Lexikon der Neurowissenschaft: Prägung
Prägung w, Prägungslernen, Eimprinting, eine spezielle Form des obligatorischen Lernens, bei der es zu einem einmaligen und äußerst stabilen Einbau spezifischer individueller Erfahrungen in erblich vorgegebene Verhaltensprogrammstrukturen kommt. Prägung vereint somit die Vorteile individuellen Anpassungsvermögens mit der Sicherheit genetisch relativ stabiler und sich damit phylogenetisch als adaptiv erwiesener Verhaltensprogramme. Grundlage für Prägungsvorgänge ist eine zeitlich begrenzte sensible Phase (kritische Periode) in der ontogenetischen Entwicklung: in dieser Phase besteht eine intensive Bereitschaft, eine bestimmte essentielle Verhaltensweise (z.B. bei den Jungen von Nestflüchtern das Nachfolgen der Eltern) an relevante äußere Reizkonstellationen (als Auslösesituation) zu koppeln. Verstreicht die sensible Phase ungenutzt oder verläuft sie unter unnatürlichen Randbedingungen (z.B. Prägung von Tieren auf den Menschen statt auf die Elterntiere), kommt es später zu Verhaltensstörungen. Zwar werden bei Prägungen die im artspezifischen Kontext vorgesehenen Prägungsobjekte (Objektprägung) präferiert, aber nicht unbedingt ausschließlich gewählt; es kann also auch unter natürlichen Bedingungen zur Fehlprägung kommen. Als erstes wurden derartige Prägungsprozesse bei Vögeln beschrieben ( siehe Zusatzinfo ). – Prägungsprozesse müssen nicht zwingend sofort beobachtbare Verhaltenskonsequenzen haben, sondern können auch erst zu einem späteren Entwicklungszeitpunkt Bedeutung erlangen, wie z.B. die Prägung auf den artspezifischen Sexualpartner. Dies läuft offenbar innerhalb eines kurzen Zeitfensters ab, das weit vor der Geschlechtsreife bzw. vor dem Auftreten von Sexualverhalten liegen kann. Sind zu diesem Zeitpunkt anstelle artspezifischer Geschlechtspartner nur diejenige anderer Arten im Umfeld, kann das zur Fehlprägung führen und ein artspezifisches Geschlechtsverhalten verhindern. – Nicht alle Prägungen sind so stabil wie die Nachfolgeprägung bei Nestflüchtern oder die Gesangsprägung bei verschiedenen Singvogelarten (Ausbildung des artspezifischen Gesangs nach den elterlichen Vorbildern), sondern ermöglichen durchaus späteres Umlernen, wie z.B. die Nahrungs- oder Biotopprägung. Somit ist die Grenze zwischen Prägung und anderen assoziativen Lernprozessen als fließend zu betrachten. Dies gilt offenbar insbesondere für Säugetiere einschließlich des Menschen, weshalb man dort auch von prägungsähnlichen Lernvorgängen spricht, die in frühen ontogenetischen Verhaltensentwicklungsstadien ablaufen und möglicherweise einen geringen Stabilitätsgrad haben. So wie bei Lernprozessen generell lassen sich auch bei Prägung neurobiologische Veränderungen nachweisen, die sich z.B. bei der Nachfolgeprägung bei Hühnerküken in synaptischen Veränderungen im Hyperstriatum ventrale zeigen. Küken, bei denen dieser Gehirnteil beidseitig zerstört wird, lassen sich nicht prägen, obwohl sie die Nachlaufreaktion immer noch zeigen. Diese Region (IMHV) ist für die Engramm-Bildung notwendig, speichert aber die aufgenommene Information nicht auf Dauer, wie weitere Läsionsversuche belegen. Lernen.
Prägung
Anhand der Nachlaufprägung von Gänseküken wurde das Phänomen der Prägung von K. Lorenz entdeckt: Das frisch geschlüpfte Küken reagiert auf den Kontaktruf der Mutter und auf ihre Bewegung mit der angeborenen Nachfolgereaktion; dabei lernt es die optischen Merkmale der Mutter durch Prägung kennen. Der Lernvorgang beruht also auf einer Ausrichtung (einer Lerndisposition) durch angeborene auslösende Mechanismen (AAM), welche bewirken, daß die Prägung in aller Regel wirklich auf die Mutter erfolgt. Die Nachfolgereaktion kann jedoch auch von anderen bewegten Objekten (besonders, wenn sie den Kontaktruf ausstoßen) ausgelöst werden, d.h., der Reizfilter des AAM ist sehr grob.
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