Lexikon der Kartographie und Geomatik: kognitive Karte
kognitive Karte, mentale Karte, E cognitive map, mental map, Begriff für die mentale Repräsentation geographisch räumlichen Wissens, jenes Wissens also, welches wir über räumliche Relationen von im geographischen Raum verorteten Objekten erwerben. In vereinfachter Weise gibt eine kognitive Karte Antwort auf die Frage: was ist wo? Kognitive Karten repräsentieren dabei Wissen über Umgebungen, die größer sind als ein Raumausschnitt, der von einem Standpunkt aus überblickt werden kann, also über den Umgebungsraum oder den geographischen Raum (Raumkognition). Der Aufbau kognitiver Karten erfolgt durch permanente Informationsaufnahme im primären und sekundären Wissenserwerb, d. h. direkt durch Interaktion mit unserer Umwelt oder aus sekundären Wissensquellen, wie beispielsweise Karten. Die Informationen stammen also nicht aus singulären Informationsquellen sondern aus einer Vielzahl verschiedener. Kognitive Karten werden so sukzessiv aufgebaut. Beim direkten Wissenserwerb aus der Umwelt nimmt der Mensch in der Regel Informationen in einem egozentrischen Referenzsystem auf. Aus diesen Informationen baut er dann eine komplexe Repräsentation auf, in der er zu Überblickswissen gelangt. Dieses Wissen ist Grundlage für verschiedene räumliche Problemlöseprozesse wie beispielsweise Wegfinden, Navigation und Karteninterpretation. Organisationsprinzipien kognitiver Karten sind die hierarchische Ordnung von Objekten im Raum und die Verbundenheit geographischer Orte. Von anderen Formen mentaler Repräsentationen unterscheiden sich kognitive Karten durch ihren Raumbezug. Dabei sind in kognitiven Karten nicht ausschließlich räumliche Informationen repräsentiert, immer jedoch Informationen mit einem räumlichen Bezug. Der Begriff kognitive Karte wurde erstmals von E. Tolman (1948) benutzt und hat seitdem vielfältigste Untersuchungen und Fragestellungen elizitiert, die zunehmend interdisziplinär unter Beteiligung von Psychologie, Geographie, Neurowissenschaften, Linguistik und Informatik bearbeitet werden. Die Verwendung einer Kartenmetapher zur Beschreibung mentaler räumlicher Repräsentationen ist dabei nicht unumstritten, da unser Wissen über unsere räumliche Umwelt gerade keine Karte ist, zumindest keine topographische (topographische Karte). Viele Untersuchungen zu kognitiven Distanzen, räumlichem Wissen und zur Raumkognition haben gezeigt, dass wir die Informationen, die wir aus unserer Umwelt aufnehmen, systematisch verzerren. Symmetrie, Reflexivität und Transitivität wie sie aus der euklidischen Geometrie bekannt sind, können nur im begrenzten Maße zur Beschreibung kognitiver Karten verwendet werden; die Axiome der Dreiecksungleichung können verletzt sein und Richtungen sind nur annähernd veridikal repräsentiert (kognitive Richtungen). Die Fähigkeiten des Menschen auf der Grundlage dieses zum Teil ungenauen, unvollständigen oder vagen Wissens Aussagen über seine Umwelt zu generieren, die ausreichend sind, um zu überleben und komplexe Aufgaben wie Wegfinden oder Navigation zu bewältigen, stoßen auf großes Interesse und werden im Bereich der künstliche Intelligenz und der Kognitionswissenschaft auch unter dem Begriff des qualitativen räumlichen Schließens diskutiert. (Abb.).
AKL
Literatur: [1] TOLMAN, E. (1948). Cognitive maps in rats and men. The Psychological Review, 55, 189-208. [2] DOWNS, R.M. & STEA, D. (1982): Kognitive Karten: Die Welt in unseren Köpfen. New York. [3] TVERSKY, B. (1993): Cognitive Maps, Cognitive Collages and Spatial Mental Models. In: Frank, A.U., Campari, I. (Ed.): Spatial information theory: A theoretical basis for GIS. Berlin.
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