Altes Ägypten: Ein Hauch von Mumie
Für die Mumifizierung ihrer Toten scheuten die alten Ägypter offenbar keine Kosten und Mühen. So beschafften sie die Bestandteile für ihre Balsamierungssubstanzen nicht nur aus dem nahe gelegenen Mittelmeerraum, sondern auch aus weit entfernten Regionen in Südostasien. Zu diesem Ergebnis kam eine Arbeitsgruppe um Barbara Huber vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena, als sie Rückstände in den Eingeweidekrügen einer Amme von Pharao Amenhotep II. untersuchte. Der König herrschte zwischen 1428 und 1397 v. Chr. während der 18. Dynastie. Wie das Team um Huber im Fachblatt »Scientific Reports« berichtet, identifizierte es diverse, teils wohlriechende Naturstoffe wie Bienenwachs, pflanzliche Öle, tierische Fette und Harze.
In der Vorstellung der alten Ägypter folgte auf den Tod ein Leben im Jenseits. Allerdings nur dann, wenn der Körper unversehrt blieb. Die Mumifizierung sollte dies garantieren, und dafür entwickelten die Ägypter über viele Jahrhunderte hinweg spezielle Methoden und Mittel. Bekannt ist, dass sie diverse, teils exotische Ingredienzen miteinander vermengten, um damit den toten Körper zu konservieren. Und mit einer besonders komplexen Mischung war wohl vor rund 3500 Jahren der Leichnam von Senetnay einbalsamiert worden, der Amme von König Amenhotep II. Wie Ägyptologen aus Schriftquellen wissen, war Senetnay eine bedeutende Persönlichkeit der 18. Dynastie und nahm eine hohe Stellung am Pharaonenhof ein.
Vier Behälter mit den mumifizierten Organen der Senetnay kamen im Jahr 1900 in einem Grab (KV42) im Tal der Könige zum Vorschein. Ausgräber war damals der Archäologe Howard Carter (1874–1939), der später 1922 durch die Entdeckung von Tutanchamuns Grab berühmt wurde. Für gewöhnlich schnitten die ägyptischen Einbalsamierer die Organe aus dem toten Leib, mumifizierten die Eingeweide und legten sie anschließend zurück in den Leichnam oder verstauten sie in speziellen Gefäßen, in so genannten Kanopen.
Mumifizierungsreste in Krügen
In Senetnays Kanopen liegen heute zwar keine Organe mehr, aber an Boden und Innenwand kleben noch immer Reste der Balsamierungssubstanzen. Aus zwei Behältern, denen für Lunge und Leber, die sich heute im Museum August Kestner in Hannover befinden, nahm die Forschergruppe Proben. Anschließend bestimmte sie mit Hilfe der Gaschromatografie und der Massenspektrometrie die Bestandteile. Huber und ihr Team konnten so verschiedene Stoffe nachweisen: Bienenwachs, pflanzliche Öle, tierische Fette, das Mineralöl Bitumen, Harze von Kiefern, Lärchen, Zedern und Pistaziengewächsen sowie in einer Kanope womöglich auch Dammar. Dieses Harz stammt von Laubbäumen in Südostasien. Damit gelangte der Stoff aus sehr weit entfernten Gebieten wie dem heutigen Indien oder Indonesien nach Ägypten. Die Harze der Nadelhölzer wurden vermutlich aus dem Mittelmeergebiet beschafft.
Die Rückstände in den beiden Kanopen gehen laut Huber und Co jedoch nicht auf dieselbe Mixtur zurück. Im Behälter für die Lunge fanden sich Reste, die von Dammar herrühren könnten. Und im zweiten Krug für die Leber detektierte das Forscherteam das Harz von Lärchen – im Lungenbehälter ließ sich dieser Stoff wiederum nicht nachweisen. »Die Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung der (Balsamierungssubstanzen) könnten darauf hindeuten, dass (sie) organspezifisch« angemischt wurden, schreiben die Studienautorinnen und -autoren. Allerdings sei nicht auszuschließen, dass sich die Stoffe im Verlauf von knapp dreieinhalb Jahrtausenden chemisch verändert haben und sich deshalb unterscheiden.
Auffällig sei aber, dass sich derart komplexe Balsamierungsmixturen bislang nur an den Mumien sozial hochgestellter Menschen wie Senetnay fanden. Offenbar, so vermuten die Forschenden um Huber, ließ der Pharao seiner Amme eine besondere Totenbehandlung zukommen. Darauf deutet auch der Fundort der Kanopen hin, in der Königsnekropole des Neuen Reichs.
Wie eine Studie 2023 unter der Leitung des Archäochemikers Maxime Rageot von der Universität Tübingen ergab, eigneten sich die genannten Naturstoffe zur Konservierung toter Körper: Sie wirkten teils antimikrobiell, teils Wasser abweisend, teils entwickelten sie Wohlgeruch. Rageot und seine Kollegen hatten Gefäße aus einer rund 2700 Jahre alten Mumienwerkstatt im ägyptischen Sakkara analysiert – und konnten ebenfalls die Verwendung von Dammar nachweisen. Die Ergebnisse von Hubers Team legen nun nahe, dass die Handelskontakte nach Südostasien bereits fast ein Jahrtausend früher existierten. Bekannt ist aber, dass die Ägypter spätestens im 13. Jahrhundert v. Chr. Waren aus Indien empfingen: So fanden sich im Körper von Pharao Ramses II. Pfefferkörner aus Indien. Weshalb die Ägypter für die Mumifizierung Substanzen aus dem fernen Asien benötigten, ist bislang jedoch unklar.
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