Artenvielfalt: Insektensterben durch Staudämme
Itaipu ist ein Wunderwerk der Technik und das zweitgrößte Wasserkraftwerk der Erde: Es versorgt große Teile Paraguays und Brasiliens mit Strom, aber es hat seinen Preis. Denn sein gewaltiger Stausee überflutete eine riesige Fläche und einen der schönsten und größten Wasserfälle der Welt, die Guaíra-Fälle. Der Staudamm und 130 weitere Sperrvorrichtungen am Paraná und dessen Nebenflüssen hatten jedoch noch weitere Nebenwirkungen: Eine Studie von Gustavo Romero von der University of Campinas und seinem Team deutet an, dass es durch die Aufstauungen mit ihren Begleiterscheinungen zu einem starken Rückgang an aquatisch lebenden Insekten kam, wie die Forscher in den »Biology Letters« schreiben.
Die Bestandseinbrüche betrafen sämtliche beobachteten Insektengruppen wie Libellen, Eintagsfliegen oder Mücken, die einen Teil oder ihr ganzes Leben im Wasser verbringen, sowie alle Größenklassen. Und sie traten an und in allen Gewässern auf, die im Einzugsgebiet des Paraná untersucht wurden, etwa in Seen, Kanälen und natürlich den Flüssen selbst. Umgekehrt lebten im Wasser mehr eingeschleppte Fischarten und schwankte der Chemiehaushalt des Wassers häufiger.
Durch die Dämme wurde der Wasserfluss unterbrochen und gestört, so dass sich in den Stauseen Sedimente und Nährstoffe ansammelten. Unterhalb der Sperrwerke wurden die Flüsse dadurch klarer. In diesen Bereichen fielen viele der Insekten oder ihre Larven gefräßigen Fischen zum Opfer, weil sie sich schlechter verstecken konnten: Die Tiere sind oft dunkel oder gefleckt gefärbt, weshalb sie im trüben Wasser kaum auffallen; aber bei ungetrübten Verhältnissen werden sie leichter zur Beute.
Die Stauseen überfluteten außerdem natürliche Barrieren wie Wasserfälle oder Stromschnellen und erleichterten damit Fischen die Ausbreitung. Oft handelte es sich dabei um eingeschleppte oder ausgesetzte, räuberische Arten, die in gestörten Ökosystemen gut zurechtkommen, sich massenhaft vermehren und Insektenbestände dadurch unter Druck setzen.
Viele Länder in den Tropen und Subtropen setzen auf Wasserkraft als Energiequelle. Stauwerke könnten hier also eine Erklärung für die auch in dieser Region beobachteten schwindenden Insektenzahlen sein. Die Studie steht dabei im Gegensatz zu einer weiteren Arbeit, die 166 weltweit gesammelte Bestandsaufnahmen untersucht hat. Sie bestätigte, dass international Insektenpopulationen teils im freien Fall waren. Gleichzeitig stellte sie jedoch fest, dass bei Wasserinsekten der Trend in eine andere Richtung zeigte.
Laut Romero und Co stammten jedoch nur 5 der 68 Studien zu Wasserinsekten aus den Tropen, was das Ergebnis verzerrte. In Nordamerika und Europa, wo die meisten Untersuchungen herkamen, sorgten strenge Auflagen für eine bessere Wasserqualität, wovon wiederum die Insekten profitierten. Die Tropen und Subtropen müssten deshalb besser untersucht werden, schreiben die Autoren.
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