Ökologie: Das Ende naht
Jetzt beginnt sie wieder, die Brandzeit im Amazonasbecken. Wie jedes Jahr werden zehntausende Hektar Regenwald versengt, um darauf Soja und Fleisch für den hungrigen Norden zu züchten. Diesmal könnte es aber auch ein langjähriges, erfolgreiches Forschungsprojekt zerstören, das unter anderem die Folgen der Abholzung untersucht.
Wissenschaft in einem tropischen Regenwald kann durchaus sehr gefährlich sein, lauern dort doch giftige Schlangen, Spinnen oder Wespen. Man kann sich leicht verlaufen, einer Raubkatze oder einer Horde wütender Pekaris – eine Wildschweinart – begegnen, sich an stacheligen Pflanzen verletzen oder üble Krankheiten und Parasiten einhandeln. Was aber in letzter Zeit Forschern im Rahmen des Biological Dynamics of Forest Fragments Project (BDFFP) im brasilianischen Regenwald passiert, ist bald vielleicht noch bedrohlicher als übles Getier oder Buschwerk.
Einzigartiges Forschungsambiente
Hunderte in- und ausländischer Forscher zeichneten in der Folge Tausende von Daten unterschiedlicher Pflanzen- und Tierarten auf, die ein ziemlich genaues Bild von den ökologischen Zusammenhängen im Regenwald und den Folgen der Lebensraumzerstückelung aufzeichnen – vom Verlust ganzer Tiergruppen bis hin zu grundlegenden Veränderungen der ökologischen Kreisläufe. Zusammen mit ähnlich gearteten Studienprojekten wie Barro Colorado im Panama-Kanal, La Selva in Costa Rica oder Pasoh in Malaysia revolutionierte das BDFFP die wissenschaftlichen Erkenntnisse über tropische Regenwälder. Eine der wichtigsten Erkenntnisse: "Innerhalb von 15 Jahren verliert ein hundert Hektar großes Restwaldstück die Hälfte seiner im Waldinneren lebenden Arten", mahnt Thomas Lovejoy, einer der führenden Mitarbeiter des Projekts.
Nun ist aber dieses einzigartige Unternehmen existenziell in seinem Fortbestand bedroht, wie die beiden Teilnehmer William Laurance vom Smithsonian Tropical Research Institute in Balboa in Panama und Regina Luizao vom National Institute for Amazonian Research in Manaus warnen.
Die Konflikte häufen sich
Rein landwirtschaftlich könnte die Unternehmung der SUFRAMA ohnehin wieder in einem Desaster enden wie jene von 1979: Die Böden nördlich von Manaus sind durchweg sehr arm und laugen schnell aus. Viele der damals gegründeten Viehfarmen wurden rasch wieder aufgegeben, während das BDFFP florierte. Diesmal könnte neben wirtschaftlichen Ruinen auch ein zerstörtes Forschungsprojekt stehen – vom Verlust eines wichtigen Ökosystems ganz zu schweigen.
Einzigartiges Forschungsambiente
Dieses Forschungsprojekt liegt nördlich der Amazonas-Metropole Manaus und besteht seit bald dreißig Jahren. Ursprünglich gegründet wurde es 1979, als die brasilianische Regierung die Ansiedelung von groß angelegten Viehfarmen in der Region gefördert hat und dafür großflächig Regenwald gerodet werden musste. In Absprache mit den Farmern wurden auf ihren Grundstücken einzelne, unterschiedlich große Waldareale von der Abholzung verschont, um anschließend studieren zu können, wie sich die isolierten Naturreste im Vergleich zu einem großen und unberührten Urwaldblock entwickeln.
Hunderte in- und ausländischer Forscher zeichneten in der Folge Tausende von Daten unterschiedlicher Pflanzen- und Tierarten auf, die ein ziemlich genaues Bild von den ökologischen Zusammenhängen im Regenwald und den Folgen der Lebensraumzerstückelung aufzeichnen – vom Verlust ganzer Tiergruppen bis hin zu grundlegenden Veränderungen der ökologischen Kreisläufe. Zusammen mit ähnlich gearteten Studienprojekten wie Barro Colorado im Panama-Kanal, La Selva in Costa Rica oder Pasoh in Malaysia revolutionierte das BDFFP die wissenschaftlichen Erkenntnisse über tropische Regenwälder. Eine der wichtigsten Erkenntnisse: "Innerhalb von 15 Jahren verliert ein hundert Hektar großes Restwaldstück die Hälfte seiner im Waldinneren lebenden Arten", mahnt Thomas Lovejoy, einer der führenden Mitarbeiter des Projekts.
Nun ist aber dieses einzigartige Unternehmen existenziell in seinem Fortbestand bedroht, wie die beiden Teilnehmer William Laurance vom Smithsonian Tropical Research Institute in Balboa in Panama und Regina Luizao vom National Institute for Amazonian Research in Manaus warnen.
