Lexikon der Kartographie und Geomatik: topographische Karte
topographische Karte, eine Kartenart, in der alle für die Orientierung und Tätigkeit des Menschen im Gelände notwendigen Gegebenheiten der Erdoberfläche bzw. der Landschaft entsprechend dem Kartenmaßstab vollständig und richtig wiedergegeben werden. Siedlungen, Verkehrswege und -objekte, Grenzen, Gewässer, Bodenbedeckung (Situation) und Reliefformen sowie eine Reihe sonstiger zur allgemeinen Orientierung notwendiger oder ausgezeichneter Erscheinungen bilden den Hauptinhalt topographischer Karten, der durch Kartenschrift eingehend erläutert ist.
Sieht man von vereinzelten frühen topographischen Aufnahmen ab, so entstanden die ersten topographischen Karten ab Mitte des 18. Jhs., von militärischen Institutionen hergestellt und auch vorwiegend militärisch genutzt. Zivile Belange hatten erst in späterer Zeit Einfluss auf Kartenherstellung und -gestaltung. Im 19. Jh. wurden in fast allen europäischen Ländern die Bemühungen zur Herstellung topographischer Karten erheblich verstärkt. Mit der topographischen Aufnahme von Preußen im Jahre 1820 bürgerte sich in Deutschland der Begriff des Messtischblattes ein, der bis in die Mitte des 20. Jhs. ein weithin verbreitetes Synonym für die topographische Karte 1 : 25 000 war. Bis zu dieser Zeit wurden die topographischen Kartenwerke in Europa und schließlich weltweit vervollständigt und verbessert. Ein flächendeckender Kartierungsstand war jedoch auch am Ende des 20. Jhs. noch nicht erreicht.
Topographische Karten existieren heute in Form amtlicher Kartenwerke in unterschiedlichen Maßstäben; in der Bundesrepublik Deutschland 1 : 5 000, 1 : 10 000, 1 : 25 000, 1 : 50 000, 1 : 100 000, 1 : 200 000 und 1 : 1 Mio. Sie sind ferner erhältlich als amtliche und private Stadtkarten, als topographische Spezialkarten, bearbeitet oder mit thematischem Überdruck als Militärausgaben, Wanderkarten usw.
Topographische Karten dienen der Bildung und Information, der Orientierung im Gelände, der Verwaltung und Planung, als Grundlage für wissenschaftliche Untersuchungen und als Basiskarten für thematische Karten sowie als Ausgangsmaterial für Karten unterschiedlichster Art (Touristenkarten, Autokarten, Planungskarten usw.) und werden daher heute als Vielzweckkarten für unterschiedliche Anwendungsbereiche verwendet. In digitaler Form werden die Karten im Sinne von geotopographischen Basisdaten bzw. "digitalen Erdoberflächenmodellen" (R. Harbeck) zunehmend für Anwendungsgebiete wie Fachinformationssysteme, Fahrzeugnavigationssysteme, Verkehrsleitsysteme, räumliche Auskunfts- und Managementsysteme usw. benötigt. Aus diesen vielfältigen Anforderungen ergibt sich die Notwendigkeit, topographische Karten in unterschiedlichen Maßstäben herzustellen und sie analog und digital bereitzustellen.
Topographische Grundkarten enthalten eine vorwiegend grundrisstreue Darstellung bis etwa zum Maßstab 1 : 10 000; topographische Karten im Maßstabsbereich 1 : 20 000 bis 1 : 75 000 verfügen trotz kartographischer Generalisierung über eine weitgehend grundrissähnliche Darstellung, während Karten mit Maßstäben kleiner 1 : 100 000 (topographischen Übersichts- oder Generalkarten) einen deutlich höheren Generalisierungsgrad aufweisen.
Der formale Kartenaufbau ist gegliedert in den Kartenrand mit den Kartenrandangaben, den Kartenrahmen und das Kartennetz sowie das Kartenfeld mit dem Karteninhalt. Der Kartenrand ist die außerhalb des Kartenrahmens gelegene Kartenfläche. Sie enthält Angaben, die zum Lesen, Interpretieren und Auswerten der Karte notwendig sind. Dazu gehören z. B. der Blattname, die Nomenklatur, der Maßstab in numerischer und graphischer Form, die Zeichenerklärung bzw. Legende, Angaben zur Nordrichtung sowie Angaben über den Herausgeber und den Herausgabezeitpunkt. Der Kartenrahmen umfasst die Rahmenlinien und die Koordinatenzahlen für die Bezifferung der Kartennetzlinien, Zahlen und Buchstaben eines Suchnetzes, Anschlusshinweise zu den Nachbarblättern. Topographische Karten sind häufig Rahmenkarten. Der Blattschnitt kann sich an geodätischen Koordinaten orientieren. In diesem Fall ergeben sich Gitternetz- oder Rechteckkarten (z. B. Deutsche Grundkarte 1 : 5 000). Gradnetz- oder Gradabteilungskarten ergeben sich aus der Abgrenzung durch Netzlinien geographischer Koordinaten (z. B. topographische Karte 1 : 25 000). Der Kartenrahmen kann auch (vor allem bei älteren Kartenwerken) als Rechteck unabhängig von den Netzlinien gestaltet sein, z. B. zur optimalen Ausnutzung des Blattformates.
