Polarjahr 2007/2008: Arktis in Turbulenzen
Gletscherschmelze, Hitzewelle auf Spitzbergen, freie Nordwest-Passage - die Signale sind eindeutig: Die Arktis heizt sich auf. Das bestätigt auch ein neuer Bericht, doch längst sind nicht alle Signale eindeutig.
Die Folgen der Erderwärmung zeigen sich immer deutlicher in der Arktis, berichtet eine Zusammenfassung neuer Studien aus den Jahren 2006 sowie 2007 und Klimadaten der nordamerikanischen Behörde für Meteorologie und Ozeanforschung (NOAA). Betroffen sind sowohl Land- als auch Meeresökosysteme, wobei 2007 – einmalig seit Beginn wissenschaftlicher Aufzeichnungen – die gesamte Region ungewöhnlich warm war und nicht nur einzelne Teile. Insgesamt stufen die beteiligten Wissenschaftler vor allem die klimatischen Veränderungen in der Arktis und die Veränderung des Meereises als kritisch ein, während bei den ökologischen und ozeanografischen Parametern sich positive und negative Trends die Waage halten.
Betroffen sind manche Herden auch durch die zunehmende Industrialisierung – etwa Bergbau oder Erdölförderung – oder Übernutzung der Bestände. Viele Gänsearten profitieren hingegen von günstigeren Bedingungen im Sommer- und Winterquartier mit besserem Futterangebot sowie verschärften Jagdgesetzen, weshalb sich ihre Gesamtzahl seit 1970 auf mehr als 21 Millionen Tiere fast verdoppelt hat und sie neue Regionen besiedeln. Ein knappes Viertel aller Spezies nimmt jedoch an Zahl bereits wieder ab.
Das offensichtlichste und nach Ansicht der beteiligten Forscher dramatischste Anzeichen für den Klimawandel in der Arktis bildet der fortgesetzte Schwund des Meereises rund um den Nordpol. Diesen Sommer erreichte es die seit Beginn seiner Erfassung geringste Ausdehnung: Es bedeckte im September – dem Höhepunkt des Schmelzprozesses – nochmals über zwanzig Prozent weniger Fläche als 2005, dem bisherigen Minusrekord, und knapp vierzig Prozent weniger als im langjährigen Durchschnitt. Die Jahre seit 2002 kennzeichnet eine Serie ununterbrochener extremer Minima im Sommer. Gleichzeitig dünnte das Meereis in den letzten fünzig Jahren um die Hälfte aus und erreicht heute nur noch eine durchschnittliche Dicke von 1,8 Metern.
Betroffen von der Schmelze ist auch das dauerhafte Eis, das ganzjährig vorhanden ist und vor allem in den zentralen Bereichen des Nordpolarmeers schwimmt. Im Vergleich zu 1958 schrumpfte die Fläche um 2,5 Millionen Quadratkilometer auf nur noch drei Millionen Quadratkilometer – seit 1970 kontinuierlich. Die vorhandenen Mengen konzentrieren sich mittlerweile auf die westliche Arktis, da sie von den dominierenden Strömungen dorthin verfrachtet werden. Je weniger Eis allerdings vorhanden ist, desto weniger Sonnenlicht wird im Sommer reflektiert und desto mehr Energie wird vom relativ dunklen Meer als Wärme gespeichert, was wiederum die Eisbedeckung weiter reduziert: eine sich selbst verstärkende Rückkoppelung.
Unter anderem dieser Effekt begünstigt die Erwärmung der Arktis, deren Temperaturen während der letzten zwölf Monate zwischen einem und vier Grad über dem langjährigen Durchschnitt lagen. Sie setzen damit den Trend seit den frühen 1990er Jahren fort: Seit damals notierten die Meteorologen stets nur positive Abweichungen der Jahresmittel. Dies kontrahiert mit den 1930er und 1940er Jahren, als ebenfalls relativ warme Jahre in der Region auftraten, doch wurden diese immer wieder von kalten Jahren unterbrochen, die unter dem Durchschnitt lagen – dies war seit zwanzig Jahren nicht mehr der Fall. Zu den hohen Temperaturen beigetragen haben zudem ungewöhnlich konstante Windsysteme, die warme Luft in die Arktis transportierten, sowie stabile Hochdruckphasen mit ungetrübter Sonneneinstrahlung
Wegen der Erwärmung dringen Bäume und Sträucher weiter polwärts vor; die Vegetation wächst generell dichter und höher auf. Dadurch verringert sich die Fläche des Tundren-Ökosystems, was die darauf angewiesenen Tier- und Pflanzenarten in Kalamitäten bringt. Darunter fällt beispielsweise das Karibu, das in manchen Regionen Bestandseinbrüche von bis zu achtzig Prozent hinnehmen musste. Dies lässt sich allerdings nicht unbedingt einzig auf den Klimawandel zurückführen, der den Tieren Nahrungsmangel durch höhere Niederschläge oder ungewohnte Insektenplagen beschert.
Betroffen sind manche Herden auch durch die zunehmende Industrialisierung – etwa Bergbau oder Erdölförderung – oder Übernutzung der Bestände. Viele Gänsearten profitieren hingegen von günstigeren Bedingungen im Sommer- und Winterquartier mit besserem Futterangebot sowie verschärften Jagdgesetzen, weshalb sich ihre Gesamtzahl seit 1970 auf mehr als 21 Millionen Tiere fast verdoppelt hat und sie neue Regionen besiedeln. Ein knappes Viertel aller Spezies nimmt jedoch an Zahl bereits wieder ab.
Dagegen scheinen sich die Bodentemperaturen in der Arktis nach einer langen Phase der Erwärmung auf höherem Niveau zu stabilisieren. Doch gilt dies nur für größere Tiefen, während an der Oberfläche der Permafrost sich weiterhin auflöst und unter anderem vorhandene Infrastruktur gefährdet. Außerdem notierten die Forscher gegenläufige Trends, die nicht ins Bild einer kontinuierlichen Erwärmung passen oder aber langfristige natürliche Schwankungen widerspiegeln. So kehrten die Wassertemperaturen im Nordpolarmeer zurück auf Werte, wie sie um 1990 herrschten – allerdings strömen weiterhin zu warme Wassermassen an den Rändern des arktischen Ozeans entlang.
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