Coronavirus in Deutschland: Immer mehr jüngere Menschen erkranken schwer an Covid-19
Es geschieht, was Epidemiologen vorhergesagt hatten: Waren es zu Beginn der Corona-Pandemie vor allem die Alten, die sich mit dem Coronavirus angesteckt haben, infizieren sich seit einigen Monaten vermehrt jüngere Menschen in Deutschland. Hohe 7-Tage-Inzidenzen wurden laut Robert Koch-Institut (RKI) zuletzt in der Altersgruppe der 10- bis 24-Jährigen beobachtet, heißt es im aktuellen Wochenbericht des Instituts.
Auffällig ist zudem, dass in dieser Phase der Pandemie auch auf den Intensivstationen vermehrt jüngere Menschen behandelt werden. Von all jenen, die in der vergangenen Woche wegen ihrer Covid-19-Infektion ins Krankenhaus mussten, waren die meisten zwischen 35 und 59 Jahre alt. Das heißt nicht, dass bis heute nicht auch Ältere eine Intensivbehandlung benötigen, doch die Anteile der Altersgruppen haben sich im Verlauf der Pandemie verschoben, wie die folgende Grafik zeigt:
Anders als im Vorjahr sind also inzwischen längst nicht mehr vor allem Seniorinnen und Senioren betroffen: Knapp jeder zehnte derzeit auf einer Intensivstation behandelte Covid-19-Patient ist den Daten des Divi-Registers zufolge 30 bis 39 Jahre alt, knapp jeder fünfte 40 bis 49 Jahre (Stand 26.8., Aktualisierung jeweils donnerstags). Die 50- bis 59-Jährigen stellen etwa ein Viertel der Patienten, die 60- bis 69-Jährigen rund ein Fünftel. Vor allem Ungeimpfte erkranken schwer und sterben an den Folgen von Covid-19.
Insgesamt behandeln Ärztinnen und Pfleger derzeit 1091 Menschen wegen Covid-19 intensiv. Knapp die Hälfte der Betroffenen muss beatmet werden. Damit setzt sich ein Trend fort; die Zahl der mit Covid-19-Erkrankten belegten Intensivbetten pro 100 000 Einwohner steigt seit Ende Juli langsam, aber sicher an. Binnen eines Monats hatte sich die Zahl der mit Sars-CoV-2 Infizierten auf den Intensivstationen zuletzt verdoppelt.
Wie viele Covid-19-Erkrankte pro Woche pro 100 000 Einwohnern eine klinische Behandlung benötigen, könnte einem Vorschlag zufolge künftig Maßstab für Lockdown und Lockerungen sein. Insofern ist es sinnvoll, die Entwicklungen zu verfolgen und im Blick zu behalten, wie viele Betten auf den Stationen noch frei sind, so dass weiterhin alle Menschen die medizinische Hilfe bekommen, die sie brauchen. Egal, ob wegen Covid-19, eines Herzinfarkts oder Unfalls.
Corona-Schutzimpfungen helfen, die Lage zu entspannen. Nachweislich schützen die bislang zugelassenen, sicheren Vakzine vor schweren Erkrankungen. Das Risiko von schweren Covid-19-Verläufen ist für doppelt Geimpfte nach einem halben Jahr nach der zweiten Injektion verglichen mit Ungeimpften noch um mehr als das Zehnfache verringert. Darauf deutet etwa eine Studie aus Israel hin. Zudem stecken sich Geimpfte seltener mit dem Virus an und geben es seltener weiter als andere.
In Deutschland ist die Impfung mittlerweile offiziell für Menschen ab zwölf Jahren empfohlen – insgesamt gibt es damit 74 Millionen Personen, die sich für die Mittel von Biontech/Pfizer, AstraZeneca, Moderna oder Johnson&Johnson entscheiden können. Mindestens eine Impfdosis haben bisher 54,2 Millionen Personen erhalten, wie es laut Impfdashboard des Bundesministeriums für Gesundheit und RKI heißt. Womöglich sind es mehr. 50,3 Millionen gelten laut Ministerium und RKI bereits als vollständig geimpft.
Der größte Teil der über 60-Jährigen ist inzwischen zweimal und damit zunächst vollständig geimpft. Kinder und Jugendliche sind dagegen bislang kaum geschützt. Vor dem Hintergrund der steigenden Zahlen sollte das beachten, wer über Präsenzunterricht in Schulen und Kita-Betreuung debattiert. Denn selbst wenn schwere Covid-19-Erkrankungen bei Kindern selten sind – eine Besonderheit des Immunsystems könnte sie vor Pandemieviren schützen –, kommen schwere Verläufe auch bei ihnen vor, ebenso bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie Erwachsenen und Senioren. Jeder kann betroffen sein. Mit welchen Langzeitfolgen das einhergeht, beginnt sich erst abzuzeichnen.
Grafiken: Christiane Gelitz, Esther Megbel
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