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Claude Chappe: Als Frankreich die Telegrafie lieben lernte

1792 revolutioniert Claude Chappe, knapp 30, die Telekommunikation - und findet begeisterte Abnehmer vor allem im Militär. Napoleon Bonaparte, dessen Todestag sich in dieser Woche zum 200. Mal jährt, setzt in großem Stil auf den mechanischen Telegrafen. Bald braucht eine Botschaft von Paris ans Mittelmeer nur noch 20 Minuten.
Ein Chappe-Telegraf auf der Kirche Saint-Pierre de Montmartre in Paris

Bahnbrechende Erfindungen finden mitunter Eingang in die Weltliteratur. In Alexandre Dumas' Abenteuerroman »Der Graf von Monte Christo« (1844) etwa wird berichtet, wie Edmond Dantès, in Camouflage des Grafen von Monte Christo, der Gattin seines Widersachers Gérard de Villefort scheinbar beiläufig von einer südlich von Paris befindlichen Signalanlage erzählt, deren bewegliche schwarze Schwenkflügel ihn an die Füße eines ungeheuren Käfers erinnerten. Gemeint ist die an der Straße von Paris nach Orléans auf einer Anhöhe gelegene Telegrafenstation von Monthléry. Er sei von der Anlage deshalb so beeindruckt, sagt der schillernde Graf, weil mit dieser Zeichen übermittelt werden konnte, die »die Luft mit unfehlbarer Sicherheit auf Hunderte von Meilen durchschneiden«.

Genau diese Vorrichtung macht sich Monte Christo bald darauf zu Nutze, um sich an seinem ehemaligen Schiffskameraden Danglars zu rächen. Danglars, der den jungen Dantès 1814 als napoleonischen Agenten denunziert hatte, ist inzwischen durch Börsenspekulation zu Reichtum gekommen und der vermögendste Bankier von Paris. Von ihm lässt sich der Graf einen unbegrenzten Kredit einräumen. Durch Bestechung eines Bediensteten in besagter Signalanlage stellt er falsche Informationen ins (Telegrafen-)Netz und treibt durch Manipulation der Börse Danglars in den Ruin. Mit Fake News ließen sich schon damals Meinungen manipulieren und Existenzen vernichten.

Die Fernmeldetechnik, derer sich Dumas' rachsüchtige Hauptfigur bedient, war zur Erscheinungszeit des Romans längst keine Neuheit mehr. Für Furore hatte sie 50 Jahre zuvor im revolutionären Frankreich gesorgt. Damals gelang es erstmals – dank jener Erfindung einer mechanischen Signalanlage, auch Semaphor, »Zeichenträger«, genannt –, über weite Strecken codierte Meldungen optisch zu übermitteln. Den zündenden Gedanken hierfür hatte ein technikbegeisterter französischer Abbé namens Claude Chappe (1763-1805), der in weltlichen Dingen zumindest ebenso bewandert war wie in geistlichen. »Ich schreibe im Raum«, wird er eines Tages über seine größte Errungenschaft schwärmen.

Technikaffiner Abbé

Am 25. Dezember 1763 in Brûlon unweit von Le Mans als zweites von zehn Kindern eines Verwaltungsbeamten geboren, verbringt der junge Claude seine Schulzeit zunächst in Rouen am Collège de Joyeuse, später am Jesuitenkolleg Collège Royale in La Flèche, das eineinhalb Jahrhunderte zuvor auch der berühmte Philosoph René Descartes besuchte. Chappe wendet sich der Kirche zu und lässt sich zum Priester ausbilden. Kirchliche Stipendien sorgen für ein auskömmliches Leben, doch Claude ist nicht nur Kleriker, sondern auch ein leidenschaftlicher Bastler, der sich lieber über technische Rekonstruktionszeichnungen beugte.

