Hirnforschung: Die übersehene Faserschicht
Anatomisch betrachtet ist das menschliche Gehirn umfassend beschrieben – sollte man meinen. Aber die Forschung fügt ständig weitere Puzzleteile zum Verständnis unseres Denkorgans hinzu. Ein solches ist die »Superficial White Matter« (SWM): eine nicht einmal einen Millimeter dünne Schicht aus Nervenfasern direkt unter der Hirnrinde. Dank moderner bildgebender Verfahren gelingt es nun immer besser, diese »oberflächliche weiße Substanz« zu charakterisieren – und ihr ihre Geheimnisse zu entlocken. Trotz der geringen Maße hat sie es in sich: So scheint sie für die Verdrahtung im Gehirn essenziell zu sein. Auch spielt sie möglicherweise eine bedeutende Rolle bei neurodegenerativen Erkrankungen.
Grundlegend neu ist das Wissen um sie aber nicht. Anhand histologischer Schnitte wurde sie schon vor mehr als 100 Jahren beschrieben, etwa von Theodor Meynert (1833–1892), einem deutsch-österreichischen Neuroanatomen. Trotzdem beschränkte man sich bei der Erforschung des Nervensystems lange auf zwei Gewebetypen: die tiefe weiße und die graue Substanz. In Letzterer befinden sich vorwiegend die Körper der Nervenzellen; sie bildet unter anderem den Kortex, also die Hirnrinde, die sich wie eine schützende Decke um die weiße Substanz legt. Charakteristisch sind die tiefen Furchen des Kortex, die Sulci. Zwischen ihnen türmen sich die Gyri oder Hirnwindungen auf und geben unserem Denkorgan das Aussehen einer überdimensionalen Walnuss.
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