Der Karteninhalt umfasst die graphischen Darstellungen der topographischen Objekte und der Geländeoberfläche. Die Gestaltung amtlicher topographischer Karten wird durch Musterblätter geregelt, die von den Landesvermessungsämtern herausgegeben werden. Für die automatisierte Ableitung der topographischen Karte 1 : 25 000 wird das Datenmodell des Amtlichen Topographisch-Kartographischen Informationssystems (ATKIS) zugrunde gelegt. Die graphische Darstellung des Datenmodells wird durch den ATKIS-Signaturenkatalog geregelt. Es wurde begonnen, die Karte 1 : 25 000 (in den neuen Bundesländern auch 1 : 10 000) aus dem ATKIS-Basis-DLM abzuleiten (vgl. Abb. 1) (DTK 25, DTK 10, vgl. Digitale Topographische Karte)
Die Genauigkeit topographischer Karten hängt ab von der topographischen Aufnahme und vom Kartenmaßstab, aus dem sich der Generalisierungsgrad ergibt. Wird die Kartiergenauigkeit von ca. 0,2 mm angehalten und ein Kartenmaßstab von 1 : 25 000, so ergibt sich für die Koordinaten eines abgegriffenen Punkts eine Genauigkeit von 5 m in der Natur. Mittels kartometrischer Auswertungen (vgl. Kartometrie) können der topographischen Karte weitere Informationen entnommen werden, z. B. Entfernungen, Höhenunterschiede, Geländeprofile und Flächeninhalte. Topographische Karten werden in Deutschland von sämtlichen Landesvermessungsämtern und vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie in analoger Form (Papierkarte) und digitaler Form (Rasterdaten auf CD-ROM) bereitgestellt (vgl. Abb. 1) , in Österreich vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (vgl. Österreichische Kartographie) und in der Schweiz vom Bundesamt für Landestopographie (vgl. Abb. 2) (vgl. Schweizer Kartographie). Für die meisten europäischen Staaten liegen topographische Karten in den Maßstäben 1 : 25 000, 1 : 50 000, 1 : 100 000 und 1 : 200 000 bzw. 1 : 250 000 geschlossen vor, wobei die Erscheinungsformen und der Aktualitätsgrad unterschiedlich sind. Im Gegensatz zur dichten Maßstabsfolge in Europa stehen in vielen außereuropäischen Bereichen reguläre topographische Karten in den Maßstäben 1 : 50 000 und größer nicht ausreichend zur Verfügung (vgl. topographische Erschließung). Neben Deutschland, Österreich und der Schweiz verfügen heute in Europa u. a. auch Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien und die Niederlande sowohl über vektorformatierte digitale topographische Daten, ähnlich dem deutschen digitalen Landschaftsmodell, als auch über rasterformatierte digitale topographische Karten im Sinne von geotopographischen bzw. kartographischen Datenbanken (Tab.). Parallel zu den amtlichen Geodatenbanken sind auch topographische Datenbestände bei Privatfirmen entstanden, insbesondere in Verbindung mit Fahrzeugnavigationssystemen.
GBK, WKH
Literatur: [1] HAKE, G. & GRÜNREICH, D. (1994): Kartographie. Berlin/New York. [2] HARBECK, R. (2000): Eine geographische Basis für Europa – Utopie, Vision, Wirklichkeit? In: Kartogr. Nachrichten, 50. Jg., 103-112.
Topographische Karte (Tab.):Topographische Karte (Tab.): Europäische topographische Datengrundlagen (ausgewählte Länder, z.T. noch im Aufbau, nach Harbeck, 2000).
Topographische Karte 1Topographische Karte 1: Ausschnitte (mit Vergrößerungen) aus der Topographischen Karte 1:25000 von Rheinland-Pfalz und aus der Digitalen Topographischen Karte (DTK) 1:25000 von Rheinland-Pfalz.
Topographische Karte 2Topographische Karte 2: Ausschnitte aus der Landeskarte der Schweiz 1:50000, Blatt 273, Montana, von 1986, 1992 sowie eine nicht realisierte Variante für eine modifizierte Kartengraphik von 1998.
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