Querschnitt durch eine Relaisstation | Die Bediener im Inneren schwenkten den Querarm, Regulator genannt, sowie die beiden kleineren Indikatoren. Die diagonale Lage des Querarms, die hier dargestellt ist, wurde allerdings nicht zur Codierung von Botschaften eingesetzt.

Dann bricht im Sommer 1789 in Paris die Revolution aus. Schnell erkennt der Abbé, dass der Aufstand gegen das adlige Regime seiner geistlichen Karriere abträglich sein würde. Als die neue Regierung die Gelder für sein Stipendium streicht, geht er nach Brûlon zurück und macht sein Hobby zum Beruf. Schon seit Längerem experimentiert er zusammen mit seinen Brüdern an einer Fernübertragung von Nachrichten.

Zuerst versucht er es mit der Elektrizität, doch die schlecht isolierten Leitungen und der hohe Spannungsabfall machen große Entfernungen unüberwindbar. Deswegen denkt Chappe schon bald über mechanische Apparate nach: Gut sichtbare Masten, montiert auf Türmen von Kirchen, Schlössern und Burgen, könnten es richten. Die Idee, Signale über größere Entfernungen zu übertragen, hatte bereits der französische Physiker Guillaume Amontons (1663-1705). Claude Chappe setzt sie um.

»Tachygraph«, also »Schnellschreiber«, nennt er sie zunächst. Vom Schloss Brûlon aus gelingt ihm und seinen Brüdern 1791 die erste Übertragung ins 14 Kilometer entfernte Parcé-sur-Sarthe. Es gibt technische Probleme, und auch die Bevölkerung ist noch nicht so weit. Als Chappe Ende 1791 in Paris eine Anlage errichtet, wird sie zerstört, weil man glaubt, er wolle mit dem eingekerkerten König in Verbindung treten. Doch Chappe lässt sich nicht beirren und bringt seinen »Tachygraphen« zur Serienreife. Ausführlich berichtet er darüber im »Journal de Physique«, der damals renommiertesten naturwissenschaftlichen Zeitschrift.

Im Dienst der Revolution

Unterstützt von seinem Bruder Ignace, der Mitglied der Nationalversammlung ist, erläutert Claude Chappe 1792 vor dem Konvent der Französischen Revolution seine Erfindung und stellt hochfliegende Pläne vor: Eine komplette Telegrafenlinie will er bauen. Die Versammelten sind begeistert, zumal es Chappe nicht versäumt, auf den enormen Zeitgewinn und die strategischen Vorteile für Frankreich hinzuweisen. Mit seinem Verfahren könne eine Nachricht von Paris noch am gleichen Tag, ja binnen einer Stunde, an die in Nordfrankreich und Flandern stehenden Revolutionstruppen übermittelt werden. Der Konvent stimmt dem Unternehmen zu, und Miot de Mélito, Abteilungsleiter im Kriegsministerium, schlägt vor, das Übertragungssystem als »Telegraphen«, Fernschreiber, zu bezeichnen. Chappe wird zum »Ingénieur télégraphiste« bestellt.

Die Zeit drängt. Nach der Abschaffung der Monarchie kämpft das republikanische Frankreich gegen die reaktionären Mächte Preußen und Österreich. Der Bedarf an schneller Nachrichtenübermittlung ist groß, zumal Informationsvorsprung damals wie heute kriegsentscheidend sein konnte. Und so überzeugt die Kunst, »in der Luft zu schreiben, ohne viele Schriftzeichen zu verwenden«, vor allem die Militärs. Am 25. Juli 1793 beschließt der Konvent eine optische Telegrafenlinie von Paris nach Lille. Im Jahr darauf geht die 225 Kilometer lange und aus 22 Stationen bestehende Fernlinie in Betrieb. Weitere Verbindungen werden in den kommenden Monaten und Jahren strahlenförmig von Paris ausgehend angelegt. Bald sind schon fast 30 Provinzstädte mit der französischen Kapitale verbunden. Dadurch gelingt es dem revolutionären Frankreich, die »levée en masse«, die Mobilisierung der Bürger im Kampf gegen die Mächte der Reaktion, zu forcieren und Truppenbewegungen zentral zu steuern. Auch Napoleon weiß um die Vorzüge des Systems. Später verstärkte er seinen Ausbau sogar noch: 1812 verfügte es bereits über Verbindungen nach Genf, Straßburg, Amsterdam, Mailand und Mainz.

