionen", verkürzen. e) Die Klassifizierung von Merkmalen läßt sich auf verschiedene Weise ausdrücken. Jedoch müssen die Klassengrenzen eindeutig aus der Erklärung hervorgehen. Ihre allzugenaue Angabe (z.B. mit mehreren Kommastellen) ist der Lesbarkeit abträglich und häufig unbegründet, da sie eine Genauigkeit vortäuscht, die die zugrundeliegenden Daten ohnehin nicht aufweisen. f) Der Wertmaßstab von Signaturen oder Diagrammen, aber auch andere quantitativ dargestellte Kartenelemente werden in der Legende platzsparend durch graphische Darstellungen mit dem Charakter von Nomogrammen erklärt. g) Die Legende kann durch erläuternde Zusätze über die reine Erklärung der Kartenzeichen hinausgehen. Diesbezügliche Texte sind durch Variation der Schrift oder andere Mittel vom erklärenden Legendentext abzusetzen. Dies betrifft u.a. Definitionen der verwendeten Begriffe, wenig gebräuchliche Maßeinheiten, aber auch die verbale Erläuterung der verwendeten Leitsignaturen und Leitfarben. Eine gesonderte, ausführliche Kartenerläuterung vermögen sie jedoch selten zu ersetzen. h) In die Legende komplizierter Themakarten können darüber hinaus Beispiele für die Interpretation des Karteninhalts aufgenommen werden, wie es z.B. in manchen Satellitenbildkarten praktiziert wird. Die Legende von Bildschirmkarten weist, bedingt durch die Auflösung und das Format des Bildschirms sowie durch den Grad der Interaktivität der Darstellung, Besonderheiten auf (interaktive Legende). Ihre bevorzugte Position ist der rechte Bildschirmrand. Sie kann aber auch als verschiebbares Rollup-Menü variierbarer Größe ausgelegt sein. Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung und Interpretation der Kartenzeichen ergeben sich, wenn diese durch Vergrößern oder Verkleinern der Karte (Zoomen) in anderen Größen als in der Legende auf dem Bildschirm erscheinen. Ein höherer Grad an Interaktivität ermöglicht es gegebenenfalls durch Anklicken von Legendenzeilen oder zugeordneten Buttons damit verbundene Darstellungsschichten ein- oder auszublenden. Des weiteren können Funktionen zur Veränderung der graphischer Parameter (z.B. von Farben), der Klassifikation der dargestellten Daten, sogar der kartographischen Darstellungsmittel implementiert sein. Hierdurch wird der ursprünglich erklärende Charakter der Legende wesentlich erweitert. Bei entsprechender interaktiver Funktionalität wird die Legende zur Steuerung der Visualisierung von Daten eines Informationssystems benutzbar. Diese Erweiterung bzw. Überlagerung der Funktionen wird besonders augenscheinlich, wenn von angeklickten Objekten der Bildschirmkarte Erklärungen bzw. Einzelinformationen abrufbar sind. [KG]
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