Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Kognitive Entwicklung : Macht Musizieren schlau?

Kinder und Jugendliche, die ein Instrument spielen, sind oft intelligenter und besser in der Schule. Doch was ist davon tatsächlich auf das musikalische Training zurückzuführen?

Hoch konzentriert steht Milea Henning hinter der Marimba, die Augen halb geschlossen. In jeder Hand hält sie zwei lange Schlägel, mit denen sie nun rhythmisch die hölzernen Klangstäbe des Instruments anschlägt – mal so schnell, dass man ihren Bewegungen kaum folgen kann, dann langsam und verhalten, am Schluss fast unhörbar. Von klein auf macht die 17-Jährige aus dem westfälischen Lüdinghausen Musik. Inzwischen studiert sie Schlagzeug an der Jugendakademie der Musikhochschule Münster; bei Wettbewerben wie Jugend musiziert heimst sie regelmäßig Preise ein. Zwei Stunden versucht sie täglich zu üben, neben Schule und Studium. Ihre Noten leiden dennoch nicht darunter: »Zum Glück bin ich schulisch gut dabei«, sagt sie.

Damit steht sie nicht allein – viele Musikerinnen und Musiker tun sich auch in Bereichen hervor, die mit ihrer Leidenschaft auf den ersten Blick wenig zu tun haben: Sie können besser lesen als Gleichaltrige und haben einen größeren Wortschatz. Sie prägen sich schneller Melodien ein oder Geschichten, die ihnen erzählt wurden. Ihnen fällt es leichter, geometrische Figuren im Geist zu drehen oder komplexe Zeichnungen zu kopieren. Sie sind zudem im Schnitt intelligenter als Nichtmusiker – ein Unterschied, der umso größer wird, je länger und intensiver ihre musikalische Ausbildung war. Für die Genfer Neurowissenschaftlerin Ewa Miendlarzewska und ihre Kollegin Wiebke Trost liegen angesichts solcher Befunde die Konsequenzen auf der Hand: »Die Empfehlung für Eltern und Erzieher ist daher klar: Fördern Sie die Instrumental-Ausbildung in der frühen Kindheit, denn daraus können lebenslange Vorteile resultieren.«

Der kanadische Psychologe Glenn Schellenberg hat für diesen Tipp nur ein Wort übrig: »Bullshit!« Seiner Meinung nach ziehen viele seiner Kolleginnen und Kollegen zu weit reichende Schlüsse aus ihren Befunden. Beispiel Intelligenz: »Es stimmt zwar, dass Musiker oft einen höheren IQ haben«, sagt er. »Der Grund dafür ist aber, dass schlauere Kinder häufiger Musikstunden nehmen.« Schellenberg hat in den vergangenen Jahren mehrfach kritisiert, ein großer Teil der heutigen Studien erlaube keine endgültige Aussage über Ursache und Wirkung ...

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Wann klingt eine Sprache schön?

Klingt Italienisch wirklich schöner als Deutsch? Sprachen haben für viele Ohren einen unterschiedlichen Klang, dabei gibt es kein wissenschaftliches Maß dafür. Was bedingt also die Schönheit einer Sprache? Außerdem in der aktuellen »Woche«: Rarer Fund aus frühkeltischer Zeit in Baden-Württemberg.

Spektrum - Die Woche – Generation Z wie Zuversicht

Die Shell Jugendstudie 2024 zeigt: Die Generation Z ist trotz Krisen wie Klimawandel und sozialer Ungleichheit politisch interessiert und engagiert. Auch der Friedensnobelpreis an die Nihon Hidankyo erinnert uns daran, wie wichtig es ist, für eine bessere Zukunft einzustehen.

Spektrum - Die Woche – Eine Sprache für die Welt

Zur lebendigen Diversität unserer Welt gehört auch die Vielfalt der Sprachen, in denen Menschen kommunizieren. Doch könnte es übergeordnet auch eine Sprache geben, in der wir uns alle verständigen - wie Esperanto?

  • Quellen

De Manzano, Ö., Ullén. F.: Same genes, different brains: Neuroanatomical differences between monozygotic twins discordant for musical training. Cerebral Cortex 28, 2018

Habibi, A. et al.: Childhood music training induces change in micro and macroscopic brain structure: Results from a longitudinal study. Cerebral Cortex 28, 2018

Sala, G., Gobet, F.: Cognitive and academic benefits of music training with children: A multilevel meta-analysis. Memory & Cognition 48, 2020

Swaminathan, S., Schellenberg, E. G.: Music training and cognitive abilities: Associations, causes, and consequences. In: The Oxford handbook of music and the brain. Oxford University Press, 2018, 10.1093/oxfordhb/9780198804123.013.26

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.