Lexikon der Psychologie: Rasch-Modell
Rasch-Modell, nach seinem ”Erfinder” , dem dänischen Mathematiker Georg Rasch (1901–1980) benanntes Testmodell, das den sog. ”Latent-Trait-Modellen” zuzurechnen ist und den Anspruch erhebt, spezifisch objektive, d.h. item- und personenunabhängige Testresultate zu gewinnen. Damit ist gemeint, daß unabhängig davon, welche Items aus einem inhaltlich definierten Itemuniversum verwendet werden, sich für eine getestete Person immer die gleichen Testresultate (Personenparameter) ergeben, und daß sich umgekehrt auch immer die gleichen Itemparameter (= Wahrscheinlichkeit, ein Item positiv zu beantworten) ergeben, unabhängig davon, welche Personengruppen aus einer definierten Grundgesamtheit getestet werden. Dem ist nun insofern eine kaum zu bestreitende Bedeutung beizumessen, als strenggenommen einzig bei spezifisch objektivenMessungen zwei Personen hinsichtlich der Stärke der Ausprägung eines sozialwissenschaftlichen Merkmals miteinander verglichen werden können – unabhängig davon, wie die Testresultate anderer Personen bzw. deren Verteilung aussehen. Auch Untersuchungen über graduelle Veränderungen eines Persönlichkeitsmerkmals bei ein und derselben Person über die Zeit hinweg sind strenggenommen nur mit diesem Testmodell durchführbar. Weiterhin liefert es Testresultate, die auf dem statistisch höchsten Skalenniveau, dem (logarithmierten) Verhältnisskalenniveau, angesiedelt sind: Lautet für eine getestete Person ihr Testresultat etwa 3.6, so ist bei ihr das zu messende Persönlichkeitsmerkmal viermal stärker ausgeprägt als bei einer Person mit einem Testresultat von –1.2. Schließlich erlaubt es gegenüber dem der ”Klassischen Testtheorie” verpflichteten Testmodell auch die eindeutige Charakterisierung des ihm zugrundeliegenden ”verhaltenstheoretischen” Konzeptes: Je stärker ein zu erfassendes sozialwissenschaftliches Merkmal bei einer Testperson ausgeprägt ist, um so größer ist bei ihr auch die Wahrscheinlichkeit (engl. Probability, daher auch der Name ”probabilistische Testmodelle”), daß sie Items, die dieses sozialwissenschaftliche Merkmal repräsentieren, positiv beantwortet. Die dabei sich ergebende Funktionskurve zwischen individuellen Testresultaten (Personenparametern) und der Wahrscheinlichkeit, ein solches Item positiv zu beantworten, zeigt eine logistische (s-förmige) Gestalt . Dadurch wird dieses Testmodell auch direkt falsifizierbar: Personen oder Items, die diesen Funktionsverlauf nämlich nicht zeigen, gelten als nicht ”Rasch-skalierbar”.
Dieses ursprünglich nur für dichotome Items entwickelte Testmodell ist mittlerweile auch für polytome (= mehr als zwei Merkmalsausprägungen) ordinale Items weiterentwickelt worden; einen Spezialfall stellen hier die in der Klassischen Testtheorie üblichen intervallskalierten Ratingskalen (Likert-Skalen) dar, die sich dadurch auszeichnen, daß hier von für alle Items identischen gleichen Abständen der Merkmalsausprägungen ausgegangen wird. Für dieses Rasch-Testmodell sind zahlreiche statische und grafische Prüfverfahren entwickelt worden, die Aufschluß darüber gewähren sollen, inwieweit es für bestimmte konkrete Fragestellungen verwendbar erscheint (Rost, 1996). Dabei zeigte sich jedoch, daß es für viele Gegenstandsbereiche nicht sonderlich tragfähig ist. Anders gesagt: Es hat sich einfach für die Mehrzahl sozialwissenschaftlicher Fragestellungen zunächst als zu restriktiv herausgestellt – insbesondere was die Annahme einer universellen Rasch-Skalierbarkeit anbelangt. Einen essentiellen Durchbruch stellt daher das sog. ”mixed Rasch-Modell” dar, das in der Lage ist, mehrere raschskalierbare Gruppierungen zu ermitteln (Rost & v. Davier, 1995). Dieses Modell wird der Komplexität psychosozialer Strukturen, wie sie in modernen Gesellschaften vorherrschend sind, wesentlich gerechter.
H.Gi.
Literatur
Rasch, G. (1961). On general laws and the meaning of measurement in Psychology. Berkeley: University of California Press.
Rost, J. (1996). Logistic mixture models. In: W. van der Linden & Hambleton (eds.), Handbook of modern item response theory. Berlin: Springer.
Rost, J. & Davier, v. M. (1995). Mixture distribution Rasch models. In: G. Fischer/I. Molenaar (eds.), Rasch models: Foundations, recent developments, and applications. Berlin: Springer.
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