Lexikon der Optik: Bildtrennung
Bildtrennung, Trennung (Dissoziation) des dem rechten Auge zugeordneten Abbildungsstrahlenganges von dem des linken Auges mit Hilfe optischer Filter, Gitter, Linsen, Prismen, Blenden oder Spiegel zum Zwecke der stereoskopischen Bildübertragung, der Prüfung des Binokularsehens bzw. der Diagnose und Therapie in der Schielheilkunde.
1) Anaglyphenverfahren. Das gedruckte oder projizierte Sehobjekt darf nur aus zwei Komplementärfarben bestehen, meistens aus Rot oder Grün, und wird durch Vorhalten eines Rotfilters vor das eine Auge und eines Grünfilters vor das andere Auge spektral zerlegt (Abb. 1). Der durch den Rotfilter gesehene Grünanteil wird ausgelöscht und kann vom dunklen Umfeld nicht mehr unterschieden werden. In gleicher Weise löscht der Grünfilter den Rotanteil aus.
Bei der Auslöschung von Farben durch komplementärfarbene Filter auf dunklem Grunde spricht man von der additiven Methode des Anaglyphenverfahrens. Kommt es hingegen bei der Auslöschung von Farben durch komplementärfarbene Filter zu Konturen- oder Figurenbildung auf hellem Grunde, so spricht man von der subtraktiven Methode. Nachteile der Anaglyphenverfahren sind u.a. Dunkeleffekte, binokularer Wettstreit, refraktive Fehleinstellungen und Farbenstereopsis aufgrund der chromatischen Aberration des Auges. Angewendet werden diese Verfahren zur räumlichen Darstellung in Drucktexten und als Stereo-Sehübungen für Kinder. Anaglyphenverfahren unter Verwendung spezieller Testbilder (Abbn. 2 und 3) dienen der Lokalisation von Augenstellungsfehlern (Schielen und Heterophorien).
Das Prinzip der Richtungslokalisation mit Hilfe dieser Tests wird in Abb. 4 gezeigt. Die Haselberg-Tafel (Abb. 5) dient der Aufdeckung simulierter Angaben von Patienten, die entweder beidäugiges Sehen oder in anderen Fällen Einäugigkeit vortäuschen wollen.
Der Worth-Test ermöglicht qualitative Aussagen, ob das rechte oder das linke Auge führend am Sehvorgang beteiligt ist (Dominanz) oder ob Gleichwertigkeit (Äquivalenz) besteht. Hält man beim Betrachten der Testfigur (Abb. 6) den Rotfilter vor das rechte und den Grünfilter vor das linke Auge, so erscheint bei Dominanz des rechten Auges das untere weiße Feld rot, bei Dominanz des linken Auges dagegen grün. Bei Äquivalenz beider Seheindrücke kommt es zu einer additiven Farbmischung, und das weiße Feld bleibt weiß. Bei totaler Exklusion (Unterdrückung des Seheindruckes eines Auges), z.B. des rechten Auges, fehlt das obere rote Testzeichen (Exklusion rechts), wobei das untere weiße Zeichen dann grün erscheint. Bei totaler Exklusion links fehlen die beiden grünen Testzeichen, und das obere rote Testzeichen sowie das nun rot erscheinende untere wird gesehen. Von älteren Autoren wird der Worth-Test auch zur Prüfung und Korrektion des Muskelgleichgewichts (Heterophorie) empfohlen. Diese Empfehlung kann aber nach den mit dem Polatest gemachten Erfahrungen nicht aufrechterhalten werden.
2) B. durch Verwendung polarisierten Lichts. Bei der subtraktiven Methode (auch positive Polarisation genannt) entsteht für jedes Auge eine andere Testfigur infolge der Lichtauslöschung, die dann auftritt, wenn die Polarisationsrichtung des vom Testzeichen ausgehenden polarisierten Lichtes und die des Polarisationsvorhalters (Analysator) gekreuzt sind. In Abb. 7 entsteht beispielsweise durch Auslöschung des vom senkrechten Balken im Testfeld ausgehenden Lichtes am Polarisationsfilter des rechten Auges ein entsprechendes tiefschwarzes Netzhautbild rechts. Durch das rechte Auge wird der waagerechte Balken gleicher Polarisationsrichtung hellgrau gesehen, was auf die unvermeidliche Absorptionswirkung auch bei nicht gekreuzter Polarisation zurückzuführen ist. Für die Zwecke der Binokularprüfung muß aber das Testzeichen gleicher Polarisationsrichtung, also im Beispiel der waagerechte Balken im rechten Auge, völlig unsichtbar werden. Das wird durch eine genau abgestimmte Grautönung des die Testfigur umgebenden Leuchtfeldes erreicht.