SMS vor 200 Jahren

Die erste offizielle telegrafische Nachricht am 15. August 1794 ist eine Erfolgsmeldung: Das revolutionäre Paris erfährt von der Rückeroberung der Stadt Le Quesnoy bei Lille. Die Sensation war perfekt. Wofür ein Bote zu Pferd 24 Stunden benötigte, erledigt Chappes mechanische Datenautobahn in nur einer Stunde. Auch das Kriegsministerium frohlockt. Erstmals wurde das Material, auf dem die Information stand, effektiv von der Information selbst gelöst. Das erlaubte nicht nur den enormen Zuwachs in der Übertragungsgeschwindigkeit, sondern erschwerte es zudem jedem Feind, eine Botschaft abzufangen und zu entziffern. Chappes Semaphor, der den Nachrichten buchstäblich Flügel verlieh, hatte ein neues Zeitalter der modernen Kommunikationsgeschichte eingeläutet – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Internet war gemacht.

Fackeltelegrafie

Mit seiner Erfindung stehe Chappe allerdings weder am Anfang noch am Ende der optischen Nachrichtenübermittlung, sagt der Medienwissenschaftler Claus Eurich in seiner »Kriegerischen Geschichte der Informationstechnik«. Schon seit der Antike tauschten Menschen Nachrichten über optische Signale aus. Das bekannteste Beispiel ist die Meldung vom Fall Trojas, die sich vor mehr als 3000 Jahren schnell wie das sprichwörtliche Lauffeuer verbreitete. So hat dem griechischen Dichter Aischylos (524–456 v. Chr.) zufolge der griechische Heerführer Agamemnon die Nachricht vom Sieg der Griechen mittels einer Feuerzeichenkette vom kleinasiatischen Troja ins 550 Kilometer entfernte Argos übermittelt. Ein Kommunikationssystem, dessen sich später auch die Römer zur Verständigung entlang des Limes bedienten.

Claude Chappe und seine Zielgruppe | Das Telegrafensystem wurde zwar auch zur Weitergabe nichtmilitärischer Botschaften genutzt. Doch primär diente das Fernmeldenetz dem Militär. Vor allem Napoleon Bonaparte wusste um die Vorzüge des Telegrafen.

Allerdings konnte durch diese einfache optische Telegrafie nur eine einzige, vorab verabredete Botschaft übermittelt werden. Weitaus effektiver war ein System, das der griechische Historiker Polybios (etwa 200–120 v. Chr.) beschreibt und mit dem man chiffrierte Botschaften verschicken konnte. Dessen Kernstück war ein aus fünf Tafeln bestehendes »Codebuch«, auf denen jeweils fünf Buchstaben untereinandergeschrieben waren. Die Übertragung funktionierte folgendermaßen: Hinter zwei großen Schilden standen »Telegrafisten«, die entsprechend dem zu sendenden Buchstaben eine bestimmte Anzahl an Fackeln am linken und am rechten Schild positionierten. Erstere gaben die Nummer der Tafel an, Letztere die Zeile, in welcher der Buchstabe auf besagter Tafel stand. Durch dieses »Morsen mit Fackeln«, das Feuerzeichen mit Buchstaben verband, konnten beliebige Botschaften codiert übertragen werden. Sender und Empfänger konnten gleichzeitig miteinander kommunizieren – die Fernübermittlung von Botschaften war keine Einbahnstraße mehr.