"Wir kommen uns vor wie der kleine holländische Junge, der seine Finger in den lecken Deich steckt, dem aber langsam die Finger ausgehen, um alle Löcher zu stopfen"
(José Camargo)
Denn illegale, aber auch staatlich unterstützte Landnahme dringt immer weiter gegen die einzelnen Studienflächen vor und bedroht vor allem das Kernstück des Untersuchungsgebiets: ein sehr großes, unzerstückeltes und auch von Jagd kaum beeinflusstes Regenwaldareal, in dem noch die gesamte Großtierfauna wilder Natur wie Jaguar, Puma, Tapir oder Harpyien haust – kein anderes Projekt aus dieser Reihe kann das von sich behaupten. (José Camargo)
Gefördert von SUFRAMA (Superintendência da Zona Franca de Manaus) – eine Behörde, die für den Zollfreihandel in Manaus zuständig ist und riesige Ländereien nördlich der Metropole besitzt – werden nun Familien in direktem Umfeld der BDFFP-Flächen angesiedelt, um das Gelände zu kolonialisieren. Erfahrungsgemäß zieht dies weitere Landlose und Glücksritter sowie bisweilen Agrarkonzerne an, die sich Hoffnung machen, hier erfolgreich Vieh zu züchten oder Soja anzupflanzen. Zugute kommt ihnen auch die Manaus-Venezuela-Piste, die gegen Ende des letzten Jahrhunderts geteert wurde und damit die Landnahme bedeutend erleichtert und beschleunigt hat. Einen weiteren Zustrom an Siedlern befürchten die Forscher zudem, sollte dereinst die Straße zwischen dem Bundesstaat Rondônia – einem Schwerpunkt der Waldvernichtung in Brasilien – und Manaus fertiggestellt werden.
Die Konflikte häufen sich
Die näherrückende Agrarfront macht sich auch schon konkret in der Arbeit der BDFFP-Forscher bemerkbar: Immer wieder hören sie Schüsse und Motorsägen in der Nähe von Feldforschungscamps, einige ihrer Studienorte wurden bereits durch Brandstiftung zerstört. Letztes Jahr wurde eines der Lager geplündert und Gerätschaften im Wert von mehreren tausend Dollar gestohlen. Und einer der beteiligten Studenten stolperte nach Aussage von Laurance während seiner Arbeit bereits über eine ganze Wagenladung schwer bewaffneter Landarbeiter. Das weckt Befürchtungen unter den Wissenschaftlern, dass es in absehbarer Zeit Verletzungen oder gar Tote geben könnte, wenn sich Mitarbeiter gegen gesetzlose Landnahme zur Wehr setzen könnten – zu gut ist der Fall Dorothy Stang noch in Erinnerung, einer amerikanischen Nonne, die im Auftrag von Großgrundbesitzern erschossen wurde, weil sie sich gegen diese Art der Kolonisation zur Wehr setzte. Außerdem wurden erst jüngst zwei Park-Ranger in Französisch-Guyana ermordet, als sie gegen illegale Goldwäscher in einem Schutzgebiet vorgingen.
Angesichts dieser Entwicklung fühlen sich die Forscher ziemlich allein gelassen: "Wir kommen uns vor wie der kleine holländische Junge, der seine Finger in den lecken Deich steckt, dem aber langsam die Finger ausgehen, um alle Löcher zu stopfen", drückt es der Mitarbeiter José Camargo aus. Doch langsam formiert sich Widerstand, denn SUFRAMA wie auch die brasilianische Siedlungsbehörde INCRA handeln gegen ihre eigenen Regelungen. So gilt eigentlich, dass keine Menschen auf bewaldetem Land angesiedelt werden sollten. Weiterhin ignorieren sie ein Umweltgutachten, dass im Auftrag der SUFRAMA unter Mithilfe der Wissenschaftler erstellt wurde und den ökologisch hochgradig wertvollen Charakter der unzerstörten Waldgebiete der Region unterstreicht. Immerhin bildet das noch unberührte BDFFP-Areal das Herzstück eines Schutzkorridors, der sich von Ost nach West durch das gesamte nördliche brasilianische Amazonasbecken zieht.
Rein landwirtschaftlich könnte die Unternehmung der SUFRAMA ohnehin wieder in einem Desaster enden wie jene von 1979: Die Böden nördlich von Manaus sind durchweg sehr arm und laugen schnell aus. Viele der damals gegründeten Viehfarmen wurden rasch wieder aufgegeben, während das BDFFP florierte. Diesmal könnte neben wirtschaftlichen Ruinen auch ein zerstörtes Forschungsprojekt stehen – vom Verlust eines wichtigen Ökosystems ganz zu schweigen.
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