Die subtraktive Methode ist für die Binokularprüfung die wichtigste, da sie natürliche Sehbedingungen (Hellruhelage des Vergenzsystems), die Herstellung von Testzeichen mit dosierten Fusionsreizen (Fusion) und maximalem Kontrast zur Überwindung von Hemmungserscheinungen erlaubt. Anwendung findet diese Methode beim Polatest.
Bei der additiven Methode (negative Polarisation) wird bei gekreuzten Polarisationsrichtungen des vom Testzeichen ausgehenden Lichtes und des Vorhalters der Seheindruck des jeweils anderen Auges ausgelöscht, so daß er im schwarzen Umfeld aufgeht (Abb. 8). Der einfacheren Herstellung wegen wurde ursprünglich die additive Methode in vielfach modifizierter Form zur Binokularprüfung verwendet. Obwohl sie durch die mit dem Polatest gewonnenen Erkenntnisse überholt ist, findet sie heute noch bei allen Sehzeichenprojektoren Anwendung.
3) B. durch Raster. Das Prinzip der Rastertrennung ist in Abb. 9 dargestellt. Auf einer durchleuchteten Opalplatte befinden sich die Testzeichen, die gerastert sind, d.h. aus dünnen schwarzen und weißen Parallelstrichen bestehen. In kurzem Abstand davor ist eine Frontplatte angebracht, ein ebenfalls aus parallelen Strichen bestehender Raster, der aufgrund seiner kleinen Gitterkonstante in der Prüfentfernung von 5 m nicht mehr aufgelöst werden kann. Die Rasterung der Frontplatte und der Testzeichen sowie der Abstand zwischen Test- und Frontplatte sind so aufeinander abgestimmt, daß jedes Prüflingsauge nur die ihm zukommenden schmalen Streifen der Testplatte sehen kann. Anwendung gefunden hat die Rastertrennung zur Binokularprüfung im Rastertrenner nach Ueberschaar und beim Stereofilm. Eine modifizierte Form der Rastertrennung verwendet der Walzenlinsenraster nach Doege und Krause (Abb. 10). Zur Darbietung von Diagnostikbildern in der Schielbehandlung werden streifenförmig aufgerasterte Teilbilder (Abbn. 11a und b) so ineinander gefügt, daß sie bei Betrachtung gemäß Abb. 10 das Summenbild 11c ergeben.
4) Vektographie. Für die Wiedergabe in Büchern oder auch zur Betrachtung in Nahprüfgeräten lassen sich nach dem Vektographenverfahren Bilder herstellen, die durch Polarisationsfilter getrennt werden können. Von den beiden stereoskopischen Halbbildern werden positive Auswaschreliefs, das eine davon seitenverkehrt, hergestellt. Diese Reliefs weisen infolge Quellung der belichteten Gelatine den verschiedenen Belichtungsgraden eines Bildes entsprechende Erhöhungen und Vertiefungen auf. Sie werden mit einer Lösung dichroitisch anfärbender Stoffe getränkt und so eines auf die Vorder- und eines auf die Rückseite eines mit einem anfärbbaren organischen Kolloid versehenen Vektographenfilms gelegt, daß sich identische Bildpunkte beider Reliefs decken. Durch starkes Andrücken beider Reliefs an den Vektographenfilm wird entsprechend der Dicke des Reliefs und damit entsprechend den Bildeinzelheiten in der Darstellung beider Halbbilder von der Farbstofflösung mehr oder weniger an den Vektrographenfilm abgegeben. Die Makromoleküle der Vektographenschichten sind auf der Vorder- und auf der Rückseite des Vektographenfilms senkrecht zueinander orientiert, so daß also nach Übertragung der Bilder jedem Auge bei Benutzung einer Polarisationsbrille mit entsprechender Orientierung der Filter nur das ihm zukommende Bild vermittelt wird.
5) B. durch Blenden. Durch geeignete Anordnung streifenförmiger Blenden kann ein Teil der Testvorlage nur einem Auge und der andere Teil dem anderen Auge zugänglich gemacht werden. Die älteste und bekannteste Prüfanordnung dieser Art ist der Trenner nach Turville (Abb. 12a). Er ist nur zur Prüfung der binokularen Refraktionsgleichheit, evtl. in Verbindung mit einem binokularen Rot-Grün-Trenner (Abb. 12b, bichromatische Refraktionsverfahren) verwendbar, nicht jedoch zur Heterophorieprüfung.
6) Weitere Verfahren. Dazu gehören die Spiegeltrennung (Haploskop), die Prismentrennung und die zeitliche oder Phasentrennung (Phasendifferenz-Haploskop).
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