Chappe verfeinert dann 2000 Jahre später den Kommunikationsprozess bei der Übermittlung von Botschaften zwischen Sender und Empfänger und revolutioniert mit seiner Idee, geometrische Figuren als Signal- und Nachrichtenträger zu verwenden, die Nachrichtentechnik. »Seit Claude Chappe können Nachrichten nahezu in Echtzeit kursieren«, fasst der Rundfunkjournalist Michael Köhler die epochale Leistung des französischen Medienpioniers zusammen.

Codierte Meldekürzel

Auch Zeitgenossen sind von der bahnbrechenden Erfindung beeindruckt: Der optische Telegraf von Monsieur Chappe sei von raffinierter Einfachheit, berichtet Friedrich Johann Lorenz Meyer, Domherr zu Hamburg, der 1796 Paris besucht und eine der streng geheimen Einrichtungen auf dem Dach des Louvre besichtigen darf. Die Stationen sind meist auf Hügeln, Dächern oder Kirchtürmen aufgebaut mit Blickverbindung zur nächsten Signalanlage. In den Türmen tun zwei Mann rund um die Uhr Dienst. »Einer«, schreibt Meyer, »beobachtet ständig durch ein Fernrohr die Flügelstellung in der benachbarten Station und meldet diese seinem Kompagnon, der über eine Seilvorrichtung die Flügel seiner eigenen Station ins Gleichmaß schwenkt.«

Der Telegraf selbst besteht aus einem Holzgerüst, an dessen Spitze ein rund viereinhalb Meter langer, drehbarer T-Balken montiert ist, der »Regulator«. Man kann ihn in vier verschiedene Stellungen bringen – waagrecht, senkrecht, nach links und nach rechts geneigt. An beiden Enden des Balkens hängt je ein drehbarer, einarmiger Flügel von knapp zwei Meter Länge, der »Indikator«. Jeder Indikator lässt sich unabhängig vom anderen über mechanische Rollen, Kurbeln und Seilzüge in sieben verschiedene Positionen stellen. »Damit sind«, erläutert der Wissenschaftsjournalist Eckart Roloff den Funktionsmechanismus, »insgesamt 196 Stellungen möglich, die über einen ausgeklügelten Code Nachrichten weiterschicken.« Tatsächlich benutzt wurden allerdings nur 92 Flügel- beziehungsweise Signalkonstellationen.

Nachbau einer Telegrafenstation in Elsheim | Im rheinhessischen Elsheim bei Mainz steht dieser historisch nicht korrekte Nachbau einer Telegrafenstation, mit der das französisch besetzte »Mayence« via Metz an Paris angeschlossen war.

Um den Nachrichtentransfer zu beschleunigen – anfangs übermittelte man Buchstabe für Buchstabe –, entwickelte Chappe ein Codebuch, das so genannte »vocabulaire phrasique«, in dem Einträge für oft benutzte Wörter und Zahlen, Sätze und ganze Redewendungen verzeichnet waren. Dieses bestand ebenfalls aus 92 Seiten, und auf jeder Seite waren 92 Einträge möglich. Entsprechend den 92 eindeutigen Signalkombinationen konnten somit insgesamt bis zu 8464 häufig verwendete Sätze, Worte, geografische Orte, aber auch einzelne Buchstaben und Zahlen aufgenommen und den entsprechenden Korrespondenzsignalen zugeordnet werden.

Um einen Textblock aus dem Codebuch zu übermitteln, waren demnach nur zwei Signale erforderlich. Das erste Zeichen stand für die Seitenzahl des Codebuchs und das zweite für den entsprechend nummerierten Textblock auf dieser Seite. »Mit wenigen Figurenfolgen«, so der französische Telegrafiehistoriker und Begründer des Centre de documentation sur l'histoire des Postes et Télécommunications de Strasbourg, Paul Charbon, »konnten somit ganze Sätze aufgenommen und verschlüsselt übertragen werden.«

In Echtzeit durch den Raum

Damit erreicht Claude Chappe eine bis dahin ungekannte Übertragungsgeschwindigkeit. So packt er beispielsweise den Satz: »Diesen Morgen um 5 Uhr – attackierte die Nordarmee – den 12 000 Mann starken Feind – und siegte – mit der Gefangennahme von 500 feindlichen Soldaten« in ganze fünf Doppelzeichen. Bis sie von Lille aus Paris erreicht, dauert es nicht länger als zwei Minuten.

Verblüfft notiert Friedrich Meyer, der Gast aus Hamburg: »In meiner Gegenwart geschah die Frage an den Telegrafen auf dem Montmartre und von dort nach Lille: ob bei der Armee etwas Neues vorgefallen sei, mit einem Zeichen. In demselben Augenblick, da dieses Zeichen auf den Dachapparat übertragen ward, beobachtete ich die an der Wand hängende Sekundenuhr; und mit dem 48. Sekundenschlag kam die von dem Beobachter am Fernrohre angerufene Antwort ›Nein‹ zurück.«

Entschlüsseln kann die Nachrichten nur der Empfänger, da lediglich die Anfangs- und Endstation ein Codeverzeichnis besitzen, das ständig aktualisiert wird. Die Bedienmannschaft hat also im Wesentlichen die Aufgabe, Tag und Nacht mit Fernrohren den benachbarten Apparat zu beobachten und weiterzuleiten, was er anzeigt – sie fungieren als reine Relaisstation. Maximal 15 Kilometer liegen die einzelnen Signalanlagen auseinander. Je nach der Länge der Botschaft und je nachdem, wie eingespielt die Telegrafisten sind, kommen Nachrichten fast in Echtzeit durch. An Tagen mit guter Fernsicht überbrücken die Fernmelder 135 Kilometer in einer Minute. Bei schlechtem Wetter oder im Nebel herrscht Funkstille.

Chappe arbeitet unermüdlich an der Verbesserung seiner Erfindung. Damit sich die Signalflügel besser vom Hintergrund – dem Himmel – abheben, lässt er Regulator und Indikator schwarz lackieren. Außerdem werden Balken und Flügel lamellenartig ausgeführt, um die Windempfindlichkeit zu reduzieren. Auch das Codesystem wird ständig neu angepasst und weiterentwickelt.

Beachtliche Netzabdeckung | Das Telegrafennetz in seiner letzten Ausbaustufe. Im Osten reichte es bis Mainz und sogar bis Venedig. Die Karte verzeichnet neben den Strecken auch die Direktorate, in denen Nachrichten entschlüsselt und aufgegeben werden konnten.

Chappe installiert im Auftrag des Konvents und der Armee ein Telegrafennetz in ganz Frankreich. Linien nach Brest, Toulon und Straßburg werden gebaut, eine Anlage steht auf dem Dach des Straßburger Münsters. Viele Kirchen dieser Zeit, den Revolutionären in Paris ohnehin wegen ihrer Nähe zum Ancien régime suspekt, dienen als »Plattformen für die Chappschen Semaphoren« (Charbon). Ein Umstand, den der 1789 gegründete und als offizielles Sprachrohr der französischen Regierung fungierende »Le Moniteur universel« mit der Bemerkung quittierte, dass Monsieur Chappe den Hahn des Kirchturms durch den Flügeltelegrafen ersetzt habe.

Immer schneller überbrücken Frankreichs Fernschreiber Raum und Zeit, bis irgendwann eine Nachricht aus Paris bis an die Mittelmeerküste ins 700 Kilometer entfernte Toulon bloß noch 20 Minuten braucht. Bis 1844 wird es Frankreich auf ein rund 5000 Kilometer langes Kommunikationssystem bringen, das über mehr als 500 Zwischenstationen Paris mit 29 Städten des Landes verbindet.

Kaiserliche Kommunikationskanäle

Durch Napoleons Eroberungszüge hält die neue Technik auch Einzug in anderen Teilen Europas. Am 18. Januar 1799 erhält Chappe die Order, eine Linie von Paris in das gerade von General Bonaparte eroberte Italien zu installieren. Man kann nun von Paris via Mailand nach Venedig telegrafieren. Weitere Verbindungen folgten, als Napoleon damit begann, Europa nicht nur mit Krieg, sondern auch mit einem Netz von Telegrafenstationen zu überziehen. Und je weiter der Grand Empereur nach Osten ausgriff, desto länger wurden auch seine Verbindungslinien. In diesem Zusammenhang entstand etwa die optische Telegrafenlinie von Metz nach Mainz, eine Verlängerung der Achse Paris-Metz, die über 22 Stationen von Lothringen über das Saarland, das Nordpfälzer Bergland und Rheinhessen bis nach Mainz führte, wo sie zunächst auf dem Drususstein auf der Zitadelle, einem Relikt aus der Römerzeit, später dann auf dem Turm von St. Stephan in der Mainzer Oberstadt endete.

Die erste Nachricht aus der französischen Kapitale gelangte am 29. Mai 1813 nach Mainz, seit Dezember 1797 Hauptstadt des »Département du Mont Tonnère« (Donnersberg). Allerdings, so der rheinhessische Lokalhistoriker Günter Schenk, war der 105 000 Franc teuren Telegrafenlinie nur eine kurze Lebensdauer beschieden. Als in der Neujahrsnacht 1813/14 preußische Truppen unter Generalfeldmarschall Blücher den Rhein bei Kaub überschritten, kappten diese kurze Zeit später die Verbindung, so dass der Informationsfluss zwischen Metz und Mainz nach nicht einmal einem Jahr des Bestehens zum Erliegen kam.

Alles nur geklaut?

Das alles bekommt Claude Chappe nicht mehr mit. Er erlebt noch den Aufstieg Napoleons und wie dieser seine Erfindung für die Kriegsführung nutzt. Anerkennung für seine geniale Erfindung bekommt Chappe jedoch nicht. Erst nach seinem Tod wird diese auch über die rein martialische Verwendung salonfähig, nutzen Handel, Banken und Börsen, aber auch die Eisenbahn und die Schifffahrt die neue Übertragungsmöglichkeit.

So sehr die Gesellschaft von Chappes Erfindung profitiert, den Inventor macht sie weder vermögend noch glücklich – im Gegenteil. Zeitlebens muss sich Chappe mehrfacher Anschuldigungen erwehren. Unter Robespierres Terrorregime schwebt über dem technikaffinen Geistlichen mehr als einmal das Damoklesschwert der Guillotine. Er wird verdächtigt, seinen Telegrafen für konterrevolutionäre Zwecke missbraucht zu haben. Manche behaupten, sie selbst hätten den Telegrafen erfunden, und beschuldigen Chappe, er sei ein Plagiator. Einem Gerücht zufolge soll er als ehemaliger Insasse der Bastille die Erfindung einem hingerichteten Gefangenen entwendet haben. Der Beschuldigte kann zwar alle Vorwürfe entkräften, doch spurlos gehen die Anfeindungen nicht an ihm vorbei.

Die ständige Angst um Leib und Gut setzt ihm zu. Am 23. Januar 1805 nimmt sich Claude Chappe in Vaugirard, heute im 15. Arrondissement von Paris gelegen, das Leben. Sein Name gerät bald in Vergessenheit, nicht aber seine Erfindung. Der Abbé aus Brûlon hat mit seinem Semaphor die Nachrichtenübermittlung revolutioniert. Erst 1844 wird Chappes optisches System vom Morseapparat abgelöst. Um 1930 kommt der Fernschreiber auf, ein vollautomatisches, schreibmaschinenähnliches Gerät. Und ab Mitte der 1980er Jahre verdrängt das Fax alles andere – bevor es seinerseits der Computer und das Internet ersetzen.

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